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Trend Richtung rechts Die Leute wollen Rückzug und Atempause

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Ein zerstörtes Wahlplakat in Frankfurt am Main.

Ein zerstörtes Wahlplakat in Frankfurt am Main.

(Foto: dpa)

Das Ergebnis der Europawahl zeigt: Man sollte die Abneigung der Menschen gegen allzu viel Veränderung ernst nehmen. Die Ampel-Parteien müssen begreifen, dass sie eine neue Balance mit den Bürgern brauchen.

Machen wir uns nichts vor: Mindestens ein stattlicher Kern der AfD-Anhänger wählt inzwischen ihre Partei, weil sie extrem ist. Nicht: obwohl sie extrem ist. Diese Leute haben ihre felsenfeste Sicht auf Dinge, und alles, was von Linken oder Grünen kommt, ist für sie des Teufels - es gehört radikal abgeschafft. Kompromisse wären Verrat.

Ob man jemals noch an diese Gruppe vernünftig herankommt? Keine Ahnung. Der Trend in Richtung rechts ist aber größer als diese Hardcore-Gruppe.

Deutschland und viele EU-Staaten rücken insgesamt in Richtung rechts. Das muss nicht automatisch schlimm sein. Jahrelang waren Deutschland und viele EU-Staaten vorher insgesamt in Richtung links gerückt. Und wenn CDU und CSU ihr Ergebnis ein wenig verbessern können und meilenweit vor allen anderen Parteien führen, dann ist das nicht Teil desselben "Rechtsrucks" wie der krasse Zuwachs bei der AfD. Rechts der Mitte ist nicht gleich rechtsextrem. Das zu behaupten, ist ein kapitaler Bock der Linken und Grünen. Ein Beispiel: In der Regel halten "rechte" Wähler das Gendern für überkandidelt und nicht für einen gesellschaftlichen Fortschritt. Aber die einen wollen nur, dass das Gendern bei ARD und ZDF verschwindet. Die Extremen wollen, dass ARD und ZDF verschwinden.

Die Wähler all dieser rechten Parteien haben allerdings eines gemeinsam: den Wunsch, mehr oder minder scharf auf die Bremse zu treten Es geht um mehr oder minder viel Rückzug und eine Atempause.

Rückzug heißt: raus aus dem Euro, weniger Wettbewerb in einer durchglobalisierten Welt, "Deutschland first" und bloß kein Geld für die Armen in der Welt oder einen Krieg in weiter Ferne, denn alles ist ja so teuer geworden. So kann man das sehen. Allerdings hängen Millionen gut bezahlter Jobs am Euro. Und es war genau diese perfekt geschmierte Globalisierung, die in Deutschland jahrzehntelang die Preise gedrückt hat. Daneben hat den Krieg, aus dem man sich so gern heraushalten würde, einer angefangen, der nach dem ersten Sieg wahrscheinlich einen zweiten Krieg beginnen würde.

Atempause heißt: Nicht mehr so schnell und so viel Klimaschutz, der Fahren, Heizen und Produzieren teurer macht. Nicht mehr so schnell und so viel Veränderung: Warum soll Deutschland aufhören, die besten Benzinmotoren der Welt zu bauen? So oft gibt es Überschwemmungen bei uns nun auch wieder nicht. So kurzsichtig dieser Blick auf die Probleme ist, man sollte ihn ernst nehmen. Denn viele, die (noch) nicht rechtsaußen wählen, sehen es ähnlich. Ihnen fehlt gerade bei den Grünen das Augenmaß, das Gefühl für das Machbare. Sie sehen es wie der Klimaschutzminister Robert Habeck, der inzwischen sagt: "Ich bin zu weit gegangen." Der Absturz der Grünen könnte am Ende dazu führen, dass Deutschland zu wenig Klimaschutz macht (und bekommt) - weil die Grünen zu viel und zu schnell davon wollten.

Entscheidend ist, wie weit das Pendel in Richtung rechts jetzt durchschlägt. Und wie schnell die Ampel-Parteien begreifen, dass sie eine neue Balance mit den Bürgern brauchen. Wenn sie für diese gemeinsame Erkenntnis überhaupt noch die Kraft haben.

Quelle: ntv.de

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