Ein "Präsident der Reichen"? Zehntausende demonstrieren gegen Macron
09.10.2018, 21:07 Uhr
Allein in Paris gingen mehr als 20.000 Menschen gegen Macron demonstrieren.
(Foto: imago/IP3press)
Mit seiner Reformpolitik eckt Frankreichs Präsident Macron bei vielen seiner Landsleute an. Zehntausende, möglicherweise sogar hunderttausende, Franzosen demonstrieren nun gegen seine Pläne.
In Frankreich sind tausende Menschen gegen die Reformpolitik von Präsident Emmanuel Macron auf die Straße gegangen. Allein in Paris sollen es rund 21.500 Demonstranten gewesen sein, wie aus einer unabhängigen Zählung im Auftrag französischer Medien hervorgeht. Die Polizei sprach dagegen von 11.500 Teilnehmern in Paris, die Organisatoren von 50.000. Zu der Kundgebung hatten Gewerkschaften aufgerufen. Neben deren Mitgliedern beteiligten sich auch Rentner, Schüler und Studenten sowie Beamte.
Landesweit waren rund hundert Kundgebungen geplant. Die Gewerkschaften bezifferten die Gesamtzahl der Teilnehmer am Abend auf 300.000. Diese Zahl ließ sich unabhängig bislang nicht bestätigen. Der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, zeigte sich zufrieden und sprach von einer "erfolgreichen Mobilisierung".
Auf Spruchbändern forderten die Teilnehmer unter anderem einen freien Zugang zu Hochschulen und Ausbildungsplätzen, höhere Renten und gleichen Lohn für Frauen und Männer. "Wir beschweren uns nicht, wir begehren auf", war auf einem Plakat zu lesen. Macron hatte kürzlich gesagt, wenn sich nicht so viele Franzosen beschweren würden, wäre das Land besser dran. Mitte September hatte er Empörung ausgelöst, als er einem Arbeitslosen gesagt hatte, er müsse nur über die Straße gehen und schon hätte er ihm einen Job besorgt.
Macron - "Präsident der Reichen"?
Auch in Lyon, Montpellier und anderen französischen Städten demonstrierten tausende Menschen. In Nantes gingen nach Polizeiangaben 5400 Menschen auf die Straße, in Lyon 4300, in Toulouse 3700 und in Rennes 3000. Die letzten größeren Protestaktionen mit zehntausenden Teilnehmern hatte es im Frühjahr im Zusammenhang mit der Reform der französischen Bahn gegeben, die inzwischen beschlossene Sache ist.
Macron haftet hartnäckig das Etikett an, "Präsident der Reichen" zu sein. Das liegt auch an Äußerungen über seine Landsleute. Kürzlich nannte er die Franzosen "widerspenstige Gallier", die sich seinen Reformen widersetzten. Zuvor hatte er Kritiker als "Faulenzer" bezeichnet und Arbeitslosen vorgeworfen, mit ihren Protesten gegen seine Politik nur "Chaos anzurichten". Die Umfragewerte des Staatschefs verschlechtern sich immer weiter - und das acht Monate vor der Europawahl, die als erster großer Stimmungstest für Macron gilt.
Der Präsident hat seit seinem Amtsantritt im Mai 2017 zahlreiche Reformen auf den Weg gebracht, mit denen er die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft steigern will. Laut Vergleichszahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat waren im Jahr 2016 in Frankreich 13,6 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet - das heißt, dass sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügten. Für Deutschland lag diese Quote im selben Jahr bei 16,5 Prozent.
Quelle: ntv.de, vpe/AFP/dpa