Spitzenkandidat für Europa-Wahl Krah ist ein Risiko für die AfD


Einer, der sich offen als "rechts" bezeichnet, führt die AfD in den Wahlkampf ums Europaparlament. Die Partei glaubt offenbar, dass Feigenblätter nicht mehr notwendig sind. Das ist riskant und ein überaus spannender Test für das ganze Land.
Die Zeit der Feigenblätter in der AfD ist vorbei. Da gab es ganz am Anfang Bernd Lucke, den Parteigründer, dann Frauke Petry und schließlich Jörg Meuthen. Alle führten die Partei und alle hatten sie kein erkennbares Problem mit den Rechtsextremen in ihren Reihen. Aber alle gaben der Partei eben auch die bürgerliche Fassade, die ihr so wichtig war. Doch damit ist es spätestens vorbei, seit der damalige Parteichef Meuthen die Partei Anfang 2022 verließ.
Beim Parteitag in Riesa vor einem Jahr setzten sich die Rechtsextremen in allen wichtigen Fragen durch. Spätestens seitdem gilt der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke als der eigentlich starke Mann, der die tatsächlichen Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla nur so lange duldet, wie es ihm gefällt. Dass nun mit Maximilian Krah ein Mann aus dem ideologischen Umfeld Höckes Spitzenkandidat wird, ist folgerichtig - aber auch ein Risiko.
Das nicht nur, weil er etwas windig wirkt, nachdem er bei PR-Aufträgen getrickst haben soll und er der Pius-Brüderschaft geholfen hatte, Steuern zu sparen. Auch nicht, weil er bereits bei anderen Rechtsradikalen in Brüssel aneckte, weil ihm Marine Le Pen offenbar nicht rechts genug war. Das sind zwar tatsächlich Makel an diesem Kandidaten - das eigentliche Risiko liegt aber darin, dass Krah offen rechts ist und kaum ein Blatt vor den Mund nimmt.
Kein Bekenntnis zum Grundgesetz
Krah ist das Gegenteil von einem Feigenblatt, er ist AfD pur und steht genau da, wo die Partei steht. Er kann zwar gut reden und wirkt nicht wie ein plumper Neonazi. Wie andere AfDler auch versucht er, sich als Kümmerer zu präsentieren, einer, der das Beste für "das Volk" will. Doch er wird die Frage beantworten müssen, warum die Partei die EU auflösen, rückbauen oder anders neu gründen will, wenn doch die EU der wichtigste Exportmarkt für deutsche Unternehmen ist. Warum eine Rückkehr zur D-Mark besser für Deutschland sein soll. Er wird beantworten müssen, warum die AfD fest an der Seite Putins steht und warum das eher im deutschen Interesse ist, als gute Beziehungen zu den USA.
Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ihn ein Journalist fragt, ob er sich zu 100 Prozent zum Grundgesetz bekennt. Am Samstag in Magdeburg kam ihm ein solches Bekenntnis jedenfalls am Phoenix-Mikrofon nicht über die Lippen. Wenn ihm weitere harte Fragen gestellt werden, wird er sein wahres Gesicht unterm Aufmerksamkeits-Flutlicht der Republik zeigen. Dann müssten die Menschen im Lande sehen, dass er ein Radikaler ist.
Es ist im Moment so etwas wie die Gretchenfrage der AfD: Wie viel an den hohen Umfragewerten ist Protest und wie viel ist echte Entschlossenheit, die Partei zu wählen? Die echten Sympathisanten dürften zahlreicher sein als manche wahrhaben wollen. Die AfD-Führung zeigt sich jedenfalls selbstgewiss, dass es an ihrem Programm liegt. Doch wollen wirklich 20 Prozent der Deutschen das, was die AfD propagiert?
Die Europawahl wird dafür ein wichtiger Test sein. Gerade zeigte eine Umfrage, dass die meisten Deutschen mit den Positionen der AfD nicht einverstanden sind - beispielsweise der Rückzug aus der EU oder der NATO-Austritt, mit dem viele AfDler liebäugeln. Auch den Klimaschutz, den die AfD ablehnt, finden demnach 82 Prozent richtig. Für die AfD könnte die Wahl also mit einer Ernüchterung enden, wenn Inhalte überhaupt eine Rolle spielen.
Quelle: ntv.de