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Damit der Laden weiter läuft Deutschland muss klüger isolieren

Kurz nach den Notruf ist die Feuerwehr am Unfallort. Das könnte bald nicht mehr klappen, wenn zu viele Menschen aus der kritischen Infrastruktur in Corona-Quarantäne müssten.

Kurz nach den Notruf ist die Feuerwehr am Unfallort. Das könnte bald nicht mehr klappen, wenn zu viele Menschen aus der kritischen Infrastruktur in Corona-Quarantäne müssten.

(Foto: imago images/lausitznews.de)

Eine massive Omikron-Welle könnte Feuerwachen, Kliniken, Bahnverkehr lahmlegen, wenn Infizierte und Kontakte pauschal 14 Tage in Quarantäne gehen. Das wäre fatal. Wer Chaos für Deutschland abwenden will, muss klüger und kürzer isolieren.

Ein Unfall mit Schwerverletzten auf einer belebten Kreuzung, und unter 112 heißt es, "wir sind total unterbesetzt, aber ich versuche, schnellstmöglich einen Notarzt zu schicken"? Ein Satz, der in Deutschland schwer vorstellbar ist, ebenso wie Stapel stinkenden Mülls vor den Häusern oder ganze Regionen oder Stadtviertel über Stunden ohne Strom.

Darf man den Modellierern glauben, die sich mit der möglichen Dimension der herannahenden Omikron-Welle beschäftigen, könnte dem Land jedoch genau das drohen: ein Stillstand im Maschinenraum Deutschlands aufgrund eines nicht mehr beherrschbaren Infektionsgeschehens.

Politik muss schnell entscheiden

Sicher, wir haben 2G-Regeln, Kontaktbeschränkungen, Personenlimits für Veranstaltungen und eine breit greifende Maskenpflicht. Doch mit Blick auf andere Länder, in denen Infektionskurven senkrecht nach oben gehen, muss die Politik nun schnell entscheiden, ob weitere Maßnahmen nötig und möglich sind, um einen zeitweisen Kollaps der Infrastruktur abzuwenden.

Geht es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dann steht eine Neufassung der Quarantäneregeln bei der Bund-Länder-Konferenz am Freitag ganz oben auf der Agenda. Und da steht sie zu Recht. Denn während viele Leitlinien des Bundes zum Umgang mit dem Virus seit Frühjahr 2020 zig mal angepasst wurden, stammt die Isolationspflicht, die nun gegen Omikron gelten soll, quasi aus der ersten Stunde der Pandemie: Infizierte und ihre Kontakte bleiben 14 Tage in Quarantäne.

Wer erinnert sich noch an das Frühjahr 2020, als diese Regel eingesetzt wurde? Es war die Zeit, als im Internet Erklärvideos kursierten, wie Einkäufe am besten zu desinfizieren sind. Die Verfasserin dieses Textes machte um entgegenkommende Fußgänger ausladende Bögen, da es noch Monate dauern sollte, bis Aerosolforscher für draußen Entwarnung geben würden. Von Maskengebrauch wurde behördlich abgeraten und eine Impfung - das klang wie die Erlösung, Jahrzehnte entfernt. Vor allem aber war es die Zeit, als man eigentlich niemanden kannte, der Corona hat.

Heute steht Deutschland vor einer Omikron-Wand, gegen die die Wildtyp-Welle von vor zwei Jahren wie eine läppische Aufwärmphase anmutet. Was da kommen könnte, kündigt sich auch darin an, dass inzwischen wohl jeder Infizierte oder Genesene im direkten Umfeld hat. Die Herausforderung ist also erheblich größer, zugleich hat Deutschland aber viel treffsichere und schlagkräftigere Mittel in der Hand. Wie fatal wäre es, diese Mittel nicht so stark wie nur eben möglich zu nutzen?

Wir müssen also weiter unsere pfiffigen Maßnahmen anwenden - Kontakte einschränken, Teilnehmerzahlen begrenzen, 2G-Regeln befolgen, Masken tragen und impfen, impfen, impfen. Wir sollten aber auch die Mittel nutzen, die das Pandemie-Dasein leichter machen, und das ist allen voran das "Polimerase Chain Reaction"-Verfahren oder kurz und geläufig: "PCR".

Der PCR-Test liefert einen ziemlich sicheren Laborbefund darüber, ob ein Mensch ansteckend ist oder nicht. Die Quarantäneregeln, die das Robert-Koch-Institut gegen Omikron empfiehlt, sind jedoch so grob gefasst, als gäbe es weder diesen sehr verlässlichen Test noch habe sich irgendjemand in diesem Land bereits einer Impfung unterzogen.

14 Tage für Infizierte und direkte Kontaktpersonen. Das heißt, eine Infizierte mit Familie, die zwei Tage vor ihrem Positiv-Test noch bei der Arbeit war und sich mit Bekannten getroffen hat, kann ohne Weiteres zehn Leute für 14 Tage aus dem Verkehr ziehen. Und wie viele Infizierte wird es in Kürze in Deutschland geben? Die Grafiken aus anderen Ländern illustrieren das sehr eindrücklich.

Es gibt keinen Anlass zur Nachlässigkeit. Wer wie die US-Gesundheitsbehörde CDC die Quarantänedauer einfach blind auf fünf Tage heruntersetzt, schließt eine riskante Wette ab, mit immens hohem Einsatz. Der angesehene Physiker Eric Topol zeigt auf Twitter die Datengrundlage, auf der die Entscheidung der Amerikaner erfolgte: ein leeres Blatt. Demnach gibt es schlicht keine validen Daten, man wettet darauf, dass Infizierte nur fünf Tage ansteckend sind.

Darum wäre es unnötig riskant und ebenso grob, die pauschal hohe Quarantänezeit in Deutschland ebenso pauschal zu verkürzen. Die Politik sollte sich stattdessen darüber klar werden, was das Ziel der Isolation ist: Ansteckung zu vermeiden.

Sieben Tage können entscheidend sein

Wer also geschützt durch drei Impfungen eine quasi symptomfreie Infektion erlebt, sollte die Möglichkeit bekommen, mittels PCR-Test nach einer Woche festzustellen, ob er oder sie noch ansteckend ist. Schlägt der Test nicht mehr an, dann ist auch die Isolation nicht mehr nötig. Dasselbe sollte für direkte Kontaktpersonen gelten.

Kommen die Labore an ihre Kapazitätsgrenzen, dann sollte diese Möglichkeit auf diejenigen begrenzt werden, die in kritischer Infrastruktur tätig sind. Krankenpfleger, Polizistinnen, Feuerwehrleute könnten dann - dank PCR-Test - nach einer Woche wieder am Start sein. Wenn die Infrastruktur am Limit fährt, können sieben Tage entscheidend werden, um den Laden am Laufen zu halten.

Ob die Omikron-Wand Deutschland erdrückt oder ob wir es schaffen, sie durchlässig zu machen, wird entscheidend davon abhängen, wie klug wir mit dem Infektionsrisiko umgehen. Laborkapazitäten müssen bis zum Anschlag ausgereizt werden, Testcenter müssen sich auf hohen Andrang vorbereiten. Wäre es sicherer, die Abstriche draußen durchzuführen, um zu vermeiden, dass Wartende sich erst gegenseitig und dann das Personal im Testcenter anstecken? All diese Dinge müssen Politik und Behörden jetzt bedenken und klug vorbereiten. Mit Virus-Wänden haben wir zwar noch keine Erfahrung, aber hilflos sind wir nicht.

Quelle: ntv.de

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