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Cum-Ex-Skandal Dieser Kanzler ist nicht mehr glaubwürdig

Bundeskanzler Scholz am 11. August bei seiner Sommerpressekonferenz.

Bundeskanzler Scholz am 11. August bei seiner Sommerpressekonferenz.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der kleinste Anschein von Kungelei zwischen einer Bank und Politikern schadet der Demokratie. Olaf Scholz nimmt das in Kauf, ist von Fragen nach Cum-Ex genervt und verschaukelt clever die Öffentlichkeit.

Olaf Scholz ist ein Glückspilz. An diesem Freitag soll er abermals als Zeuge vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal aussagen, und ausgerechnet in dieser Woche hatte die Staatsanwaltschaft der Hansestadt frohe Kunde für ihn: Sie wies die Beschwerde eines Anwalts zurück, nicht gegen den Kanzler zu ermitteln. Ein strafprozessualer Anfangsverdacht sei nicht erkennbar. Prompt ging die Meldung durchs Land: "Kein Verdacht gegen Scholz im Fall Warburg."

Kein Verdacht? Im strafrechtlichen Sinne mag das stimmen, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt. Aber ein Persilschein für Scholz ist die Entscheidung auch nicht. Erstens kam der Befund von der Hamburger Staatsanwaltschaft, die es jahrelang nicht für nötig hielt, wegen der dubiosen Cum-Ex-Geschäfte zu ermitteln, mit denen die Warburg-Bank und Konkurrenten in der Elbmetropole Millionenreibach machten. Das Verfahren liegt bei der Anklagebehörde in Köln, die die Affäre akribisch aufarbeitet.

Und zweitens ist das Strafrecht nicht das einzige Kriterium zur Beurteilung politischen Handelns. Auch andere Dinge spielen eine Rolle, etwa Redlichkeit und Vertrauen. Da sieht es nicht gut aus für Scholz. Auf ihm lastet tonnenschwer der Verdacht, sein Wissen über die Affäre zu verbergen. Seine Taktik funktioniert nicht länger, so zu tun, als stünde er an vorderster Front der Aufklärungswilligen - und zugleich Nebelkerzen zu zünden.

Cleverness, mehr nicht

Auf seiner Sommerpressekonferenz erklärte Scholz, der zum Höhepunkt des Cum-Ex-Skandals Hamburgs Regierender Bürgermeister war, mit Blick auf seine anstehende Zeugenaussage: "Ich habe zu diesen Dingen ja sehr umfangreich und viele Stunden lang Stellung genommen und werde das wieder tun. Ich habe die Auskünfte gegeben, die möglich sind." Zugleich wies er "freundlich" darauf hin, dass sämtliche Untersuchungen seit zweieinhalb Jahren "immer das Ergebnis" erbracht hätten, dass es keinen politischen Druck auf die Entscheidung der Hamburger Finanzbehörde gegeben habe, 2016 zugunsten der Warburg-Bank auf 47 Millionen Euro Steuern zu verzichten und ein Jahr später weitere 43 Millionen Euro nur deshalb einzufordern, weil das Bundesfinanzministerium darauf bestand.

Die Aussagen, die ein nach Jetzt-ist-aber-mal-gut-mit-dem-Cum-Ex-Mist klangen und von einer indirekten Drohung an einen Journalisten garniert waren, der es wagte, ihm, dem Kanzler, mit Fragen auf die Nerven zu gehen, zeigen die Cleverness von Scholz - mehr nicht. Denn warum das von ihm regierte Bundesland insgesamt 90 Millionen Euro aus dubiosen und inzwischen für rechtswidrig erklärten Geschäften einer Privatbank überlassen wollte, die der SPD einige Zehntausend Euro spendete, ist bis heute unklar.

"Sehr umfangreich und viele Stunden Stellung" beziehen, heißt gar nichts, wenn man wie Scholz agiert. Ob er wirklich "die Auskünfte gegeben" hat, "die möglich sind", steht in den Sternen. Schon lange will die ständig wiederholte Aussage des Kanzlers, dass es "keinen Einfluss der Politik auf Entscheidungen der Finanzverwaltung gegeben" habe, nicht mit seinen gigantischen Erinnerungslücken zusammenpassen. Einerseits will er sozusagen alle Vorgänge haargenau kennen, um zu dem felsenfesten Urteil zu gelangen, es sei nicht gekungelt worden. Andererseits behauptet Scholz, sich nicht im Geringsten an die Inhalte der drei Gespräche mit Christian Olearius, einem Eigentümer der Warburg-Bank, zu erinnern.

Zwei Treffen der beiden, die Scholz - schon das irritierte - erst einräumte, nachdem dafür schriftliche Belege auftauchten, fanden in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Entscheidung statt, ob die Bank Millionen an den Staat abführen muss oder nicht. Olearius eilte zu Scholz, redete mit ihm längere Zeit - und der Sozialdemokrat will überhaupt nichts mehr aus diesen Gesprächen im Kopf behalten haben. Diese Gedächtnislücke ist alles andere als glaubwürdig. Ein Kanzler also, der lügt? Die Hamburger CDU geht schon seit Monaten davon aus.

Die Zweifel wachsen mit jedem ironischen Grinsen

In jedem Fall ist das Verhalten von Scholz intransparent. So etwas wie politische Verantwortung kennt er offenbar nicht. Der SPD-Politiker wird den Skandal überstehen. Möglich ist schließlich auch, dass Scholz wirklich nicht wusste, was die Hamburger Finanzbehörde trieb. Doch Zweifel sind nicht nur berechtigt, sie wachsen, zumal sie der Sozialdemokrat mit Pseudo-Offenheit, ironischem Grinsen, Basta-Ansagen und verbalen Ausrutschern gegenüber Journalisten selbst befeuert.

Schon jetzt kommen im Wochentakt Details heraus, die seine Aussage erschüttern, die Politik habe der Warburg-Bank nicht zur Seite gestanden. Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein Postfach eines amtierenden Bundeskanzlers staatsanwaltschaftlich durchsucht wird, auch wenn es sich um seine Mails aus der Zeit als Hamburger Regierungschef handelt. Schon im April haben die Kölner Ermittler das E-Mail-Postfach von Jeanette Schwamberger, der Büroleiterin und engen Vertrauten des Kanzlers, eingezogen.

Vor allem aber wird der Verdacht erhärtet, Scholz hält Entscheidendes hinter dem Berg. Wie der "Stern" unter Berufung auf das Geheimprotokoll einer vertraulichen Sitzung im Finanzausschuss des Bundestages im Juli 2020 berichtete, erklärte Scholz damals, "lediglich die Sicht der Dinge von Christian Olearius angehört" zu haben. Und den Inhalt hat er komplett vergessen? Unvorstellbar.

FDP und Grüne hatten vor der Bundestagswahl die Offenlegung des Protokolls verlangt. Heute schweigen sie dazu, um den ohnehin kippeligen Koalitionsfrieden zu wahren. Das ist, auch wenn es schwer zu akzeptieren ist, verständlich. Denn eine Regierungskrise kann sich Deutschland in diesen Zeiten nicht leisten. Trotzdem muss Scholz endlich sein Schweigen brechen - auch wegen der mehr als 200.000 Euro in bar, die in einem Bankschließfach des Hamburger Sozialdemokraten Johannes Kahrs entdeckt worden sind, der ebenfalls Kontakte zur Spitze der Warburg-Bank hatte.

Man muss Scholz glauben, wenn er sagt, er habe keine Ahnung, was es mit dem Geld auf sich hat. Aber was der Kanzler wissen sollte: Jeder noch so zarte Anschein von Kungelei zwischen einer Bank und einer Partei zulasten der Steuerzahler befeuert Vorurteile gegen die Politik, fördert Staatsverachtung und schadet somit der Demokratie. Und deshalb muss er sein Schweigen endlich brechen.

Quelle: ntv.de

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