Politik

Umbenennung von Wolgograd Winkt Putin das Stalingrad-Comeback durch?

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Am 2. Februar dieses Jahres wurde in Wolgograd eine neue Stalin-Büste eingeweiht.

Am 2. Februar dieses Jahres wurde in Wolgograd eine neue Stalin-Büste eingeweiht.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Sowjetdiktator Josef Stalin macht die Stadt Zarizyn 1925 zu Stalingrad. 1961 bekommt der Ort den Namen Wolgograd, doch der aktuelle Gouverneur der Region plant die Rolle rückwärts. Ohne Wladimir Putin geht es aber nicht. Wie realistisch ist ein Stalingrad-Comeback?

Als Wladimir Putin Anfang des Jahres die Millionenstadt Wolgograd besucht, reist der Kremlchef in die Vergangenheit. Putin wird von Straßenschildern begrüßt, auf denen Stalingrad steht. So hieß die Stadt zu Ehren von Josef Stalin von 1925 bis 1961. Der Sowjetdiktator hatte Zarizyn, so der ursprüngliche Name der Stadt, vor fast 100 Jahren umbenennen lassen. Acht Jahre nach Stalins Tod erfolgte die Umbenennung in Wolgograd, nachdem Stalin-Nachfolger Nikita Chruschtschow die Entstalinisierung der Sowjetunion eingeleitet hatte.

Zum 80. Jahrestag des Sieges der Roten Armee über Nazi-Deutschland in der Schlacht von Stalingrad kehrte der alte Stadtname im Februar aber für einen Tag auf die Straßenschilder zurück. Und möglicherweise kommt der Name schon bald wieder dauerhaft auf die Landkarte.

Nach der erneuten Wiederwahl von Präsident Wladimir Putin im nächsten März könnte es schnell gehen. Das hat zumindest Andrej Botscharow, Gouverneur von Wolgograd, vor. Eine ihm nahestehende Person beschreibt den obersten Politiker der Oblast im Südwesten Russlands im Interview mit dem russischen Exilmedium Meduza als "aufrichtigen und nicht opportunistischen Kämpfer" für die Rückbenennung zu Stalingrad. "Er ist ein echter Mann, kein Sesseloffizier, wenn auch aus der Vergangenheit", zitiert das Portal eine weitere nicht näher genannte Quelle.

Zwei Drittel der Bewohner gegen Umbenennung

Botscharow ist 2014 Gouverneur von Wolgograd geworden. Seitdem träumt er davon, die Stadt wieder nach dem brutalen Diktator aus dem vergangenen Jahrhundert umzubenennen. Es ist das Ergebnis einer "persönlichen Verbundenheit mit dem russischen Militär und seiner Liebe zum sowjetischen Erbe", analysiert Meduza.

Wladimir Putin hat die temporäre Umbenennung offensichtlich geduldet, obwohl er kein großer Stalin-Fan ist. "Das wird benutzt, um zu zeigen: Wir kämpfen gegen die Nazis, wie damals unsere Vorfahren", hat ntv-Russland-Reporter Rainer Munz am Tag der Umbenennung im Februar berichtet.

Wahrscheinlich wäre Wolgograd längst dauerhaft umbenannt, wenn Wladimir Putin dafür wäre. Doch Berichten zufolge gibt es im Kreml Vorbehalte gegen Botscharow und seinen Plan - zumindest noch. Die Präsidialverwaltung ist demnach aus mehreren Gründen dagegen. Sie will zum einen der Kommunistischen Partei keinen Gefallen tun. Für diese wäre eine Umbenennung schließlich ein politisches Geschenk - aus Verbundenheit zu Stalin.

Zum anderen sind auch die meisten Bewohner der Stadt gegen die Rückbenennung. Das hat eine Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts ergeben. 67 Prozent der Menschen in Wolgograd sprachen sich gegen die Umbenennung aus.

Gouverneur hat guten Draht zu Putin

Doch das Meinungsbild ist Botscharow anscheinend egal: Er hat im Regionalparlament ein Gesetz auf den Weg gebracht, was ein Referendum über die Umbenennung erleichtert. Nach den neuen Regeln sollen dann nicht nur die Einwohner der Stadt, sondern die Einwohner der gesamten Oblast Wolgograd an der Abstimmung teilnehmen. Das Botscharow-Lager glaubt offenbar, dass die Menschen dort eher für eine Umbenennung stimmen werden. Außerdem sei möglicher Wahlbetrug auf dem Land einfacher als in der Stadt, schreibt Meduza.

Trotz der Skepsis im Kreml könnte Wolgograds Gouverneur seinen Plan auf diesem Weg doch noch umsetzen. Zumal er selbst einen guten Draht zu Putin hat. Eine Kreml-nahe Quelle sieht die Möglichkeit, Putin eines Tages doch noch von der Idee überzeugen zu können.

Vorschnell werde Putin aber nicht seine Zustimmung zur Stalingrad-Umbenennung geben, zitiert Meduza eine Quelle aus dem Umfeld von Gouverneur Botscharow. Der Präsident will demnach nicht riskieren, dass die Bewohner der Stadt Wolgograd gegen die Bevölkerung der Region ausgespielt werden. Sie sollen ihn wieder wählen, bei den Präsidentschaftswahlen im März. Eine Umbenennung steht also frühestens danach auf der Tagesordnung. Dann hat Putin für weitere sechs Jahre Ruhe.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige. Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv-App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen