Politik

Seehofer im Anti-Terror-Zentrum Warten auf Heimathorst

Horst Seehofer ist auf dem Sprung. Nach einer massiv zusammengestutzten Pressekonferenz geht es nach Paris.

Horst Seehofer ist auf dem Sprung. Nach einer massiv zusammengestutzten Pressekonferenz geht es nach Paris.

(Foto: dpa)

Innenminister Seehofer auf Antrittsbesuch. Dieses Mal beim Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin. Eine Steilvorlage für den CSU-Politiker. Doch die Chance, sich als Heimatschützer Nummer Eins in Szene zu setzen, verpasst er.

Eigentlich ist Horst Seehofer ein ausgesprochen begabter Zurschausteller. Bei seinem Antrittsbesuch als Innenminister im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) allerdings verpasste er seine Chance, sich als großer Heimatschützer in Szene zu setzen.

9 Uhr, Kasernengelände am Treptower Park in Berlin. Die Chefs des Bundeskriminalamts und des Bundesverfassungsschutzes, Holger Münch und Hans-Georg Maaßen, sowie ihre Entourage an Mitarbeitern in schwarzen Anzügen und Kostümen warten. Seehofer kommt nicht. Fernsehmoderatoren fangen an zu improvisieren, um Live-Aufsager zu füllen. Einer sagt seinen Zuschauern, dass der CSU-Politiker womöglich auch ein paar Worte für die Presse übrig hätte, wenn er denn komme.

Als Seehofer mit reichlich Verspätung dann kommt, begrüßt er Münch und Maaßen. An dem Fernsehmann, der ihn in die Live-Schalte einbinden will, zieht wortlos vorbei. Genauso wie an allen anderen Journalisten.

Kein Countdown im Raum A240

Zu berichten gibt es zunächst also nur, worüber schon berichtet wurde. Und was das GTAZ eigentlich ist. Die Einrichtung wurde 2004 geschaffen, nicht als eigenständige Behörde, sondern als Plattform für alle Behörden in der Bundesrepublik, die sich mit dem Thema Sicherheit befassen. Dazu gehören der Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, die Länderkriminalämter, Bundespolizei, Zollpolizei, Nachrichtendienst und und und. In täglichen Lagebesprechungen und Gefährdungsbewertungen versuchen sogenannte Verbindungsbeamte sich ideal untereinander auszutauschen, um insbesondere für die Gefahren des islamistischen Terrorismus gewappnet zu sein. Dank der Arbeit des GTAZ ließen sich in Deutschland etliche Anschläge verhindern.

Das Presseteam, das sich um den Antrittsbesuch Seehofers kümmert, führt die Journalisten in Raum A240. Hier findet normalerweise die tägliche Lagebesprechung statt. Mit viel Fantasie kann man sich dramatische Szenen vorstellen: An einer Wand hängt eine Digitaluhr mit roten Ziffern. Notiert sind die Ortszeiten für Washington, Berlin, Riad und Kabul. Darunter ist ein Timer, der Tage, Stunden, Minuten und Sekunden zählen kann. Man kann erahnen, wie darauf ein Countdown bis zu einem Anschlag, einer Deadline für eine Lösegeldforderung oder sonst irgendeinem wichtigen Ereignis abläuft. Doch heute läuft der Timer nicht.

Zu sehen gibt es in Raum A240 eigentlich nur 40 blaue Stühle. Die am Fuß des Tisches sind für die Verbindungsbeamten, die am Kopf für die Behördenleiter – und heute auch für Seehofer. Doch der lässt wieder auf sich warten. Er nimmt noch an einer nicht-öffentlichen Arbeitssitzung in einem Nachbarraum teil.

Als der neue Innen-, Heimat- und Bauminister dann kommt, dürfen die Kameraleute ein paar Auftaktbilder machen. Seehofer fragt lachend, ob sie heute auch mit tagen würden. Bei den Journalisten hält sich das Lachen in Grenzen. Sie müssen Raum A240 verlassen, bevor aus Seehofer mehr herauszubekommen ist.

"Seehofer lobt die Arbeit des GTAZ"

Alle setzen auf die Pressekonferenz um 10.50 Uhr. Und setzen sich auf den Fußboden im Flur. Es gibt keine Stühle für die Journalisten. Nach Häppchen fragt schon keiner mehr, aber nach Kaffee oder Wasser. Die gibt es allerdings auch nicht.

Wegen der Sicherheitsauflagen darf niemand den Flur verlassen. Die Fotografen sichten erste Bilder. Die Print- und Onlinejournalisten twittern oder lesen Zeitung. Einige schlafen – oder meditieren. Die Raucher werden in der rund eineinhalbstündigen Wartezeit einmal gebündelt für eine, maximal zwei Zigaretten vor die Tür geführt.

11.50 Uhr im sogenannten "Lichthof". Warum der Raum so heißt, ist nicht ganz klar. Vielleicht, weil die Fenster hier ein wenig größer sind als anderswo im Gebäude. Ein Fotograf schleppt sich durch den Raum, um in Position zu kommen. Der Mann hat so lange im Schneidersitz gesessen, dass ihm die Beine eingeschlafen sind.

Drei Mal wird der Minister angekündigt. Jedes Mal verdrehen die Journalisten vergeblich ihre Hälse. Als Seehofer dann wirklich kommt, es ist ungefähr 11 Uhr, verkündet eine Mitarbeiterin, dass er nur ganz kurz Zeit hätte, er müsse gleich weiter nach Paris.

Seehofer verspricht, dass er als Innenminister nichts an der föderalen Grundstruktur des Landes ändern wolle. Er räumt ein, dass es absolute Sicherheit nicht geben könne. Er berichtet von einer hohen abstrakten Gefährdungslage – genauso wie sein Vorgänger, und dessen Vorgänger, und dessen Vorgänger. Und er wiederholt sich selbst mit der Ankündigung, bei den Sicherheitsbehörden personell aufzustocken.

Der Nachrichtenwert: null. Die Agenturen berichten trotzdem vom Antrittsbesuch des neuen Ministers. Eine titelt: "Seehofer lobt Arbeit des Terrorismusabwehrzentrums".

Eigentlich sollte die Pressekonferenz bis 11.30 Uhr dauern. Um 11.15 ist Seehofer schon auf dem Weg nach Paris. Und die Journalisten im GTAZ warten darauf, dass sie auch endlich raus dürfen. Aus Sicherheitsgründen geht das natürlich nicht ohne Weiteres. Die Beamten sie erst bündeln und zum Tor führen.

Quelle: ntv.de

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