Politik

Allahs alemannische Crew Wie Dschihadisten Deutsche ködern

Ein Ausschnitt aus einem Clip von Denis Cuspert (Abu Talha al-Almani).

Ein Ausschnitt aus einem Clip von Denis Cuspert (Abu Talha al-Almani).

Die Zahl deutscher Gotteskrieger in Syrien und dem Irak steigt. Islam- und Sicherheitsexperten beschreiben eine spezielle Form der Jugendkultur. Gegenmaßnahmen sind schwierig. Dabei werden Rückkehrer zu potenziellen Attentätern.

Die schwarze Flagge der Isis flattert im Wind. Vermummte Männer mit Sturmgewehren marschieren durch die Wüste. Explosionen, Exekutionen, Hetzjagden. Das sind die Bilder aus Denis Cusperts neuestem Video auf Youtube. Die Schnitte, Lichteffekte und Kamerafahrten erinnern an moderne Action-Filme und Computerspiele. Aus dem Off ertönt Cusperts Stimme: "Brüder steht doch auf, holt euch euren Sieg", summt er. "Auf zur Schlacht, ihr Löwen." Cuspert, der früher in der Berliner Hip-Hop-Szene als Deso Dogg auftrat und sich jetzt Abu Talha al-Almani nennt, wirbt für den "Heiligen Krieg". Erfolgreich. Die Zahl von Deutschen, die sich der Organisation "Islamischer Staat im Irak und der Levante" (Isis) anschließen, steigt. Nicht nur wegen Männern wie Cuspert, aber auch wegen ihnen.

Grund zur Sorge: Verfassungsschutzchef Maaßen (l.) und Innenminister de Maizière stellen den Verfassungsbericht 2013 vor.

Grund zur Sorge: Verfassungsschutzchef Maaßen (l.) und Innenminister de Maizière stellen den Verfassungsbericht 2013 vor.

(Foto: dpa)

Mehr als 320 Deutsche sind seit Beginn des Bürgerkriegs nach Syrien gereist. Etliche davon haben sich den Kämpfern von Isis und anderer radikalislamische Organisationen angeschlossen. Das berichtet Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen bei der Präsentation seines jüngsten Verfassungsschutzberichtes. Und er beschreibt sie nicht nur als Gefahr für die Sicherheit im Nahen Osten, sondern auch für die Sicherheit in Deutschland - wenn sie kampferprobt aus Syrien oder dem Irak in ihre Heimat zurückkehren. "Deutschland ist nicht weit entfernt vom Terrorismus. Wir sind weiterhin Ziel von Anschlagsplanungen", so Maaßen. Er bezeichnet radikale Islamisten gar als die "größte Bedrohung für die innere Sicherheit" und erinnerte an den blutigen Anschlag eines Syrien-Rückkehrers auf das Jüdische Museum in Brüssel vor drei Wochen.

Die steigende Zahl deutscher "Gotteskrieger" hat viele Gründe. Einer ist, dass Männer wie Cuspert, der in Syrien bereits eine deutsche Isis-Brigade bilden konnte, eine besondere Ansprache gelingt. "Es hat viel zu tun mit Jugendkultur", sagt Jörn Thielmann. Anfällig für Männer wie Cuspert seien vor allem Männer in einer erweiterten "Adoleszenzphase", so der Islamwissenschaftler - Männer zwischen dem 13. und dem 25. Lebensjahr also. Er beschreibt die Zuwendung zum Dschihadismus als einen pubertären Versuch, sich vom Herkunftsmilieu, der Famlie oder der Moscheengemeinde abzuwenden. So wie es auch bei anderen Jugendkulturen der Fall ist, nur mit dramatischeren Folgen.

Bei Dschihadisten könne man sich ein sehr klares Weltbild abholen, sagt Thielmann. Es gebe die, die es mit der Religion ernst meinen und Opfer bringen und die Anderen. "Das passt prima in diese Lebensphase. Man kann sich als Teil einer Elite fühlen." Ein Hang zu gewisser Musik und einem gewissen Lebensstil tun ihr übriges. Schon in seinen Gangsterrap-Videos verherrlichte Cuspert den Hass und die Gewalt gegen Andersdenkende, die er jetzt in Syrien auslebt. Hilfreich bei der Rekrutierung ist stets auch, Alltagsprobleme Jugendlicher aufzugreifen und als Rahmen für politische Botschaften zu missbrauchen.

Ein Wiedereinreiseverbot für Deutsche?

Auch Verfassungsschutzchef Maaßen verweist auf die spezielle Ansprache von Männern wie Cuspert, auch wenn er nicht ausdrücklich von einem jugendkulturellen Phänomen spricht. Als Beispiel nennt er die besondere Wirkung blutrünstiger Bilder auf einige junge Menschen. Bilder wie sie zu Hauf auf Videoplattformen kursieren. "Das kommt bei einigen Jugendlichen an", so Maaßen. Hinzu kämen die authentischen Berichte von Mudschaheddin in Sozialen Netzwerken. Inwiefern Isis abgesehen von Internetaktivitäten auf deutschen Boden aktiv wirbt, ist dagegen noch ein Rätsel. "Strukturen der Isis in Deutschland sind nicht bekannt", heißt es im Verfassungsschutzbericht. Maaßen verweist bei der Vorstellung lediglich auf Salafisten, die bei Koranverteilungsaktionen und auf Benefizveranstaltungen versuchen, Muslime "anzufixen".

Ratlosigkeit herrscht unter Sicherheitspolitikern, wenn es darum geht, wie sie der steigenden Zahl der Dschihadisten aus Deutschland begegnen sollen. "Aus Syrien sind rund 100 Personen zurückgekommen", sagt Verfassungsschutzchef Maaßen. "Von vielen wissen wir nicht, was sie in Syrien getan haben. In der Regel ist das nicht aufklärbar." Somit ist auch die Gefahr, die von ihnen ausgeht, kaum verlässlich zu bewerten. Es bleiben nur die bisher bewährten Methoden des Verfassungsschutzes und der Geheimdienste, um Anschläge zu verhindern. Innenminister Thomas de Maizière will darüber hinaus "alle rechtlichen Möglichkeiten" prüfen, ob sich die Wiedereinreise von Deutschen nach dem Kampf in Syrien oder dem Irak verhindern lässt. Der CDU-Politiker verweist allerdings auf das Grundgesetz und die Schwierigkeiten, einen Deutschen vom Boden der Bundesrepublik zu verbannen.

Einen anderen Kurs schlägt der Islamexperte Werner Schiffauer vor. Der setzt vor allem darauf, dass junge Männer gar nicht erst auf die Idee kommen, sich den "Gotteskriegern" anzuschließen. Schiffauer pocht darauf, auch radikale, aber nicht gewaltbereite islamistische Gruppen einzubinden, um auf diesem Wege an die jungen Männer heranzukommen. Er räumt allerdings ein, dass vielen potenziellen "Gotteskriegern", die sich von ihrem alten Milieu lösen und radikalisieren wollen, selbst gemäßigtere, aber noch als verfassungsfeindlich geltende Gruppen als zu angepasst erscheinen.

Quelle: ntv.de

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