
Das BSI will über Sicherheit bei Gamingaccounts aufklären.
(Foto: Michael Bauer)
Die Gamescom ist nicht nur eine Messe für Videospiele, sondern mittlerweile eine riesige Jobbörse. Neben der Bundeswehr werben dort auch Ämter und Ministerien um Nachwuchs - teilweise mit überraschend kreativen Ansätzen.
Nur selten glänzt die Politik auf der Gamescom - auch in diesem Jahr gibt es da wenig Highlights. Wirtschaftsminister Robert Habeck eröffnet die Gamescom, per Videoschalte. Nicht gerade ein Ritterschlag für die größte Spielemesse der Welt. NRW-Landeschef Hendrik Wüst schlendert durch die Hallen, posiert mit Cosplayern, versucht sich am Retro-PC Commodore C64 und greift auch bei der aktuellen Konsolengeneration zum Controller - zumindest für Pressefotos. Der Ministerpräsident wirkt interessiert, aber irgendwie auch fehl am Platz. Mit dem Thema Videospiele fremdelt der Bund und die Politik seit Jahren. Wenn man also die Zocker nicht vordergründig erreicht, dann vielleicht abseits der großen Bühnen? Denn die Gamescom ist nicht nur eine Spielemesse, sondern mittlerweile eine riesige Jobbörse, die Ministerien und auch die Bundeswehr für sich entdeckt haben.
"Accountschutz over 9000" prangt über dem Stand des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das in diesem Jahr erstmals auf der Messe ist. Der Slogan ist eine Abwandlung eines bekannten Internet-Memes, das aus der Anime-Serie "Dragonball Z" entstanden ist. Es soll etwas unglaublich Großes zum Ausdruck bringen. Das BSI will darauf aufmerksam machen, dass Gaming-Accounts auch ein Sicherheitsrisiko beherbergen können, sowohl auf Spieler- als auch auf Entwicklerseite. Der ganze Stand der Behörde ist eingerichtet wie ein Jugendzimmer, Sitzsäcke und Lavalampe inklusive. Der Ansatz ist ungewöhnlich frisch für eine Behörde, die sich mit weniger greifbaren Problemen wie Cyberattacken auseinandersetzt.
"Das BSI versteht sich als Cybersicherheitsbehörde, die Cybersicherheit gestaltet in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft", erklärt eine Sprecherin des BSI ntv.de. "Und bei der Gesellschaft kann man sagen: Jeder Dritte zockt in Deutschland. Aber weiß jeder Dritte über die Risiken Bescheid?" Hier auf der Gamescom seien Verbraucher, mit denen man ins Gespräch kommen könne, aber auch Hersteller, erläutert sie weiter. "Da ist es uns ein Anliegen, dass deren Produkte auch sicherer werden. Wir können Verbrauchern etwas über Zwei-Faktor-Authentifizierung erzählen, aber wenn die Hersteller es nicht anbieten, wird es schwierig."
Der Stand und die Idee kommt an. Zwei junge Männer in Feinrip-Unterhemd interessieren sich für den Stand, fragen, was es dort so gibt. Und das BSI hat sogar ein Virtual-Reality-Spiel zu bieten. Eine Simulation, in der man in die Rolle eines "White Hat" schlüpft, eigentlich ein Hacker, der Programme auf Schwachstellen prüft. In der virtuellen Welt sucht man statt im Programm in seinem Wohnzimmer, nach Passwörtern, die man beispielsweise per Post-it irgendwo angeheftet hat.
Recruiting sei auch ein Thema, sagt die Sprecherin. Man habe viele Experten des BSI, die selber Gamer sind, am Stand, um junge Menschen über die Arbeit in der Behörde aufzuklären. Die Optik des Stands bezeichnet die Sprecherin als "mutig". Es soll nicht zu behördlich aussehen, "sonst wäre die Hemmschwelle, auch die jungen Zielgruppen zu erreichen, sehr hoch".
Verfassungsschutz gibt sich zugeknöpft
Besonders behördlich kommt dagegen der Stand des Bundesverfassungsschutzes daher. Man könnte ihn auch als unscheinbar bezeichnen. Es gibt keinen echten Eyecatcher, der Besucher auf die Angebote des Bundesamtes aufmerksam macht. Ein Regal mit Stellenausschreibungen zum Mitnehmen ist wohl das Highlight des Standes. Statt "Dragonball"-Meme prangt auf den Jobangeboten der Slogan "Im Auftrag der Demokratie". Geboten werden Jobs für IT-Fachkräfte, aber auch Masterstudiengänge im Bereich "Intelligence and Security Studies", bei dem allerdings "erwartet" wird, mindestens fünf Jahre nach Abschluss für den Verfassungsschutz zu arbeiten.
Die behördlichen Anwerbungsansätze auf der Gamescom haben viele Ausprägungen, die größten Erfahrungen hat da sicher die Bundeswehr. Die "mutigen" Zeiten mit provokativer Plakatwerbung à la "Multiplayer at it's best?" und "Mehr Open-World geht nicht?" sind passé. Im Gespräch mit ntv.de erklärt ein Bundeswehr-Sprecher, dass in dem besagten Jahr 3000 Interessenten den Stand besucht hatten. Zwar wird nicht mehr mit Einsätzen der Bundeswehr im Ausland geworben, das Thema Krieg bleibt durch die Ukraine allerdings präsent. "Klar kommen da interessierte Fragen, aber wir versichern den Leuten immer, was mit einer militärischen Karriere einhergeht. Da sind wir sehr offen", so der Sprecher.
Keine Panzer, dafür Innovation
Das Interesse verteile sich auf alle Bildungsschichten, so der Sprecher. "Jeder tickt da natürlich anders, aber in Anbetracht der Corona-Pandemie ist die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber und ein sicherer Arbeitsplatz." Man suche nach technikaffinen Menschen und die Gamescom biete genau die richtige Zielgruppe.
Entsprechend steht bei der Truppe die berufliche Ausbildung im Vordergrund. "Nach der Schule liegt dir die Welt zu Füßen. Mach sie sicherer", steht auf dem Plakat am Stand, um Nachwuchs für die Bundeswehr zu gewinnen. Locken soll vor allem die Bundeswehrtechnik. Es ist nicht das ganz schwere Gerät, das auf der Gamescom präsentiert wird, aber immerhin mit das innovativste. An der Spitze des Stands steht ein modifiziertes Quad mit Kettenrädern für unwegsames Gelände. Spritztouren in der Halle würden allerdings den Teppichböden nicht guttun, scherzt der Sprecher. "Jedes Jahr die gleichen Exponate zu bringen, ist natürlich langweilig. Die Besucher erwarten auch was. Theoretisch könnten wir hier eine ganz Halle vollstellen."
Den direkten Zocker-Aspekt in Form von eigenen Videospielen für Konsole oder PC vermisst man zwar am Bundeswehr-Stand, und sicher wäre es nicht angebracht, einen Ego-Shooter einzubauen, aber Flugsimulatoren wären sicher eine Option. Simulatoren seien derzeit zwar auch anderweitig gefragt, doch die Truppe will zumindest weiter mit der Zeit gehen.
Sicher ist, dass Ämter und Ministerien in Zukunft weiter auf der Gamescom um Arbeitskräfte buhlen werden. Die Ansätze von BSI und Bundeswehr könnte man schon als Hoffnungsträger deuten, dass die Bundesregierung und die Politik einen besseren Zugang zu jungen Videospiel-affinen Menschen findet.
Quelle: ntv.de