Torys stürzen in Umfrage ab Weiterer Minister spricht sich für Johnson-Rückkehr aus
21.10.2022, 15:41 Uhr
Der Rücktritt der britischen Premierministerin Truss stürzt ihre Torys in eine Krise. Innerhalb einer Woche wollen sie nun die Nachfolge klären. Truss' Vorgänger Johnson erhält nun weitere Unterstützung für ein Comeback. Die Wähler strafen die Konservativen allerdings ab.
Im Rennen um die Nachfolge der scheidenden britischen Premierministerin und Tory-Parteichefin Liz Truss hat sich ihr Verteidigungsminister Ben Wallace für Ex-Premier Boris Johnson ausgesprochen. "Im Moment tendiere ich zu Boris Johnson", sagte Wallace im Rundfunk. Der Vorgänger von Liz Truss habe allerdings noch "einige Fragen zu beantworten", fügte der Verteidigungsminister hinzu, in Anspielung auf die zahlreichen Skandale, die Johnsons Amtszeit begleitet hatten. Wallace schloss eine eigene Kandidatur aus. "Ich bin privilegiert, Verteidigungsminister zu sein und die derzeitige Bedrohung erfordert Stabilität in diesem Amt", sagte er.
Zuvor hatte sich bereits Energie- und Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg für Johnson als Parteichef und Premierminister ausgesprochen. Bei Twitter schrieb er die Losung "#BorisorBust" (Boris oder Nichts). Die scheidende Premierministerin Truss hatte am Donnerstag nach nur sechs Wochen im Amt infolge massiven Drucks auch aus der eigenen Partei ihren Rücktritt verkündet. Die konservativen Tories hatten daraufhin angekündigt, bis Ende nächster Woche eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger küren zu wollen.
Als Erste erklärte derweil Kabinettsmitglied Penny Mordaunt ihre Kandidatur für die Truss-Nachfolge. Mordaunt, die als Unterhauschefin dem Kabinett angehört, sagte, dass sie für "einen Neuanfang, eine geeinte Partei und eine Führung im nationalen Interesse" stehe. Als aussichtsreichster Kandidat gilt aber Ex-Finanzminister Rishi Sunak - nicht zuletzt, weil er die katastrophalen Konsequenzen von Truss' Wirtschaftsplänen während des Wahlkampfs um den Parteivorsitz im Sommer vorausgesagt hatte. Als weitere mögliche Kandidatin gilt die zurückgetretene Innenministerin Suella Braverman. Finanzminister Jeremy Hunt hingegen schloss eine erneute Kandidatur aus.
Beschleunigtes Verfahren
Johnson selbst war Anfang Juli nach einer parteiinternen Revolte gegen seine viel kritisierte Amtsführung während seiner drei Jahre als Parteichef zurückgetreten. Er blieb bis zur Wahl von Truss Anfang September im Amt. Berichten zufolge soll der Ex-Premier nun Interesse an einer erneuten Kandidatur haben. Allerdings klärt derzeit noch eine Untersuchung im Parlament, ob Johnson im Zusammenhang mit der Partygate-Affäre über verbotene Lockdown-Feiern im Regierungssitz 10 Downing Street gelogen hat.
Truss wurde von den Mitgliedern der Torys nach einem langen Auswahlverfahren zur neuen Parteichefin gewählt und damit automatisch auch Regierungschefin. Diesmal soll es ein beschleunigtes Verfahren geben. Zur Wahl können höchstens drei Kandidaten antreten. Die potentiellen Nachfolger müssten von mindestens 100 Abgeordneten unterstützt werden, erklärte der Tory-Abgeordnete Graham Brady die Nachfolgeregelung.
Die Nominierungen müssen bis 14 Uhr Ortszeit (15 Uhr MESZ) am Montag erfolgen. Da es nur 357 konservative Abgeordnete gibt, können höchstens drei Kandidaten nominiert werden. Danach müssen sich die Abgeordneten entweder auf zwei Kandidaten einigen - oder sie bestimmen direkt einen Kandidaten, der in die Downing Street einzieht. Das Ergebnis dieser Abstimmung soll bis 18 Uhr vorliegen.
Absturz in den Umfragen
Sollten zwei Kandidaten übrig bleiben, bestimmen die Tory-Abgeordneten in einer Art Richtungswahl bis 21 Uhr am Montag ihren Favoriten. Der oder die Unterlegene hat dann die Möglichkeit, die Kandidatur zurückzuziehen. Ansonsten wählen die 170.000 Parteimitglieder in einer Online-Abstimmung bis zum kommenden Freitag einen der beiden Kandidaten zum Parteichef und damit zum Premierminister. "Wir haben die Messlatte hoch gelegt, aber es ist für jeden ernsthaften Kandidaten (...) machbar", erklärte Brady.
Derweil haben die Torys nach Truss' Rücktritt in Umfragen erneut deutlich an Zustimmung verloren. In einer am Donnerstag von dem Marktforschungsinstitut PeoplePolling für den Sender GB News durchgeführten Umfrage gaben 53 Prozent der Befragten an, sie würden die oppositionelle Labour-Partei wählen, wenn eine Neuwahl anstünde. Nur 14 Prozent wollten noch die Tories wählen. Die Liberaldemokraten kamen in der Umfrage auf elf Prozent.
Die britischen Oppositionsparteien fordern nach dem erneuten Kollaps der konservativen Regierung eine sofortige Neuwahl. Diese muss allerdings die Regierung ausrufen, weshalb eine baldige Wahl als eher unwahrscheinlich gilt. Spätestens muss diese Anfang 2025 stattfinden, es wird aber mit einer Wahl im Jahr 2024 gerechnet.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa