Der Fall Bystron Das Land, das AfD-Politiker lieben, ist Russland


Als Alice Weidel 2021 nach Moskau reiste, war Petr Bystron auch dabei.
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Die AfD geht auf Distanz zu ihrer Nummer zwei auf der Europa-Wahlliste. Das Vorgehen ist rein taktischer Natur. Die Partei hat sich längst der russischen Propaganda unterworfen.
Noch ist die Affäre nicht restlos aufgeklärt, da fordert die AfD-Spitze Berichten zufolge ihren Bundestagsabgeordneten Petr Bystron auf, aus dem Europawahlkampf auszusteigen. Von der Wahlliste kann er nicht mehr gestrichen werden, aber sein Mandat soll er nicht annehmen. Es sieht so aus, als ließe die AfD ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. Aber der Vorgang folgt einem Muster.
Bystron ist nicht irgendein Hinterbänkler, er steht auf Platz zwei der Europaliste der AfD. Sein Fall erinnert an den AfD-Politiker Roland Hartwig, der zunächst Bundestagsabgeordneter war, dann über mehrere Jahre persönlicher Referent von AfD-Chefin Alice Weidel. Auch Hartwig war nicht irgendwer: Von 2018 bis 2020 leitete er eine Arbeitsgruppe der Partei, die sich damit beschäftigte, wie die AfD auf eine mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz reagieren sollte - für die Partei ein wichtiges strategisches Projekt.
Hartwig war allerdings auch beim berüchtigten Remigrationstreffen von Rechtsextremisten in Potsdam im November 2023 dabei, das im Januar bekannt wurde und eine Welle des Protests gegen die AfD auslöste. Der Plattform Correctiv zufolge sagte Hartwig dort mit Blick auf eine Agentur für rechte Influencer, der AfD-Bundesvorstand sei "bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Themen zu betreiben, die nicht unmittelbar nur der Partei zugutekommen". Wenige Tage nach Veröffentlichung des Berichts beenden Weidel und Hartwig ihre Zusammenarbeit "in gegenseitigem Einvernehmen" und ohne eine Begründung zu liefern.
Das Muster ist eindeutig
Dann gab es da noch den Fall des fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich. Noch bevor Helferich 2021 über die nordrhein-westfälische Landesliste der AfD in den Bundestag einzog, wurde bekannt, dass er sich in einem Chat als "das freundliche Gesicht des NS" bezeichnet hatte. Es gab weitere Hinweise für eine ausgesprochen rechtsradikale Ausrichtung. Helferich verzichtete am Ende auf eine Mitgliedschaft in der Fraktion. AfD-Mitglied ist er weiterhin, auch dem Landesvorstand in NRW gehört er an.
Das Muster ist eindeutig. Wenn ein Vorfall von der AfD als gefährlich eingestuft wird, werden Konsequenzen gezogen, um den demokratischen Schein zu wahren. Mit einer Ausnahme: Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke hat zwar eine klar erkennbare Nähe zum Nationalsozialismus, ist aber viel zu mächtig, um in die zweite Reihe geschoben zu werden. Das wäre auch unglaubwürdig: Höcke und die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla vertreten längst dieselbe Linie.
AfD-Politiker lieben Russland
Denn es gibt ein weiteres Muster in der AfD: Das Land, das AfD-Politiker lieben, ist Russland. Vor dem russischen Überfall war Moskau ein beliebtes Ziel der AfD-Spitze, auch seither ist die Reiselust ungebrochen. Gleich drei Abgeordnete der AfD aus dem bayerischen Landtag flogen nach Russland, um dem dortigen Diktator Putin zu bescheinigen, eine demokratische Wahl abgehalten zu haben. Chrupalla und der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland spazierten im Mai 2023 in die russische Botschaft, um dort mit dem russischen Botschafter den Tag des Sieges über Nazideutschland zu feiern. In ihrem Europawahlprogramm fordert die AfD die "Wiederherstellung des ungestörten Handels mit Russland", die "Instandsetzung der Nord-Stream-Leitungen" und einen Ausbau der Beziehungen Deutschlands zur Eurasischen Wirtschaftsunion, einem Bündnis ehemaliger Sowjetrepubliken. Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah huldigt Russland als Gegenentwurf zum Westen. Im Oktober 2022, also nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, sagte Höcke, Russland sei für Deutschland "der natürliche Partner". In einer Anfrage im Bundestag suggerierte die AfD-Fraktion Ende 2020, der russische Oppositionelle Alexej Nawalny sei gar nicht von Russland mit Nowitschok vergiftet worden.
Seit einigen Tagen steht der Vorwurf im Raum, dass Bystron sich für Auftritte beim russischen Propagandaportal "Voice of Europe" hat bezahlen lassen. Das ist der Grund, warum die AfD auf Distanz geht. Bystron müsse die Vorwürfe jetzt erst einmal klären, sagte Spitzenkandidat Krah der "Bild"-Zeitung. Bis dahin "wäre es unklug von mir, mit ihm aufzutreten". Die Distanzierung, die Krah hier vornimmt, ist rein taktischer Natur. Inhaltliche Probleme mit einer Unterwerfung unter die russische Propaganda hat weder er noch die AfD insgesamt. Die haben sie längst vollzogen.
Quelle: ntv.de