
Trump wirkte bei seiner jüngsten Wahlkampfrede nach der Vernehmung in New York müde. Ein Programm für die Zukunft entwarf er nicht.
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Niemand hat so viele Attacken und Skandale überstanden wie Ex-US-Präsident Trump. Doch mittlerweile hat er Schlagseite. Zwar hat er gute Chancen, wieder Kandidat der Republikaner zu werden. Doch bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl könnte er sein Waterloo erleben.
Schon klar, Trump für politisch tot zu erklären, das ist ein Wagnis. Dieser Mann lässt jede Teflonpfanne klebrig wirken - an ihm ist noch jeder Fehltritt, jeder Skandal, jedes Fehlverhalten abgeperlt. Das war in seinem ersten Wahlkampf so, im zweiten auch und selbst der nahezu unverhohlene Aufruf an seine Anhänger, das Kapitol zu stürmen, führte nicht zur Amtsenthebung. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass Trump seinen Zenit überschritten hat.
Da ist zunächst einmal das offensichtlichste Indiz: die drei vergangenen großen Wahlen. Unter Trump unterlagen die Republikaner die Kongresswahl 2018, er selbst verlor 2020 die Präsidentschaftswahl und bei der erneuten Kongresswahl 2022 schnitten die Republikaner erneut miserabel ab. Dabei sprach vieles für einen Erdrutschsieg: Der aktuelle Präsident Joe Biden ist fast ebenso unbeliebt wie Trump es war. Hinzu kamen die hohe Inflation und Probleme mit illegaler Einwanderung.
Dennoch gelang es der Oppositionspartei nur mit Hängen und Würgen, das Repräsentantenhaus zu erobern. Die Mehrheit im Senat blieb bei den Demokraten. Das war Trump anzulasten, denn viele von ihm gestützte Kandidaten verloren oder holten schwache Ergebnisse. Der frühere Gouverneur von Maryland, der Republikaner Larry Hogan, sagte dazu, er sei es leid zu verlieren, und sprach damit vielen Parteifreunden aus dem Herzen.
Das nächste Indiz sind die Ermittlungen gegen Trump. Neben dem Fall in New York drohen ihm drei weitere Anklagen. Und auch wenn in denen kein Pornostar vorkommt, werden sie einfacher zu verstehen sein, als das komplizierte Konstrukt um gefälschte Dokumente und eine Schweigegeldzahlung. Während der Auszählung der Stimmen nach der Präsidentschaftswahl 2020 rief Trump den Staatssekretär von Georgia an und trug ihm auf, knapp 12.000 Stimmen "zu finden". Wenn das nicht eine Aufforderung zum Wahlbetrug ist, was dann?
Eine Botschaft hat er nicht mehr
Auch die drohende Anklage zum Kapitol-Sturm am 6. Januar 2021 wiegt schwer. Trump hatte seine Anhänger nach Washington gerufen und sie dann in einer Rede aufgepeitscht. Er hatte ihnen gesagt, sie müssten drohenden Wahlbetrug verhindern und die Demokratie retten. Er versprach ihnen, mit zum Kapitol zu ziehen und sagte: "Wir werden kämpfen wie die Hölle". Das Ergebnis waren fünf tote Polizisten und ein in Trümmern liegender Glaube an die Unzerstörbarkeit der amerikanischen Demokratie. Vieles deutet darauf hin, dass Trump nichts weniger als einen Putsch versuchte.
Hinzu kommt ein weiteres Problem für Trump. Er hat kein Programm mehr, redet nur noch über die Vergangenheit und spricht selbst ausufernd über die Ermittlungen gegen ihn. Das sah 2016 noch ganz anders aus. Damals versprach er zwar unter dem Motto "Make America Great Again" den Wählern das Blaue vom Himmel, traf aber einen Nerv.
Er beschrieb ein Land in der Krise, das von allen ausgenutzt werde: China saugt die Jobs ab, die Europäer zahlen nicht für ihre Verteidigung und aus Mexiko und anderen Ländern strömen Kriminelle ins Land. Den Klimawandel leugnete er und er versprach die Kohle wieder zurückzubringen. Als vermeintlich erfolgreicher Geschäftsmann sollte er den "Sumpf in Washington" trockenlegen und den angeblich korrupten Politikern das Fürchten lehren. Für seine Wähler umgab ihn der Charme des Neuen, sie hofften auf frischen Wind.
Und jetzt? Bemitleidet er sich in Reden hauptsächlich selbst. Klagt darüber, dass er verfolgt werde, dass die Demokraten ja nur durch Lug und Trug die Wahlen gewinnen würden. Dabei strahlt der 76-Jährige auch nicht mehr die Energie aus, die er noch 2016 und in den folgenden Jahren hatte. Er wirkt müde. Für einen erfolgreichen Wahlkampf ist es aber entscheidend, den Menschen ein Angebot für die Zukunft zu machen. Dankbarkeit und der Verweis auf vermeintliche Erfolge in der Vergangenheit sind keine überzeugende Botschaft.
Bei Republikanern top, bei allen anderen Flop
Trump bleibe zwar äußerst beliebt bei den Republikanern, resümierte kürzlich das National Public Radio (NPR) eine Umfrage im eigenen Auftrag, sei aber für alle anderen "toxisch". Seinen Anhängern kann er zwar immer noch weismachen, dass er für sie kämpft und er deswegen verfolgt wird. Aber niemand motiviert die Demokraten so sehr wie er, tatsächlich zur Wahl zu gehen und für den eigenen Kandidaten und damit gegen Trump zu stimmen. Abgeschwächt gilt das auch für die "Unabhängigen", also all jene, die nicht als Demokraten oder Republikaner registriert sind.
Unter den Unabhängigen hatten nur 37 Prozent eine positive Meinung zu Trump. Das wiegt schwer, da die Wahlen häufig knapp sind und jede Stimme gebraucht wird. Zumal die Republikaner in sieben der vergangenen acht Präsidentschaftswahlen nicht die Mehrheit der Stimmen errangen - auch wenn sie aufgrund des US-Wahlsystems dreimal den Präsidenten stellten. Die Ermittlungen gegen Trump werden ihn für viele Unabhängige und Demokraten noch unwählbarer machen.
Es ist zwar gut möglich, dass Trump noch einmal Kandidat der Republikaner wird. Aber in der eigentlichen Wahl sähe es schlecht für ihn aus. 2016 ist lange her. Dabei irritiert es, dass Trumps Beliebtheit nie in sich zusammengebrochen ist, dass für seine Wähler nie der eine große Moment kam, sich von ihm abzuwenden. Nein, Trump geht langsam, er verblasst. Ein wachsender Teil der USA hat bereits die Nase voll von Trump und er tut wenig dafür, die Begeisterung seiner Basis dauerhaft am Leben zu erhalten. Bei diesem Mann ist natürlich nichts ausgeschlossen. Aber er ist auf dem Weg, das zu werden, was er am meisten verachtet: ein Loser.
Quelle: ntv.de