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BSW und "Bananenrepublik"Wagenknechts Kritik ist überzogen - aber sie hat einen wichtigen Punkt

18.12.2025, 15:57 Uhr b58b01e6-b3b2-4108-ace9-39b8c6dbd390Ein Kommentar von Hubertus Volmer
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Sahra Wagenknecht und ihr BSW müssen nun auf Karlsruhe hoffen. (Foto: picture alliance / dts-Agentur)

Die Kritik von Sahra Wagenknecht am Bundestag ist überzogen. Doch im Kern liegt die BSW-Gründerin richtig: Die Prüfung von Wahlen sollte keine Aufgabe des Parlaments sein. Ob die BSW-Stimmen richtig gezählt wurden, ist heute kaum noch zu ermitteln.

Man muss Deutschland nicht gleich zur "Bananenrepublik" erklären. Denn mit der Art, wie Sahra Wagenknecht über die heutige Entscheidung des Bundestags spricht, riskiert sie, dass vor lauter Eskalationsrhetorik die Fakten übersehen werden.

Nach deutschem Recht ist die Prüfung des Ausgangs einer Bundestagswahl Sache des Bundestags. Mit Blick auf den Einspruch des BSW entscheiden die Abgeordneten am Abend, ob sie eine Neuauszählung der jüngsten Bundestagswahl anordnen. Nach dem bereits erfolgten Votum des Wahlprüfungsausschusses dürfte dies eine Formalie sein. Rund 9500 Stimmen fehlten der Partei im Februar für einen Einzug in den Bundestag. Es ist keineswegs ausgemacht, dass diese Stimmen bei einer Neuauszählung gefunden würden. Aber auch das Gegenteil ist nicht sicher. Die von Wagenknecht bemängelten "offenkundigen Zählfehler und Unregelmäßigkeiten" gab es tatsächlich, wenngleich unklar ist, ob sie im amtlichen Endergebnis noch enthalten sind.

All das spricht für eine Neuauszählung. Dagegen sprechen politische Gründe: Potenziell hätte eine Neuauszählung weitreichende Folgen. Zöge das BSW auf Basis der Wahl vom vergangenen Februar doch in den Bundestag ein, verlöre die Koalition ihre Mehrheit. Deutschland befände sich schlagartig in einer Staatskrise - und das in einer Situation, die innen- und außenpolitisch ohnehin schon schwierig genug ist.

Das Verfahren lädt zum Misstrauen ein

Der Verdacht liegt nahe, dass die Abgeordneten, die im Wahlprüfungsausschuss über den Einspruch des BSW zu entscheiden hatten, auch dieses Szenario im Kopf hatten. Gleiches gilt für den gesamten Bundestag. Wohlgemerkt: Es ist ein möglicher Verdacht.

Politische Gründe dürfen in dieser Frage allerdings keinen Ausschlag geben. Das Vertrauen darauf, dass bei demokratischen Wahlen nicht getrickst wird, gehört zum Allerheiligsten der Demokratie. Im Zweifel sollte daher gelten: Lieber einmal zu viel prüfen als einmal zu wenig.

Leider ist die Sache im konkreten Fall nicht so einfach. "In der Praxis liegen die Stimmzettel häufig in einem Kreisverwaltungsamt und sind für eine ganze Reihe von Mitarbeitern zugänglich", sagte ein Wahlrechtsexperte kürzlich im Gespräch mit ntv.de. "Sollte ein Akteur wie Russland es darauf anlegen, maximale Unruhe in das politische System der Bundesrepublik zu bringen, dann wäre es durchaus möglich, hier ein paar Stimmzettel auszutauschen."

Es gibt keine gute Lösung mehr

Das alles bedeutet: Es gibt hier keine gute Lösung mehr. Der Verzicht auf eine Neuauszählung stellt das Vertrauen der BSW-Anhänger in Wahlergebnis und Rechtsstaat auf die Probe. Aber auch eine Neuauszählung würde Raum eröffnen, die Verlässlichkeit des Wahlergebnisses anzuzweifeln.

Eine Nachzählung hätte längst stattfinden müssen. Ob die Entscheidung des Bundestags richtig war, wird nun das Bundesverfassungsgericht überprüfen, das BSW hat eine entsprechende Klage bereits angekündigt. Bis dahin wird noch mehr Zeit verstrichen sein.

Trotzdem ist Deutschland keine "Bananenrepublik", was immer das sein soll. Aber die Art, wie Wahlergebnisse in Deutschland überprüft werden, wie Einsprüche abgearbeitet werden, ist dringend reformbedürftig. Es muss sehr viel schneller gehen und deutlich transparenter ablaufen. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, eine solche Entscheidung basiere auf politischen Überlegungen. Genau dazu lädt das aktuelle Wahlprüfungsverfahren ein.

Quelle: ntv.de

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