Umstrittenes Bauvorhaben Wie sehen die Pläne für die Erweiterung des Kanzleramts aus?
16.03.2023, 14:57 Uhr
Das Kanzleramt in seiner ganzen Pracht.
(Foto: picture alliance / Fotostand)
Bereits seit einiger Zeit steht der geplante Ausbau des Kanzleramts in der Kritik. Das liegt vor allem an den ständig steigenden Kosten. Erst kürzlich bezeichnete Bundesfinanzminister Christian Lindner den Ausbau in der ARD-Sendung "Maischberger" als entbehrlich. Was es genau mit dem Ausbau auf sich hat, beantwortet ntv.de in einem Überblick.
Was ist geplant?
400 neue Büros, eine Kita, eine zusätzliche 250 Quadratmeter große Kanzlerwohnung, neun Wintergärten, eine Kantine – verpackt in einen Neubau, der die Gebäudereihe ergänzt, die sich als Ost-West-Klammer über beide Seiten der Spree erstreckt. Die Erweiterung der Regierungszentrale dürfte dadurch recht monumental ausfallen. Zusätzlich soll es noch eine Landeplattform für Hubschrauber geben. Darüber hinaus ist noch ein Post- und Logistikgebäude geplant, um den Post- und Warenverkehr vor Ort zu zentralisieren. Auch dieser Bau dürfte sich als aufwendig herausstellen, immerhin bedarf es umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen, etwa Schleusen und Röntgenanlagen. Die Bruttogeschossfläche liegt bei 60.010 Quadratmetern.
Warum ist das nötig?
Doppelt belegte Büros, Mitarbeiter in Ausweichquartieren, umfunktionierte Gesprächsräume: Im Kanzleramt herrscht Platzmangel. Überspitzt ausgedrückt sollen sich die Mitarbeiter nicht mehr gegenseitig auf dem Schoß sitzen. So hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Regierungszentrale nahezu verdoppelt – von 410 auf rund 750. Weiterhin geht es darum, die Prozesse im Kanzleramt zu optimieren. Weshalb es auch Wintergärten braucht, hat das Kanzleramt in einem umfangreichen, mit Beamtensprech durchsetzten Text erläutert. Übersetzt könnte es so zusammengefasst werden: Es war eine Idee der Architekten.
Wie teuer wird der Anbau?
Die Kosten schwankten, schlugen jedoch ausschließlich nach oben aus. 2018 war das Projekt auf 460 Millionen Euro beziffert, allerdings fand sich damals vor der Zahl ein kleinlautes "mindestens". Mittlerweile liegt die Summe bei 777 Millionen Euro. Die Gesamtkosten hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen bereits anerkannt. Wichtig: In der derzeitigen Summe sind auch 140 Millionen Euro für mögliche Risiken veranschlagt. Der Haushaltsausschuss hat die Summe noch nicht genehmigt, ebenso wenig wie das Bundesfinanzministerium.
Wann geht es los?
Solange es keine Zustimmung vom Finanzministerium gibt, wird der Baustart wohl noch auf sich warten lassen. Ursprünglich war er für das Frühjahr 2023 angesetzt, bekannt gegeben hat die Bundesregierung den Umbau bereits 2018. Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte erst kürzlich das Bauvorhaben in der ARD-Sendung "Maischberger". Er ist der Meinung, dass in Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten ein mindestens 800 Millionen Euro schwerer Neubau entbehrlich ist. Seine Bedenken äußerte Lindner gegenüber Scholz laut eigenen Angaben nicht: "Ich glaube, der wird missvergnügt sein, dass ich das jetzt hier vorgeschlagen habe. Aber das ist mein Job."
Gab es noch mehr Kritik?
Nicht zu wenig. Der Bund der Steuerzahler kritisierte, dass die Kosten für den Neubau ein falsches Signal an die Bevölkerung senden. "Weniger als 20 Jahre nach Eröffnung des Bundeskanzleramts in Berlin wird schon ein üppiger Erweiterungsbau geplant", sagte Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel zur "Augsburger Allgemeinen".
Der Bundesrechnungshof mahnte zu Abstrichen. Für Bauten des Bundes gelte der Grundsatz, dass "eine wirtschaftliche Lösung zur Deckung eines nachgewiesenen Bedarfs" vorgelegt werden muss. Beim Erweiterungsbau für das Kanzleramt unterstellte der Bundesrechnungshof, dass davon keine Rede sein könne.
Auch aus dem Bundestag gibt es viel Missbilligung: Sandra Weeser, Vorsitzende des Bauausschusses, forderte im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ), dass Scholz das Vorhaben auf Eis legt. Jan Marco Luczak, baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion, bezeichnet, ebenfalls in der "SZ", die "prachtvolle Erweiterung" als völlig falsches politisches Signal. Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch bemängelte im Bundestag, die geplante Erweiterung werde der ursprünglichen Intention des Kanzleramtsgebäudes, Bescheidenheit zu demonstrieren, nicht mehr gerecht.
Was sagt die Bundesregierung dazu?
Kritik wird zur Kenntnis genommen, aber das Vorhaben bleibt. "Umplanungen kurz vor Baubeginn würden zu deutlichen Mehrkosten führen und den geplanten Fertigstellungstermin verschieben", sagt eine Regierungssprecherin. Auf Lindners Kritik gibt es noch keine Antwort.
Quelle: ntv.de, mit AFP