Politik

Linnemann bei Illner "Uns ist völlig egal, was die AfD macht"

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Carsten Linnemann muss derzeit sehr viel erklären.

Carsten Linnemann muss derzeit sehr viel erklären.

(Foto: picture alliance/dpa)

Es ist eine Zäsur. Erstmals hat die AfD der Union bei einer Abstimmung über einen Entschließungsantrag im Bundestag zu einer Mehrheit verholfen. Maybrit Illner diskutiert im ZDF darüber. Mit dabei: CDU-Generalsekretär Linnemann. Dessen Rechtfertigungsversuche lassen die anderen Gäste ins Leere laufen.

Nach dem blutigen Attentat von Aschaffenburg vor gut einer Woche ist die Migrationspolitik nun doch das alles beherrschende Wahlkampfthema. Das hatten die Parteien eigentlich verhindern wollen, vor allem CDU und CSU. Doch gerade das Verhalten der Union heizt die Debatte jetzt an. Am Mittwoch hatte sie einen Entschließungsantrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit den Stimmen der AfD durch den Bundestag gebracht. Am Donnerstag demonstrierten Tausende vor den Parteizentralen. Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel distanzierte sich von CDU-Chef Friedrich Merz. Der Publizist Michel Friedman gab seinen Austritt aus der Partei bekannt. An diesem Freitag wollen die Unionsparteien nun das "Zustrombegrenzungsgesetz" beschließen, vermutlich wieder mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD. Am Abend davor beschäftigt sich Maybrit Illner in ihrer ZDF-Talkshow ebenfalls mit diesem Thema.

Das "Zustrombegrenzungsgesetz" ist ein Gesetzentwurf aus dem vergangenen September. Darin steht unter anderem, dass ein Familiennachzug zu Menschen mit subsidiärem Schutz gestoppt wird. Das Gesetz könnte mit den Stimmen von Union, FDP, BSW und AfD eine Mehrheit bekommen. Am Donnerstagabend versucht die Union, die SPD-Abgeordneten noch davon zu überzeugen, dem Gesetz zuzustimmen. Das sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei Maybrit Illner im ZDF. Auch mehrere Medien berichten darüber. Ein Ergebnis ist nicht bekannt. Die SPD hält das Gesetz in Teilen für verfassungswidrig.

Bei Illner bemüht sich Carsten Linnemann um Schadensbegrenzung, wirkt aber eher hilflos. "Wir stimmen nicht mit der AfD", sagt er. "Uns ist völlig egal, was die machen. Die Haltung von uns zu denen ist klar. Ich stimme für meine Überzeugung, und dafür bin ich gewählt worden als freier Abgeordneter. Wenn ich im Bundestag sitze und sage aus Angst vor der eigenen Courage oder aus Angst, dass irgendjemand zustimmen könnte, nicht meine Überzeugung, dann ist das kein demokratisches Parlament mehr." Wenn das Migrationsproblem nicht einmal im Ansatz gelöst werde, dann würden die Parteien am rechten und linken Rand profitieren und möglicherweise in vier Jahren die Regierung übernehmen. "Und das will ich nicht", so Linnemann.

Habeck stellt die Kanzlerfrage

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck ist sichtlich wütend. Immerhin hatte Friedrich Merz noch im November versprochen, keinen Antrag ins Parlament zu bringen, der mit "den Stimmen von denen da" entschieden werden könne. "Die da", das sind die Abgeordneten der AfD. "Jeder Bundeskanzler sollte sein Wort halten, und das Wort ist gebrochen worden. Jetzt muss wieder Vertrauen hergestellt werden", sagt Habeck. Die Ausführungen Linnemanns seien "strategisch naiv, politisch falsch und geschichtsvergessen." Und dann stellt er die wohl wichtigste Frage, die viele Menschen im Moment umtreibt: "Schließen Sie aus, dass Friedrich Merz sich mit den Stimmen der AfD zum Bundeskanzler wählen lässt?", und er fügt hinzu: "Das ist jetzt der Zeitpunkt, wo Sie sagen können, das wird in keinem Fall passieren."

"Ja", antwortet Linnemann. "Friedrich Merz wird, wenn er Bundeskanzler wird, eine stabile Regierung nutzen wollen. Er wird eine stabile Mehrheit aus der Mitte haben. Mit dieser AfD werden wir nicht eine Sekunde zusammenarbeiten. Das ist eine in Teilen rassistische Partei. Sie wird Deutschland auch wirtschaftlich in den Abgrund führen, Stichwort Euro, Stichwort EU. Und diese Typen, diese AfD, wird nicht mit uns zusammenarbeiten."

"Brauchen Ende der Polarisierung"

Juristin Sarah Tacke vom ZDF hakt nach: "Fakt ist: Sie haben am Mittwoch mit der AfD die Hand gehoben. Wie wir das nennen, ist egal. Das Signal ist entscheidend. Entscheidend ist auch, wofür Sie das getan haben. Die Abstimmung am Mittwoch war nichts weiter als ein Lippenbekenntnis. Das wird in der Migrationspolitik gar nichts verändern. Das ist eine Absichtserklärung. Das ist ein Nichts, das hat null Wirkung. Und was Sie am Freitag vorhaben, ist zwar ein Gesetz, aber eines, das keine Wirkung entfalten wird, weil es nicht durch den Bundesrat gehen wird. Was Sie diese Woche gemacht haben, ist eine große Show, für die Sie einen sehr hohen Preis zahlen: Dass Sie gemeinsam mit der AfD die Hand gehoben haben."

Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo blickt anders auf die Diskussion. Er appelliert an die Parteien der Mitte: "Was wir in diesem Land bräuchten, wäre ein Ende dieser entsetzlichen Polarisierung am Beispiel der Migration. Wir bräuchten die Parteien der Mitte, die sich vernünftig zusammensetzen und überlegen, wie man Migration begrenzen kann." Die Politik habe seit Jahren ignoriert, was die Menschen empfinden. Deutschland sei kein rassistisches Land, sagt der Journalist. Viele Menschen empfänden es jedoch als Fehler, dass zu viele Migranten dieses Land nicht wieder verlassen würden. Das Problem müsse die Politik anfassen. Leicht wird das jedoch nicht werden. Denn Unionskanzlerkandidat Merz hat in dieser Woche viel Porzellan zerschlagen und viel Vertrauen verspielt.

Quelle: ntv.de

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