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Eine einfache Rechnung genügt Washington verteidigt Ukraine-Engagement Berlins

Die Bundeswehr will 40 Schützenpanzer vom Typ "Marder" in die Ukraine liefern.

Die Bundeswehr will 40 Schützenpanzer vom Typ "Marder" in die Ukraine liefern.

(Foto: picture alliance/dpa)

Das "Panzer-Kasperletheater" bügeln die USA im rheinland-pfälzischen Ramstein nüchtern ab. Verteidigungsminister Austin lobt sogar das Engagement Deutschlands im Ukraine-Krieg. Das hat mit den eigenen Ansprüchen zu tun - und möglicherweise den Zahlen.

Der Tag des Kontaktgruppentreffens der Ukraine-Unterstützerländer neigt sich dem Ende zu, da stellt ein Reporter auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein historisch gesehen ketzerische Fragen: Ob Deutschland von den USA weiter als verlässlicher Verbündeter gesehen werde? Zeige es Führungsqualität? Mache Deutschland genug? Schließlich schaffe es noch nicht einmal, eine so einfache Entscheidung wie die Lieferung von Kampfpanzern zu treffen. Ukraines Vize-Außenminister sprach zuvor von "Panzer-Kasperletheater".

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin steht vor den Medienvertretern und verteidigt die Bundesregierung. Ja, Deutschland mache genug. "Wir alle können immer noch mehr tun. Deutschland hat viel zu diesem Feldzug beigetragen." Der deutsche Kollege, Verteidigungsminister Boris Pistorius, habe am Morgen ja deutlich gesagt, dass noch keine Entscheidung über schwere Kampfpanzer gefallen sei. Für die Bundesregierung ist ein so klares Bekenntnis womöglich schon ein Erfolg. Es unterstreicht, dass ihr Vorgehen keinen offenen Bruch im Bündnis provoziert. Schon am Donnerstag hatte Austin die Deutschen wegen ihrer "starken Unterstützung" für die Ukraine gelobt.

Zwar erklärt Austin nach den stundenlangen Verhandlungen: "Wir machen Druck für Panzer." Aber er spricht auch mehrfach relativierend den Zusammenhang an, also die Gespräche aller Verbündeten. Es gehe ohnehin nicht um ein einzelnes Waffensystem, sondern ums Gesamtpaket. Das nun geschnürte "wird den Ukrainern ermöglichen, erfolgreich zu sein", versichert er. "In 43 Jahren habe ich die NATO nie so geeint gesehen wie heute", sagt US-Oberkommandeur Mark Milley, der neben ihm steht.

Milley erklärt auch, was erfolgreich bedeutet: Eine erwartete russische Offensive zurückzuschlagen, die russischen Truppen vielleicht sogar vom ukrainischen Territorium zu vertreiben und am Ende einen Verhandlungsfrieden im Sinne Kiews zu schließen. Dazu braucht die Ukraine offenbar insbesondere Kampffahrzeuge. Viele sind bereits zugesagt worden, Austin betont etwa den deutschen Schützenpanzer "Marder". Der deutsche "Leopard" steht wegen seiner Durchschlagskraft jedoch im Zentrum des Interesses. Mehrere Länder, darunter auch Deutschland, berieten gesondert über künftige Kampfpanzerlieferungen. Die Vereinigten Staaten haben ebenfalls keine schweren Panzer zugesagt. "Ich habe nichts zu verkünden", sagt Austin dazu.

Mehr Engagement als es scheint

Legt man Zahlen von beiden Seiten des Atlantiks nebeneinander, sind die bislang zugesagten Lieferungen aus Deutschland nicht wenig. Im Gegenteil. Die Bundesrepublik hatte im vergangenen Jahr einen Bundeshaushalt von rund 500 Milliarden Euro. Ihre Militärhilfen an die Ukraine summieren sich auf 3,3 Milliarden Euro, also 0,66 Prozent. Die USA kommen zugleich bei 6,272 Billionen Dollar auf 26,7 Milliarden Dollar an Militärhilfen für Kiew - das sind nur 0,43 Prozent.

Demonstrierten Einigkeit: Verteidigungsminister Boris Pistorius mit den Amtskollegen Lloyd Austin aus den USA und Oleksij Resnikow aus der Ukraine

Demonstrierten Einigkeit: Verteidigungsminister Boris Pistorius mit den Amtskollegen Lloyd Austin aus den USA und Oleksij Resnikow aus der Ukraine

(Foto: AP)

Auf die legitime Frage, die manche in den USA stellen, was sie der Krieg in der fernen Ukraine angeht, könnten die anderen NATO-Staaten also eine eigene Antwort geben: "Nicht so viel wie uns. Aber wir stellen insgesamt auch mehr Hilfen bereit." Zudem hat Joe Biden seine Präsidentschaft und das aktuelle Jahrzehnt zum Kampf der Systeme zwischen Autoritarismus und Demokratie ausgerufen. Die USA beanspruchen dabei die Führungsrolle, die sie nun mit ihrem Engagement untermauern müssen.

Eben darauf beziehen sich Austin und Milley auch an diesem Tag in Ramstein mehrmals. In diesem Verständnis ist der Angriffskrieg von Wladimir Putin auch einer gegen andere Demokratien, gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die internationale Ordnung und damit gegen die Verbündeten der USA. Die Vereinigten Staaten unterstützen die Ukraine schon seit 2014 militärisch.

Das vergangene Jahr und die kommenden Monate sind eine Fortsetzung dieser Kooperation. "Dieser Krieg wird zu einer absoluten Katastrophe für Russland", ist der US-Oberbefehlshaber sicher. "In dem Maße, wie die Grausamkeit Russlands zunimmt, wächst die Entschlossenheit dieser Kontaktgruppe", sagt Austin. Putin habe den Krieg begonnen, er könne ihn beenden.

"Ein schwieriger Feldzug"

In Ramstein ging es vor allem um Luftabwehr und gepanzerte Fahrzeuge. Zum einen für den Schutz der Bevölkerung und Stellungen vor russischen Angriffen, zum anderen für eine mögliche Offensive, die in den kommenden Monaten stattfinden soll. Das Zeitfenster dafür ist laut Milley klein, die Herausforderung groß. Der US-General lässt durchblicken, dass die USA diesen Frühjahrsfeldzug bis ins Detail mit der ukrainischen Militärspitze planen.

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Zuvor hatte Austin die von den beteiligten Ländern neu zugesagten Panzer und Luftabwehrsysteme aufgezählt, Milley übersetzte das in militärische Verbundstärken und amerikanische Dimensionen: "Es ist ein sehr schwieriger Feldzug, eine stabile Frontlinie, ein [von Russland besetztes] Gebiet wie von Washington D.C. nach Atlanta." Alle nötigen Schritte für den Einsatz des neuen militärischen Geräts sei besprochen worden - von der Lieferung und Ausbildung über die Koordination der Truppentypen im Einsatz bis hin zur Instandhaltung.

Es werde sehr schwer, Russland in diesem Jahr komplett zu vertreiben, sagte Milley. "[Die Ukraine] kann eine Offensive durchführen, und dann sehen wir, wohin das führt." Beide Seiten hätten bislang hohe Verluste erlitten. "Dies ist ein sehr blutiger Krieg." Aber verhandelt wird laut Milley erst dann, wenn der Ukraine ein Status als freier, unabhängiger Staat zugesichert werden kann.

Quelle: ntv.de

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