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Krisendruck hilft Populisten Nur die Zeit spielt gegen die AfD

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Die AfD-Politiker Björn Höcke und Tino Chrupalla freuen sich am Sonntag in Sonneberg über das Ergebnis der Stichwahl zum Landratsamt.

Die AfD-Politiker Björn Höcke und Tino Chrupalla freuen sich am Sonntag in Sonneberg über das Ergebnis der Stichwahl zum Landratsamt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Parteien haben bislang kein Rezept gegen die AfD gefunden. Grüne und CDU setzen auf längst widerlegte Strategien. Aber: Es sind die Verwerfungen, die der AfD neue Wähler zutreiben. Darin steckt auch eine gute Nachricht.

"Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen", dröhnte Alexander Gauland am Abend der Bundestagswahl 2017. Knapp sechs Jahre später stellt seine AfD einen Landrat in Sonneberg, einem der kleinsten deutschen Kreise, den bislang kaum einer kannte. Weit gekommen ist die Rechtsaußenpartei also (noch) nicht.

Die AfD feiert sich trotzdem: Denn die anderen Parteien wissen vorerst nicht weiter. Wie lassen sich Bürger neu überzeugen, die aus welchem Grund auch immer in Scharen eine nachweislich rechtsextreme Partei gewählt haben?

Klar ist inzwischen nur noch, wie es nicht geht.

  • Als sich alle anderen Parteien hinter den CDU-Kandidaten stellten, hat das - anders als sonst - dieses Mal nicht für einen Sieg über den AfD-Kandidaten gereicht. Im Gegenteil: Es hat allem Anschein nach für den Mann von der AfD mobilisiert, der auch bei deutlich gestiegener Wahlbeteiligung zulegen konnte. Die Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, will trotzdem ein noch festeres Zusammenstehen "aller demokratischen Parteien" gegen die AfD. Sie hat es nicht begriffen.
  • Der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz, ist da weiter - aber in die falsche Richtung. Er hat die Grünen zum "Hauptgegner" erklärt und will sie noch härter angehen. So möchte er der AfD beikommen, die von der vielerorts ländlichen Wut auf die Grünen prächtig lebt. Doch das Rennen um die ätzendste Grünen-Kritik kann die CDU nicht gewinnen: Die AfD würde zur Not den Klimawandel einfach leugnen oder die Notwendigkeit, etwas dagegen zu tun - ihr kann es ja egal sein. Das aber kann es der CDU nicht, solange sie den Kanzler stellen will.

Auch hinter dem Rest der bisherigen Rezepte stehen große Fragezeichen: Die SPD will vor allem "besser regieren" und "besser erklären", und da ist ja tatsächlich viel Luft nach oben. Eine funktionierende Verwaltung, ordentliche Straßen, Bahnen und Handynetze, Sicherheit im Alltag - an vielen Schrauben wäre zu drehen, aber es wird dauern, bis es wirkt. Das Heizungsgesetz praxistauglich, verständlich und flexibel zu machen, das hingegen geht schnell und wäre ein großer Schritt. Aber ob es reicht, den verheerenden Eindruck wettzumachen, der dank des Unvermögens der Koalition entstanden ist? Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein repariertes Gesetz im Milieu der AfD neues Vertrauen in die Ampel-Koalition stiftet - dort glaubt man "denen da oben" sowieso nichts mehr.

Was bleibt also, das im Sinne der nicht-extremen Parteien von Linken bis CSU wirkt?

Während die AfD von der Corona-Krise allein nicht profitieren konnte, treiben ihr nun drei große Verwerfungen gleichzeitig neue Wähler zu: der inflationstreibende Krieg in der Ukraine, die neue Flüchtlings- und Asylkrise, der drastisch verschärfte Klimaschutz. Die Angst, davon überfordert zu werden, erleichtert der AfD das Geschäft: Sie ist die Partei derer, die sich diesem dreifachen Ausnahmezustand - zu Recht oder zu Unrecht - ohnmächtig ausgeliefert fühlen.

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Allein: Dieser Ausnahmezustand wird nicht andauern. Entweder, weil der Krieg endet, die Inflation weiter nachlässt, der Flüchtlingsdruck abnimmt oder der Klimaschutz zumindest nicht zusätzlich verschärft wird. Das entzöge dem Ohnmachts- und Krisengefühl einiges an Dringlichkeit, was der AfD in den vergangenen zehn Jahren stets viel Zustimmung auch wieder verlieren ließ. Oder: Hält der reale Krisendruck unvermindert an, würden sich viele Menschen trotzdem irgendwie daran gewöhnen. Als populistische Partei lebt die AfD aber von eskalierenden Gefühlen, von einer stabilisierten gesellschaftlichen Gemütslage hat sie wenig: Sie hat ja bislang so gut wie nichts, was sie in solchen Phasen als glaubhaft realisierbare Politik-Alternative anbieten müsste.

So ist die Zeit am Ende der größte Gegner der AfD. Die Zeit spielt gegen Rechtsaußen. Vor allem, wenn sie relativ etwas ruhiger wird.

Quelle: ntv.de

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