Kommentare

Milliarden für Kampf gegen PutinDie EU bewahrt die Ukraine und sich selbst vor dem Allerschlimmsten

19.12.2025, 12:18 Uhr verstlEin Kommentar von Lea Verstl
00:00 / 04:28
German-Chancellor-Friedrich-Merz-welcomes-President-of-the-European-Commission-Ursula-von-der-Leyen-at-the-Chancellery-in-Berlin-Germany-Monday-Dec-15-2025
Merz und von der Leyen konnten nicht alle ihre Vorstellungen von den Hilfszahlungen durchsetzen, waren aber treibende Kräfte hinter einer Einigung auf dem EU-Gipfel. (Foto: AP)

Es ist ein guter Tag für Brüssel und Kiew. Es hätte leicht ihr schlimmster werden können. Die Zukunft des ukrainischen Staats stand beim EU-Gipfel auf dem Spiel. Den europäischen Staats- und Regierungschefs gelingt aber ein Tritt gegen Putins Schienbein, wenn auch nicht so kräftig wie von Berlin erhofft.

Es gibt Grund zum Aufatmen in Kiew: Schon Ende Januar wird der Regierung dort frisches Geld von der Europäischen Union überwiesen. Die Ukraine bekommt insgesamt 90 Milliarden Euro an zinslosen Krediten für ihren Kampf gegen den russischen Angriffskrieg in den kommenden zwei Jahren. Auch in Berlin geht jetzt die Erleichterung um, konnte Kanzler Friedrich Merz doch noch einen Teilerfolg nach den Verhandlungen in Brüssel vorweisen - und einige seiner Vorstellung von der Haftung für den Kredit durchsetzen. In Kiew ging es jedoch um viel mehr. Ohne das Geld wäre die ukrainische Regierung im kommenden Jahr auf den Staatsbankrott zugesteuert - und damit einer Kapitulation näher gewesen. Die EU bewahrt aber nicht nur die Ukraine vor dem Allerschlimmsten, sondern auch sich selbst.

Denn die ukrainischen Truppen, das werden EU-Vertreter nicht müde zu betonen, verteidigen ganz Europa gegen die imperialistischen Zarenfantasien und den Napoleonkomplex Wladimir Putins. Die baltischen Staaten könnte der russische Machthaber als nächstes ins Auge fassen; offenbar ließ er am Donnerstag seine Grenzschützer in der estnischen Stadt Narva schon einmal vorfühlen. Länderübergreifend warnen Sicherheitsexperten vor dem sogenannten "Narva-Szenario", in dem Moskau durch einen Überfall auf die Stadt die Beistandspflicht der Nato testen könnte.

Eines ist völlig klar: Die Hilfszahlungen der Europäer dienen auch dem Selbstschutz der Mitgliedstaaten. Denn solange die Front in der Ukraine verläuft, verschiebt sie sich nicht in die baltischen Staaten. Ein Aufatmen geht also auch durch all jene europäischen Hauptstädte, die sich möglicherweise als nächstes Gericht auf Putins Speiseplan wähnen.

Putin kommt nicht an sein Geld

Und in Moskau? Bemüht sich die Lügen-Maschinerie des Kremls mal wieder, eine Niederlage zu einem Sieg umzudeuten. Aber der Brüsseler Beschluss für die Finanzierung der Ukraine ist eben kein gewaltiger Schlag "für die Kriegstreiber", wie der russische Chefunterhändler Kirill Dmitrijew behauptet. Im Gegenteil.

Zugegeben, die eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank werden nicht so direkt für den Kredit genutzt, wie Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich das gewünscht hätten. Und ja, das Ringen um die Klärung der Haftungsfragen hat sowohl Zeit als auch Nerven gekostet. Und sicherlich, ein noch größeres Finanzpaket, flankiert von bereitwillig zur Verfügung gestellten direkten Hilfszahlungen aus den Mitgliedstaaten, wäre das bessere Signal gewesen. Denn eines trat während der zähen Verhandlungen offen zutage: Die Bereitschaft der europäischen Länder, für die Unterstützung der Ukraine immer tiefer in die eigene Tasche zu greifen, sinkt. Nur deshalb werden die russischen Milliarden für die Haftung herangezogen.

Dass diese in Europa dauerhaft beschlagnahmten Milliarden nun aber tatsächlich genutzt werden, um den aufgenommenen Kredit am Ende zu tilgen, ist ein voller Erfolg und ein Tritt vor Putins Schienbein. Für Putin tritt das Allerschlimmste ein: Er kommt nicht an das Geld, das er für die Kriegswirtschaft dringend bräuchte. Stattdessen fließen hohe Summen an seinen Gegner.

Der Freitag nach dem Gipfeltreffen ist also ein guter Tag für die EU. Dabei hätte es ihr schlimmster werden können. Hätten die Staats- und Regierungschefs sich auf keine Finanzierung für die Ukraine einigen können, hätten sie dem Druck des Kremls einfach nachgegeben, hätte die ukrainische Regierung nächstes Jahr ihren Bankrott anmelden müssen, dann wäre auch die EU politisch pleite gewesen. Niemand hätte die Europäer mehr ernst genommen, weder in Kiew noch in Moskau - und schon gar nicht in Washington.

Quelle: ntv.de

RusslandEU-KommissionDonald TrumpAngriff auf die UkraineUSAEU-GipfelUkraine-KonfliktWladimir PutinEUUkraine