Politik

Medwedtschuk in der Ukraine Wer ist der festgenommene Putin-Freund?

Hat für einen "ausländischen Politiker" erstaunlich enge Verbindungen zu Wladimir Putin: Viktor Medwedtschuk.

Hat für einen "ausländischen Politiker" erstaunlich enge Verbindungen zu Wladimir Putin: Viktor Medwedtschuk.

(Foto: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP)

In der Ukraine wird die Festnahme von Medwedtschuk gefeiert. Der Putin-Vertraute ist der einflussreichste pro-russische Politiker des Landes. Die Geheimdienste beider Kriegsparteien haben sich um ihn bemüht, die Behörden beschlagnahmen ein Vermögen bei ihm.

Auf den Bildern ist Viktor Medwedtschuk fast gar nicht wiederzuerkennen. Am Dienstag verkündete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass die ukrainischen Einsatzkräfte ihn in einer "Sonderoperation" festgenommen hätten. Die Aufnahmen zeigen einen blassen, älteren Mann in einer ukrainischen Uniform, mit zerzaustem Haar und den Händen in Handschellen. Die Fotos sorgten bei Ukrainern in den sozialen Medien für Jubel. Einen Tag später erklärte der Chef des ukrainischen Geheimdienstes SBU, Ivan Bakanow, wie es zur Festnahme des Oligarchen und Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin gekommen war.

SBU-Chef Bakanow berichtete, dass der ukrainische Geheimdienst einen Monat daran gearbeitet hätte, den angeblichen Putin-Vertrauten festzusetzen. Es entwickelte sich eine Art Wettrennen, denn parallel zum SBU habe der russische Geheimdienst FSB eine Mission gestartet, Medwedtschuk aus der Ukraine zu evakuieren. Nach ukrainischen Angaben waren darin auch "Vertreter der kriminellen Welt" involviert. Moskaus Ziel sei es gewesen, den 67-Jährigen mithilfe von Doppelgängern und einer Verkleidung als ukrainischen Soldaten erst nach Transnistrien zu schaffen und von dort aus nach Moskau zu transportieren, so Bakanow. Dabei hätte der FSB auch falsche Fährten gelegt.

Bereits in den ersten Kriegswochen gab es Gerüchte, dass Russland versuchen würde, den 67-Jährigen aus der Ukraine zu holen. Denn Medwedtschuk galt vor dem russischen Überfall als einer der wichtigsten prorussischen Oppositionspolitiker in der Ukraine. Er stand seit Mai 2021 in seinem Kiewer Anwesen unter Hausarrest. Wenige Tage nach Kriegsbeginn fehlte jedoch jede Spur von ihm.

"Wichtigster Mann in der Ukraine"

Nun, nach der Festnahme Medwedtschuks, bot Präsident Selenskyj dem Kreml einen einfacheren Weg als die komplizierte FSB-Rückholaktion an. "Ich schlage der Russischen Föderation vor, diesen Typen von euch gegen unsere Jungs und Mädchen auszutauschen, die sich derzeit in russischer Gefangenschaft befinden", sagte er in einer Videoansprache. Doch Moskau lehnte ab. Medwedtschuk habe "nichts mit dem militärischen Spezialeinsatz zu tun", erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der Geschäftsmann sei "ein ausländischer Politiker". Der 67-Jährige habe "nie irgendwelche Beziehungen zu Russland hinter den Kulissen" gehabt, fügte Peskow hinzu.

Für einen "ausländischen Politiker", wie er vom Kremlsprecher genannt wurde, werden Medwedtschuk jedoch erstaunlich enge Beziehungen nach Moskau nachgesagt. "Der Kreml betrachtete ihn als den wichtigsten Mann in der Ukraine, den Hauptgesprächspartner", sagte ein ehemaliger russischer Beamter dem britischen "Guardian". Medwedtschuk sei für Moskau der legitime Weg gewesen, ihren Einfluss auch in Zukunft in der Ukraine zu sichern.

Mehrfach wird Medwedtschuk in Verbindung mit einem Staatsstreich in der Ukraine gebracht. Der US-Geheimdienst behauptete, dass einer der russischen Pläne gewesen sein soll, nach einem schnellen Überfall eine Marionettenregierung in der Ukraine zu etablieren. Wie der "Guardian" berichtete, soll auch Medwedtschuk dafür in Betracht gezogen worden sein, der britische Geheimdienst nannte hingegen einen anderen Namen. Wenige Monate zuvor, im November 2021, war es Präsident Selenskyj, der mithilfe des US-Geheimdienstes den Plan für einen Putsch in der Ukraine öffentlich machte. Angeblich soll auch Medwedtschuk zum Umfeld dieser Gruppe möglicher Putschisten gehört haben.

26 Autos, 32 Appartements, eine Jacht

Seit Jahren war er ein mächtiger Strippenzieher in der Ukraine. Als einer der wichtigsten pro-russischen Oppositionspolitiker positionierte er sich gegen einen EU-Beitritt der Ukraine. Seit 2018 führte er die Partei "Oppositionsplattform - Für das Leben" an, die sich für eine Annäherung an Russland ausspricht und nach Selenskyjs Partei die zweitmeisten Sitze im ukrainischen Parlament hat. Zudem war er im Donbass, wo der Krieg bereits 2014 begonnen hatte, als ukrainischer Unterhändler tätig.

Doch nach und nach verlor er an Einfluss. Im Februar 2021 verbot die Ukraine drei pro-russische Fernsehsender, die Medwedtschuk auf dem Papier zwar nicht gehörten, aber von ihm offenbar kontrolliert wurden. Im darauffolgenden Sommer wurde Medwedtschuk unter Hausarrest gestellt. Ihm wurden Hochverrat und Diebstahl staatlichen Eigentums auf der Krim vorgeworfen. Dass der 67-Jährige daran beteiligt gewesen sein soll, Kohle mit Separatisten gehandelt zu haben, darum ging es nur vordergründig.

Vor diesem Hintergrund wirken Kremlsprecher Peskows Äußerungen, dass Medwedtschuk "nie irgendwelche Beziehungen zu Russland hinter den Kulissen" gehabt hätte, noch seltsamer. Denn über seine angeblichen Verbindungen zum Kremlchef machte der Geschäftsmann nie einen Hehl. Zum einen soll Putin der Taufpate seiner 2004 geborenen Tochter sein. Zum anderen behauptete Medwedtschuk 2018 in einem Interview mit dem britischen "Independent", dass er regelmäßig mit Putin über die Ukraine rede. "Mehr als einmal im Jahr", sagte er. Die "New York Times" berichtete, dass Medwedtschuk zeitweise sogar eine eigene Freigabe für den Luftraum von Moskau hatte.

Für Medwedtschuk haben sich die vergangenen Jahre offenkundig gelohnt. Wie das russische Staatsmedium RIA Novosti berichtete, machten die ukrainischen Behörden bei ihm nach seiner Festnahme einen gewaltigen Fund. Demnach wurden bei ihm und seiner Ehefrau 26 Autos, 30 Grundstücke, 23 Häuser, 32 Appartements, 17 Parkplätze und eine Motorjacht beschlagnahmt. Zudem hätten er und seine Frau Anteile bei 25 Unternehmen gehalten, hieß es. Was daraus wird, ist unklar.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen