Xi Jinping feiert 70. Geburtstag Vom Ausgestoßenen zum mächtigsten Herrscher seit Mao
15.06.2023, 07:35 Uhr Artikel anhören
Mit 15 Jahren wurde Xi aufs Land geschickt, wo er jahrelang Getreide schleppte. Heute ist er der mächtigste Mann in China.
(Foto: REUTERS)
Seine Familie ist Teil von Pekings politischer Elite. Doch dann fällt der Vater in Ungnade. Als Außenseiter kämpft sich Xi Jinping bis an Chinas Spitze. Nun feiert der Staatschef seinen 70. Geburtstag.
Xi Jinping werde der liberalste Führer der chinesischen Geschichte sein, mutmaßten einige Beobachter, als er 2012 Staatschef und Chef der Kommunistischen Partei Chinas wurde. Xis Familiengeschichte und seine unauffällige Art verleiteten sie zu dieser Hoffnung, die in den bereits mehr als zehn Jahren seiner Herrschaft gründlich enttäuscht wurde. Vielmehr erwies sich Xi in seinem Ehrgeiz als rücksichtslos und intolerant gegenüber Andersdenkenden, heute hat sein Kontrollzwang beinahe alle Lebensbereiche der Volksrepublik durchdrungen.
Systematisch scharte Xi seit seinem Amtsantritt enge Verbündete um sich und räumte Widersacher aus dem Weg. In einem Bruch mit jahrzehntelangen Regeln ebnete das Zentralkomitee der KP Xi im Oktober schließlich den Weg für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär. Seit Staatsgründer Mao Zedong hatte kein chinesischer Staatschef mehr eine derartige Machtfülle und genoss einen solchen Personenkult wie nun Xi.
"Ich würde sagen, dass er nach Macht als Instrument strebt, um seine Vision zu verwirklichen", sagt der Autor Alfred L. Chan. Xi gehe es nicht um Geld, sagt Adrian Geiges, ein weiterer Biograf. "Er hat wirklich eine Vision von China, er will China zum mächtigsten Land der Welt machen."
"Er war sehr clever, indem er sich unauffällig verhielt"
Der am 15. Juni 1953 geborene Xi wuchs als Kind der Parteielite auf. Sein Vater Xi Zhongxun war ein Revolutionsheld und brachte es zum stellvertretenden Regierungschef. Seine Strenge gegenüber der Familie "grenzte ans Unmenschliche", schreibt Biograf Joseph Torigian. Während der Kulturrevolution fiel der Vater in Ungnade, die Familie verlor über Nacht ihren Status. Von da an sei er von seinen Mitschülern geächtet worden, erzählte Xi Jinping später.
Mit 15 Jahren wurde er aufs Land geschickt, wo er jahrelang Getreide schleppte und in einer Höhle schlief, die heute eine Touristenattraktion ist. Auch musste er an sogenannten Kampfsitzungen teilnehmen und seinen Vater denunzieren. Diese Erfahrungen seien der Grund für Xis Härte, sagt Biograf Chan.
Trotz der Demütigungen versuchte Xi hartnäckig, der Kommunistischen Partei beizutreten. Mehrmals wurde sein Antrag wegen seiner Familiengeschichte abgelehnt, bis er 1974 endlich aufgenommen wurde. Xis Vater wurde in den späten 70er Jahren nach Maos Tod rehabilitiert, was dem Sohn zu höherem Ansehen verhalf.
Xi habe sich systematisch nach oben gearbeitet, sagt Biograf Geiges. "Und er war sehr clever, indem er sich unauffällig verhielt." 1987 heiratete Xi in zweiter Ehe die Sopranistin Peng Liyuan - ein Superstar in China. Peng war damals deutlich bekannter als ihr Mann. Als Regionalpolitiker wurde Xi 1999 zunächst Mitglied der Regierung der Küstenprovinz Fujian, anschließend diente er ab 2002 als Gouverneur in der Provinz Zhejiang und wurde 2007 als Parteisekretär nach Shanghai versetzt.
Aggressiver als sein Vorgänger
2007 wurde Xi in den Ständigen Ausschuss des Politbüros der KP Chinas berufen, das höchste Entscheidungsgremium der Partei. Als er fünf Jahre später die Nachfolge von Präsident Hu Jintao antrat, war der Kurs, den er einschlagen würde, nicht absehbar.
In den folgenden Jahren ging Xi gegen zivilgesellschaftliche Bewegungen, unabhängige Medien und akademische Freiheiten vor und überwachte die Bürger seines Landes digital fast lückenlos. Seiner Regierung werden zudem Verbrechen in der Region Xinjiang vorgeworfen, wo Menschenrechtler schwere Repressionen, Masseninternierungen und Folter gegen die muslimische Minderheit der Uiguren beklagen.
Auch außenpolitisch verfolgt Xi einen weitaus aggressiveren Kurs als sein Vorgänger. Gegenüber dem demokratisch regierten Taiwan, das Peking als abtrünniges Gebiet sieht und notfalls mit militärischer Gewalt wieder mit dem Festland vereinen will, nahmen die Drohgebärden in jüngster Zeit deutlich zu. In der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong wurde die Demokratiebewegung mithilfe eines umstrittenen "Sicherheitsgesetzes" weitgehend mundtot gemacht.
Gute Beziehungen zu Russland
Gute Beziehungen pflegt Xi dagegen seit der Krimkrise 2014 zu Russland - nach einem Staatsbesuch Xis in Moskau im März beschwor Russlands Präsident Wladimir Putin jüngst die "grenzenlose Freundschaft" beider Länder.
Wirtschaftlich hat Xi das Ziel proklamiert, 100 Millionen Chinesen aus der Armut zu hieven - und tatsächlich hat China unter ihm einen enormen Aufschwung erlebt und ist für die USA und die EU wirtschaftlich ein immer wichtigerer Partner und ebenso gefährlicher Konkurrent auf dem Weltmarkt geworden. Aktuell schwächelt die Konjunktur in China allerdings nach Xis jahrelanger, strikter Null-Covid-Strategie mit Massentests und langen Lockdowns, die das Land fast zum Stillstand brachte.
Seine Biografen suchen in Xis früheren Schriften nach Gründen für dessen Politik. "Der Zusammenbruch der Sowjetunion und des Sozialismus in Osteuropa waren ein großer Schock für ihn", sagt Geiges. Xi führe ihn auf die politische Öffnung zurück. "Deshalb hat er beschlossen, dass das in China nicht passieren darf."
Quelle: ntv.de, jpe/AFP