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EU steht weiter hinter UkraineMerz mausert sich zu Putins mächtigstem Gegenspieler

19.12.2025, 15:07 Uhr a6d1097d-155c-4edc-b000-7806375dfbdb~1Ein Kommentar von Sebastian Huld
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Bundeskanzler Friedrich Merz ordnet nach dem EU-Gipfel die Ergebnisse ein. Er ist nicht unzufrieden. (Foto: picture alliance/dpa)

Russlands Kriegslust trifft kaum noch auf Widerstand, schon gar nicht in Washington, Peking oder Neu-Delhi. Einzig Europa und wenige Verbündete außerhalb bieten Putin Paroli. An ihrer Spitze steht Bundeskanzler Merz, der mit hohem Einsatz spielt, um das Mindeste zu erreichen.

Der Krieg in der Ukraine kann weitergehen. Pervers, wie die Zeiten nun einmal sind, ist das eine gute Nachricht. Die Regierung in Kiew muss nicht absehbar bedingungslos kapitulieren, weil ihr das Geld zur Verteidigung und zur Finanzierung des Staatshaushalts ausgeht. Dass sich die EU-Staaten auf eine Lösung zur weiteren Unterstützung des angegriffenen Landes verständig haben, hat auch viel mit dem deutschen Regierungschef zu tun. Friedrich Merz hat in den vergangenen Tagen das ganze politische Gewicht der Bundesrepublik in die Waagschale geworfen, damit das Jahr nicht in einer kompletten Niederlage der Ukraine und mithin Europas endet.

Unter den europäischen Ländern ist Deutschland trotz tiefgreifender Wirtschaftskrise das mit Abstand mächtigste auf Seiten der Ukraine und der Kanzler gibt sich dieser Tage entschlossen, diese Verantwortung auszufüllen. Mit Ungarn, Tschechien und der Slowakei stemmten sich beim EU-Gipfel drei EU-Staaten gegen weitere Hilfen für die Ukraine. Weitere, kleinere Länder meldeten Zweifel an. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni konnte sich aus gleich mehreren Gründen nicht zu einer konsequenten Unterstützung der Ukraine aufraffen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekommt seine innenpolitische Krise nicht in den Griff, weil sein Land mehr mit großen Schulden auffällt denn als Grande Nation. Und Großbritannien steht seit dem Brexit ohnehin für sich allein und passt nur deshalb in diese Aufzählung, weil der britische Premierminister Keir Starmer selbst von Merz' schwachen Zustimmungswerten nur träumen kann.

Kreml muss sich zu Berliner Erklärung verhalten

Dieses uneinige, angeschlagene Europa also muss Merz anführen, weil nur eine geeinte EU zusammen mit Briten, Norwegern, Kanadiern und Australiern den von China offen unterstützten Russen einigermaßen etwas entgegensetzen kann. Und wo die USA in diesem Konflikt morgen stehen, weiß wohl selbst Donald Trump heute noch nicht. Vor diesem Hintergrund ist die ausgehende Woche bemerkenswert verlaufen. Erst beschlossen die EU-Mitglieder per Mehrheitsentscheidung, die mehr als 200 Milliarden russischen Vermögens auf unbestimmte Zeit dem Zugriff Moskaus zu entziehen. Dann gelang es bei den Gesprächen in Berlin mit den beiden Trump-Vertrauten Steve Witkoff und Jared Kushner sowie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen gemeinsamen Fahrplan für einen Waffenstillstand zu entwickeln.

In Brüssel schließlich wurde eine Verständigung zur Finanzierung der Ukraine erzielt, wofür Merz entgegen seinen Überzeugungen auch gemeinsamen EU-Schulden zustimmt. Dem Kanzler ist damit kein Sieg auf ganzer Linie gelungen. Europa hat in einem Schicksalsmoment nicht die Entschlossenheit zur Wahrung der eigenen Sicherheitsinteressen aufgebracht, die Merz noch am Montag mit eindringlichen Worten eingefordert hat. Aber: Moskau muss nach dem EU-Gipfel davon ausgehen, dass die Ukraine erst einmal weiterkämpft. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, damit die Kreml-Gesandten sich am Wochenende in Miami überhaupt ernsthaft anhören, was die USA da in Berlin mit Selenskyj und den Europäern ausbaldowert haben.

Es geht ums Momentum und das hat Merz aufrechterhalten. Könnte der Kreml auf Kiews zeitnahen Kollaps spekulieren, würde Putin ernsthafte Verhandlungsbereitschaft wohl nicht einmal vortäuschen. Nun aber gibt es zumindest eine Chance auf Gespräche, die in einen Waffenstillstand führen könnten. Ohne den Bundeskanzler würde es wahrscheinlich selbst diese Mini-Chance nicht geben - und das macht Friedrich Merz derzeit zu Wladimir Putins mächtigsten Gegenspieler. Wie Russland damit umgeht, dürfte sich schnell zeigen.

Quelle: ntv.de

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