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"Unermüdlich und intensiv" Von der Leyen lobt Kiews Bemühungen um EU-Beitritt

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Hatten viel zu bereden: der ukrainische Präsident Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen.

Hatten viel zu bereden: der ukrainische Präsident Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen.

(Foto: REUTERS)

Schon zum fünften Mal seit Kriegsbeginn besucht EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Ukraine. Die Liste der Themen ist lang: der EU-Beitritt, die Munitionslieferungen, Getreide-Beschränkungen und das elfte Sanktionspaket gegen Aggressor Russland. Dabei gibt es ein großes Lob für Kiew.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Ukraine am Europatag tiefen Respekt für deren Bemühungen um einen schnellen Beitritt zur EU gezollt. Das Land arbeite "unermüdlich und intensiv" daran, die Voraussetzungen für den Start von Beitrittsverhandlungen zu erfüllen, sagte sie bei einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Und dies trotz der Schwierigkeiten, Reformen in einem blutigen Krieg durchzuführen.

"Für diese herausragende Arbeit möchte ich meinen tiefen Respekt zollen", sagte von der Leyen. "Sie wissen, dass Sie während des gesamten Prozesses auf unsere Unterstützung und unsere Expertise zählen können." Eine erste Bewertung der aktuellen Reformanstrengungen der Ukraine wird die EU-Kommission nach den Angaben von der Leyens bereits im Juni mündlich an den Rat der Mitgliedstaaten übermitteln.

Im Oktober soll es dann einen schriftlichen Bericht geben, auf Grundlage dessen dann eine Entscheidung über den Start von Beitrittsverhandlungen getroffen werden soll. Die Ukraine ist seit vergangenem Sommer bereits Beitrittskandidat. Über Verhandlungen müssen die 27 EU-Staaten einstimmig entscheiden.

Von der Leyen war nach Kiew gereist, um dort gemeinsam mit Präsident Selenskyj den Europatag zu feiern. "Die Ukraine gehört zu unserer europäischen Familie", sagte von der Leyen. Dass sie am Europatag in Kiew sei, sei ein Symbol, es zeige aber auch, dass die EU bereits jetzt in vielen Bereichen mit der Ukraine Hand in Hand zusammenarbeite.

Selenskyj hatte erst am Vortag ein Dekret unterzeichnet, dem zufolge in Zukunft auch in der Ukraine der Europatag begangen werden soll. Dieser markiert den Jahrestag der sogenannten Schuman-Erklärung. Sie wurde am 9. Mai 1950 von dem damaligen französischen Außenminister Robert Schuman vorgeschlagen, um einen neuen Krieg zwischen den Nationen Europas undenkbar zu machen. Schumans Vorschlag gilt als Geburtsstunde dessen, was heute Europäische Union genannt wird.

Empörung über "grausame" Getreidebeschränkungen

Beide sprachen aber auch über weitere Themen. Selenskyj forderte angesichts der geplanten ukrainischen Gegenoffensive von der EU schnellere Waffenlieferungen. Er habe mit von der Leyen "das Schlüsselthema besprochen: die Geschwindigkeit der Versorgung und Lieferung" von Munition, sagte Selenskyj. Die von der EU zugesagte Artilleriemunition von "einer Million Granaten" werde unmittelbar auf dem Schlachtfeld benötigt. Derweil beschloss das Europaparlament in Straßburg ein Eilverfahren zu dem Thema.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit von der Leyen forderte der ukrainische Staatschef zudem, die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union zu beschließen. Es sei "längst an der Zeit", "eine positive Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu treffen".

Zugleich prangerte Selenskyj "inakzeptable" und "grausame" europäische Beschränkungen für ukrainische Getreideexporte an. "Jede Beschränkung unserer Exporte ist jetzt absolut inakzeptabel, weil sie die Kapazitäten des russischen Aggressors stärkt", sagte Selenskyj und sprach von "protektionistischen Maßnahmen der Nachbarn". Er forderte Brüssel auf, die Beschränkungen "so schnell wie möglich" aufzuheben.

Im April haben die an die Ukraine grenzenden EU-Staaten den Import einer Reihe von ukrainischen Agrarprodukten blockiert. Seit Anfang Mai gilt ein Importverbot für ukrainisches Getreide in fünf EU-Staaten. Dieses soll Anfang Juni auslaufen. Bauern in Polen, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien hatten nach der Aufhebung von Importzöllen über massive ukrainische Konkurrenz geklagt. Von der Leyen hatte daraufhin Ende April ein zusätzliches millionenschweres Hilfspaket für osteuropäische Bauern zugesagt. Hintergrund sind deren Klagen über einen Preisverfall. Aus der Ukraine ist der gewohnte Export über die Schwarzmeerhäfen aufgrund des von Russland vor über 14 Monaten gestarteten Krieges eingeschränkt.

Details zum elften EU-Sanktionspaket

Unterdessen lieferte von der Leyen bei ihrem fünften Besuch in Kiew weitere Details zu einem elften Paket mit Russland-Sanktionen. Der Schwerpunkt des Pakets liege darin, die Umgehung der bereits erlassenen Strafmaßnahmen zu bekämpfen, erklärte sie bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

Demnach soll zum Beispiel über eine Verschärfung bestehender Transit-Verbote dafür gesorgt werden, dass bestimmte Hightech-Produkte oder Flugzeugteile nicht mehr über Drittstaaten nach Russland kommen. Zudem bestätigte von der Leyen den bereits am Freitag bekannt gewordenen Vorschlag für ein neues Instrument zum Kampf gegen Sanktionsumgehungen.

"Wenn wir sehen, dass Waren von der Europäischen Union in Drittländer gelangen und dann in Russland landen, könnten wir den Mitgliedstaaten vorschlagen, diese Waren zu sanktionieren", sagte die frühere deutsche Verteidigungsministerin. Dabei solle aber klar sein, dass dieses Instrument als "letztes Mittel" und nur nach einer sehr sorgfältigen Risikoanalyse und nach Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten eingesetzt werden sollte.

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Als drittes Element nannte von der Leyen ein Handelsverbot mit Unternehmen aus Russland und Drittstaaten, die Sanktionen bewusst umgehen. Über den Vorschlag der Kommission sollen am Mittwoch erstmals die ständigen Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten in Brüssel beraten. Ziel ist es, das elfte Sanktionspaket noch in diesem Monat zu beschließen. Neben dem neuen Instrument für Exportkontrollen soll es unter anderem auch Strafmaßnahmen gegen weitere Personen und Organisationen umfassen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen.

Von der Leyen besuchte die ukrainische Hauptstadt bereits zum fünften Mal seit dem Beginn der russischen Invasion vor gut 14 Monaten. Die vorherige Reise nach Kiew hatte sie Anfang Februar absolviert.

Quelle: ntv.de, ses/dpa/AFP

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