Politik

Syrien-Talk bei Illner Weber: "Positiv, dass Massenmörder seines eigenen Volkes weg ist"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Weber wirbt für eine europäische Friedenstruppe.

Weber wirbt für eine europäische Friedenstruppe.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Die Welt verändert sich gerade schnell. In Syrien wurde das Assad-Regime gestürzt und die Ukraine könnte auf einen Waffenstillstand zusteuern. Bei Maybrit Illner sprechen die Gäste über die neuen Herausforderungen für Deutschland und Europa.

"Wir haben gesehen, dass da was passiert. Aber ehrlich gesagt: Die Geschwindigkeit war für alle überraschend", sagt der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour über den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad am Donnerstagabend bei Maybrit Illner im ZDF. "Jetzt haben wir andere Möglichkeiten, mit Hilfsangeboten dazu beizutragen, dass die Menschen in Syrien wieder in Würde und in Freiheit leben", sagt Nouripour. Tatsächlich war der Einfluss westlicher Staaten auf Syrien seit mehr als acht Jahren kaum noch vorhanden. Das könnte sich jetzt ändern. Denn die schnelle Beseitigung des Assad-Regimes hat auch die Schwäche Russlands offenbart, des wichtigsten Verbündeten des Diktators.

"Der Imageschaden für den russischen Präsidenten ist enorm", sagt ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf. "Die 'Achse des Widerstandes' hat einen sehr tiefen Riss bekommen." Achse des Widerstandes - einige der mächtigsten und grauenhaftesten Autokratien gehören dazu: Nordkorea, Iran, und an erster Stelle Russland. "Die Russen hatten nicht die militärischen Kapazitäten, ein für sie sehr wichtiges Gebiet zu verteidigen, eine für sie sehr wichtige Diktatur am Leben zu erhalten", analysiert Eigendorf. "Die Diktatur in Syrien ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus." Russland sei dabei, die Zelte in der Region abzubrechen und seine Kriegsschiffe abzuziehen. Das zeigten Satellitenbilder.

Mariam Lau von der "Zeit" freut sich über die Entwicklung in Syrien. Schön sei, dass Syrien wieder eine Nation werde. Doch ihr ist auch klar: "Natürlich sind das Islamisten." Tatsächlich versucht Milizenführer Abu Mohammed al-Dschulani gerade zu signalisieren, dass er so etwas wie einen Image-Wechsel vollzogen hat. Die islamistische Rebellenorganisation Hajat Tahrir al-Scham (HTS), die er anführt, war lange Zeit ein Zweig des Terror-Netzwerks Al-Kaida in Syrien. Noch zu Beginn des Bürgerkriegs in Syrien zeigte er sich stolz mit dem Turban der Dschihadisten. Den legte er dann im Jahr 2016 ab. Nun steht er für einen "Islamismus light". "Die Regierung, die er jetzt gebildet hat, enthält keinen Vertreter der Minderheiten", beklagt Lau.

Und trotzdem: "Wir müssen das Gespräch suchen", fordert der Vorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der CSU-Politiker Manfred Weber. "Sicher würden wir uns dort demokratische Verhältnisse wünschen, aber die Nachbarn sind so, wie sie sind. Zunächst ist für alle positiv zu sehen, dass ein Massenmörder seines eigenen Volkes jetzt weg ist. Das ist das Wichtigste. Und wenn dann Russland und der Iran zu den Verlierern gehören, ist das auch eine gute Nachricht." Syrien werde sich nicht sofort zu einer Westminster-Demokratie entwickeln, sagt Weber. Trotzdem sei es wichtig, auf die HTS zuzugehen. Dennoch nennt Weber zwei Voraussetzungen, die die Rebellen vor Gesprächen erfüllen müssten: "Der faire Umgang mit allen Minderheiten wie den Christen dort, und die Frauenfrage sind zentrale Fragen. Das heißt, dass bestimmte Mindestansprüche gestellt werden, ist wichtig, bevor wir aktiv werden, bevor wir helfen."

Europa und die Ukraine

Ein Grund für die Schwäche Russlands in der Nahost-Region ist der Angriffskrieg gegen die Ukraine, der seit fast vier Jahren unerbittlich tobt. Die russische Armee verzeichnete dort zuletzt deutliche Geländegewinne. Auf der ukrainischen Seite werden Munition und Personal knapp, sagt Nouripour. Inzwischen hat auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Anschließend könne man darüber reden, wie die von Russland eroberten Gebiete wieder an die Ukraine zurückkommen. "Klar ist: Alle wollen Frieden. Aber wir können Frieden nur bekommen, wenn wir stark sind", sagt Manfred Weber. Sollten Verhandlungen über einen Waffenstillstand erfolgreich sein, müsse die Ukraine von Europa weiter unterstützt werden, fordert der CSU-Politiker.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Polens Premierminister Donald Tusk haben dazu am Donnerstag eine europäische Friedenstruppe vorgeschlagen. Daran könnten sich auch deutsche Soldaten beteiligen, fordert Weber - und unterstützt damit einen Vorschlag von Außenministerin Annalena Baerbock. "Das wäre der Moment, eine europäische Armee zu bilden", schlägt Weber vor. "Es ist jetzt der Moment, dass wir nicht Deutsche, Niederländer, Österreicher oder Franzosen hinschicken, sondern dass Europa Verantwortung übernimmt in diesem Konflikt. Jetzt ist der Zeitpunkt, erwachsen zu werden."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen