
Trump erlebte zwar keine Erfolgsnacht - das Wahlergebnis ist dennoch keine gute Nachricht.
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Das Aufatmen in Deutschland und Europa ist nach der Kongresswahl in den USA groß. Die Republikaner schneiden deutlich schwächer ab als befürchtet. Doch wer sich nun freut, sollte noch einmal überlegen: Das Ergebnis ist trotz allem ernüchternd.
Auch wenn noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind, ist den meisten in Deutschland wohl schon ein großer Stein vom Herzen gefallen. Bei den "Midterm"-Wahlen in den USA sind, so viel ist schon klar, die Demokraten um Präsident Joe Biden definitiv nicht überrollt worden von den Trumpisten. Dessen Republikaner haben bei weitem nicht so gut abgeschnitten, wie es ihnen viele Umfragen verheißen hatten.
Jetzt ist die Erleichterung also groß, gerade auch in Deutschland und Europa: Alles noch mal gut gegangen. In Amerika haben die Guten wenigstens nicht schwer verloren.
Aber das ist weltvergessene Augenwischerei, und es zeigt, wie weit heruntergekommen die hiesigen Erwartungen an Amerika inzwischen sind. Denn lesen muss man das (bisherige) Ergebnis doch so: Die Republikaner, die Donald Trump bislang fest genug im Griff hatte, sind noch nie mit derart krassen, bizarren Kandidaten angetreten. Und trotzdem haben sie ihre Wahlen knapp gewonnen oder nur knapp verloren, ein paar Zehntausend Stimmen machten jeweils den Unterschied. Man könnte auch sagen: der Zufall.
Da ist Erleichterung denkbar fehl am Platze.
In fast allen US-Bundesstaaten hat entweder etwas weniger oder etwas mehr als die Hälfte der Wähler für die republikanischen Kandidaten gestimmt. Dutzende darunter sind felsenfest davon überzeugt, dass Trump die letzte Präsidentschaftswahl gewonnen hat, betrogen wurde und darum der Sturm seiner Getreuen auf das Kapitol in Washington irgendwie verständlich war. Dutzende der Kandidaten sind überzeugt, dass alle Politiker der Demokraten Verbrecher sind und Präsident Joe Biden hinter Gitter gehört. Und nahezu alle der Kandidaten sind entweder glühende Anhänger einer weiteren Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump oder könnten sich mit dem Gedanken anfreunden.
In vielen Bundesstaaten hatte Trump republikanische Kandidaten seiner Wahl durchgesetzt. Ob sie gewinnen oder verlieren, der Ex-Präsident wird sich seine Wahrheit wie üblich so zurechtbiegen, wie es ihm passt. Gut möglich, dass er in wenigen Tagen seine Kandidatur für 2024 erklärt. Dann, bei der nächsten großen Wahl, geht es um die US-Präsidentschaft, das immer noch mächtigste Amt der Welt. Und eine Hälfte Amerikas kommt nicht los von Trump oder folgt ihm wie blind. Vor Trumps Rückkehr muss man schlichtweg Angst haben, denn es wird wieder an hauchdünnen Ergebnissen hängen - am Zufall.
Und man kann nur hoffen, dass sich die deutsche Regierung dieses Mal auf einen möglichen Präsidenten Trump vorbereitet. Angela Merkel sagte einige Zeit nach der Wahl von Trump, nun könne man sich nicht mehr hundertprozentig auf die amerikanischen Garantien verlassen. Da hatte sie recht, nur praktisch gefolgt ist daraus fast nichts. Jetzt bleiben zwei Jahre. Diese Wahl in den USA ist alles andere als eine Entwarnung.
Quelle: ntv.de