Wut über Krisenmanagement Zehntausende fordern Rücktritt von Valencias Regierungschef
10.11.2024, 02:48 Uhr Artikel anhören
Die Stimmung in Valencia war aufgeheizt, Reporter berichten von Zusammenstößen von Demonstranten und der Polizei.
(Foto: REUTERS)
Mindestens 220 Menschen sind bei der Flutkatastrophe in Spanien getötet worden. Viele könnten noch am Leben sein, wenn sie rechtzeitig gewarnt worden wären. Bei Protesten in Valencia und anderen Städten fordern die Teilnehmer Konsequenzen.
Nach den verheerenden Überschwemmungen im Osten Spaniens haben in der Küstenmetropole Valencia deutlich mehr als 100.000 Menschen gegen das Krisenmanagement der Behörden demonstriert. Die Regionalbehörden sprachen von 130.000 Teilnehmern. Viele der aufgebrachten Bürger forderten den Rücktritt von Regionalpräsident Carlos Mazón. In anderen spanischen Städten wie Madrid und Alicante beteiligten sich tausende weitere Menschen an Protesten.
Die Demonstrierenden in Valencia zogen vom Rathaus der Stadt zum Sitz der Nationalregierung. Mit dem Ruf "Mörder" machten sie ihrer Wut über die Behörden Luft. Die Kundgebung fand in einer gespannten Atmosphäre statt. Es kam zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei.
Die Empörung der Menschen über das Krisenmanagement in den rund 80 Städten und Gemeinden der Region richtet sich insbesondere gegen den Regierungschef der Region Valencia, Carlos Mazón von der konservativen Volkspartei PP. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, viel zu spät auf die Warnung der spanischen Wetterbehörde Aemet reagiert zu haben. Außerdem soll Mazón noch nach dem Einsetzen des heftigen Regens stundenlang abwesend gewesen sein. Der 50-Jährige hatte sich spanischen Medien zufolge damit verteidigt, dass er in einem Restaurant in Valencia ein "Arbeitsessen" mit einem Journalisten gehabt habe.
Einige Menschen in den betroffenen Gebieten berichteten, dass die Warnnachrichten erst auf ihren Handys eingegangen seien, als das Hochwasser bereits zahlreiche Autos mit sich gerissen hatte. Die Notfallbeauftragte der Region, Salomé Pradas, hatte kürzlich zugegeben, dass sie das Alarmsystem nicht gekannt habe - zog ihre Äußerung aber später zurück.
Hilfe kam spät
Aber auch Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez wurde von den Protestteilnehmern kritisiert. Mazón und Sánchez beschuldigen sich gegenseitig, die Überschwemmungen infolge massiver Regenfälle Ende Oktober unterschätzt und die Rettungs- und Hilfseinsätze schlecht koordiniert zu haben. PP-Sprecher Miguel Tellado warf Sánchez vor, die Unterstützung für die Region Valencia aus politischem Kalkül absichtlich verschleppt zu haben.
Auf vielen selbst gebastelten Plakaten standen Rücktrittsforderungen an den Regionalpräsidenten Mazón zu lesen. In der spanischen Hauptstadt Madrid, die nicht zur Region Valencia gehört, forderten Hunderte Demonstrierende ebenfalls Mazóns Amtsverzicht. Mazóns Regionalregierung wird vorgeworfen, von der Zentralregierung in Madrid nicht die Unterstützung erbeten zu haben, die nach der Katastrophe nötig gewesen sei. Der Zentralregierung in Madrid warfen die Demonstrierenden in Valencia vor, dass bis zum Eintreffen ihrer Hilfe in den Hochwassergebieten zu viel Zeit vergangen sei. So hätten vielerorts die Menschen selbst die Sache in die Hand genommen.
Zahlreiche Menschen aus nicht oder weniger stark betroffenen Orten haben sich auf eigene Faust auf den Weg in die Katastrophengebiete gemacht, um Lebensmittel zu bringen und bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Daran erinnerten die Demonstranten, indem sie die derzeit immer wieder zu hörende Zeile "Nur das Volk rettet das Volk" sangen.
Der Osten und Süden Spaniens waren Ende Oktober von heftigen Regenfällen heimgesucht worden, mancherorts gab es binnen 24 Stunden so viel Niederschlag wie sonst in einem ganzen Jahr. Zahlreiche Straßen verwandelten sich so in reißende Flüsse und spülten Autos mitsamt ihren Insassen fort. Nach vorläufigen Angaben starben mindestens 220 Menschen, davon 212 in der Region Valencia. Die Suche nach Dutzenden Vermissten sowie die Aufräumarbeiten in den mit Schlamm überzogenen Orten dauern an.
Am Sonntag vergangener Woche hatten bereits der spanische König Felipe VI. und seine Frau Letizia die Wut der Menschen zu spüren bekommen. Bei einem Besuch im Katastrophengebiet wurde das Königspaar von aufgebrachten Bürgern angebrüllt und mit Schlamm beworfen, der Besuch wurde schließlich vorzeitig abgebrochen.
Quelle: ntv.de, ino/AFP