Alt und unversichert Was Putins Schattenflotte so gefährlich macht
14.01.2025, 07:53 Uhr Artikel anhören
Die auf den Cookinseln registrierte "Eagle S" ankert in einem finnischen Hafen. Der Tanker soll zur russischen Schattenflotte gehören und die Stromverbindung zwischen Finnland und Estland gestört haben.
(Foto: dpa)
Der havarierte Öltanker "Eventin" bei Rügen sowie die mutmaßliche Sabotage an Unterwasserkabeln zeigen: Die russische Schattenflotte stellt eine massive Bedrohung dar. Der Atlantic Council sieht sie gar als nicht-militärische, aber mächtige Waffe. Nun will die NATO handeln.
Nach der mutmaßlichen Sabotage an mehreren Unterwasserkabeln in der Ostsee und der Havarie des Öltankers "Eventin" nördlich von Rügen rückt die sogenannte russische Schattenflotte zunehmend in den Fokus der NATO-Staaten. Bei einem Gipfel in Helsinki beraten an diesem Dienstag Vertreter mehrerer NATO-Länder über eine Stärkung der militärischen Präsenz in der Ostsee und den Umgang mit den unter fremder Flagge fahrenden Tankern.
Was ist eine Schattenflotte?
Die britische Regierung definiert eine Schattenflotte als Schiffe, die illegal dazu eingesetzt werden, Sanktionen zu umgehen. Zudem werden mit ihrem Einsatz Sicherheits- oder Umweltvorschriften umgangen, Versicherungskosten vermieden und andere illegale Aktivitäten betrieben, die - wie es der Name sagt - im "Schatten" bleiben sollen.
Bereits vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 existierte eine solche aus alten und unversicherten Tankern bestehende Schattenflotte. Genutzt wurde sie etwa von Venezuela und dem Iran, deren Energiesektor von den USA mit Sanktionen belegt ist, sowie von Nordkorea.
Laut der US-Denkfabrik Atlantic Council ist die Schattenflotte seit dem Beginn des Ukraine-Krieges "explosionsartig gewachsen". Den Einschätzungen zufolge gehören ihr mittlerweile rund 17 Prozent aller Öltanker auf See an. Aber auch andere Handelsschiffe zählen demnach dazu.
Wozu braucht Russland die Schattenflotte?
Um die Finanzierung des Kriegs in der Ukraine zu unterbinden, ist vor allem der russische Energiesektor seit 2022 vom Westen mit massiven Sanktionen belegt worden. So wurden unter anderem ein Embargo für russisches Öl eingeführt und eine Preisobergrenze für Rohöl festgesetzt. Um diese Sanktionen zu umgehen und den Export dennoch aufrechtzuerhalten, transportiert Russland sein Rohöl auf Schiffen, die unter fremder Flagge fahren - der Schattenflotte.
Laut der Kyiv School of Economics (KSE) machen die Tanker der Schattenflotte 90 Prozent der Rohöl-Exporte und 36 Prozent der Lieferungen von russischen Erdölprodukten aus. Schätzungen der KSE zufolge liefen allein im November des vergangenen Jahres 196 solcher, mit Erdöl beladener Tanker aus russischen Häfen aus.
Und noch ein weiteres Problem löst Russland mit der Schattenflotte: das der Versicherung. Für alle Handelsschiffe ist eine sogenannte Protection-and-Indemnity-Versicherung verpflichtend, die diese gegen mögliche Schäden auf hoher See versichert. Der Markt dieser Versicherungen wird zu fast 95 Prozent von Anbietern aus der EU und Großbritannien abgedeckt - und diese haben Russland mit Sanktionen belegt.
Die Schiffe der Schattenflotte verfügen dagegen entweder über keine solche Versicherung oder über Versicherungen, die laut dem Atlantic Council "sehr unzureichend" sind. Die Arbeit an Bord ist demnach "extrem gefährlich".
Dazu kommt, dass aufgrund des mangelnden oder fehlenden Versicherungsschutzes bei einem Unfall eines solchen Tankers mit einem westlichen Schiff oder einer Ölpest das westliche Land für den Schaden aufkommen muss. Der Atlantic Council bezeichnete die Schattenflotte daher als nicht-militärische, aber mächtige Waffe.
Was unternimmt der Westen gegen die Schattenflotte?
Im Dezember hatte die Europäische Union rund 50 Schiffe der Schattenflotte auf die Sanktionsliste gesetzt. Am vergangenen Freitag ergriff die US-Regierung ähnliche Maßnahmen, indem sie mehr als 180 Schiffe der Schattenflotte und die russischen Ölgiganten Gazprom Neft und Surgutneftegas mit Sanktionen belegte.
Der Atlantic Council zweifelt aber an der Effizienz solcher Sanktionen gegen individuelle Schiffe und bezeichnet diese als "kaum wirksam". Die Denkfabrik schätzte Anfang des vergangenen Jahres, dass 2025 der Anteil der Schiffe, die älter als 20 Jahre sind, elf Prozent der weltweiten Tankerflotte ausmachen werden. Vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs waren es nur drei Prozent.
Quelle: ntv.de, Pol-Malo Le Bris und Emeline Burckel, AFP