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AKK gegen "Meinungsmache" Wie eine dilettantische Provinz-Politikerin

Die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

Die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

(Foto: imago images / Becker&Bredel)

Nach einem miesen Wahlergebnis eine Regulierung von Meinungen im Internet zu fordern, zeigt, dass Annegret Kramp-Karrenbauer wie eine Amateurin von vorvorgestern agiert. Die Frau soll Kanzlerin werden? Besser nicht.

Manchmal fällt das Kind in den Brunnen: Pech gehabt, passiert halt. Aber man kann es auch mit voller Wucht in die Wassergrube hineinschubsen und noch ein paar Mühlsteine hinterherkippen. So macht es Annegret Kramp-Karrenbauer im Falle des Youtubers Rezo. Erst schnappte sie ein und ließ ein "Gegenvideo" mit dem jungen CDU-Abgeordneten Philipp Amthor drehen, das zum Glück nie veröffentlicht wurde, weil es sicher mega-peinlich gewesen wäre.

Dann versuchte es Kramp-Karrenbauer mit einem missratenen Witz: "Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab." Und blamierte sich als Vorsitzende einer Christen-Partei, weil Ägypten laut Bibel von zehn Plagen heimgesucht wurde. Jemandem das Verdrehen von Fakten vorzuwerfen, aber selbst Fehler zu machen, ist nicht sehr glaubhaft.

Doch einen Tag nach einem wenig glorreichen Ergebnis bei der Europawahl eine Diskussion über "Meinungsmache" im Internet anzustoßen - das schlägt dem Fass den Boden aus. Denn das kann nur so rüberkommen wie: Wer gegen uns stänkert, muss an die Kette gelegt werden.

Rezos Video "Die Vernichtung der CDU" ist unfair und diffamiert demokratische Konsenssuche. Aber es ist völlig erlaubte, demokratische "Meinungsmache". Damit ist auch schon Kramp-Karrenbauers Frage beantwortet: "Welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich?" Es gelten die, die das Grundgesetz vorgibt. Punkt und aus!

Hanebüchen ist die Begründung der CDU-Vorsitzenden aus der analogen Welt, mit der sie zeigt, wie sehr von vorvorgestern sie ist. "Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD. Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen."

Das war kein Ausrutscher

Bitte was? Das wäre das Recht der Zeitungen (gewesen). Denn sie können meinen, was sie wollen in einem Land mit absoluter Pressefreiheit. Aber sie würden es niemals machen, schon gar nicht als gemeinsames Projekt. Denn entgegen allen dümmlichen Behauptungen über die angeblich gleichgeschalteten Medien würden sich die Blätter zwischen "taz" und "FAZ" nie und nimmer auf einen solchen Aufruf einigen. Und sich übrigens damit den Ärger ersparen, wie ihn die "Financial Times Deutschland" hatte, die es - nach britischem Vorbild und internem Streit - einst wagte, eine konkrete Wahlempfehlung abzugeben. Sie wurde dafür heftig gescholten.

Ihren ganzen provinziellen Dilettantismus zeigt Kramp-Karrenbauer, als sie nach Kritik wiederum einschnappte und weiter Öl ins Feuer goss: "Es ist absurd, mir zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen. Meinungsfreiheit ist hohes Gut in der Demokratie. Worüber wir aber sprechen müssen, sind Regeln, die im Wahlkampf gelten."

Wir "müssen" gar nichts. Dass das Internet Regeln braucht, ist wohl inzwischen allen klar. Kramp-Karrenbauers Vorschlag kann aber nur so rüberkommen, dass Meinungen dann reguliert werden sollen, wenn sie der CDU nicht passen. Das wäre Zensur, also genau das, was Rechts- und Linksradikale dem Staat ohnehin schon unterstellen. Statt nun endlich mit Rezo und den Kids von "Fridays For Future" - kurzum: der Jugend - ins Gespräch zu kommen, schießt Kramp-Karrenbauer diesen Bock nur einen Tag, nachdem sie vor zig Kameras ankündigte, nun aber ganz ganz wirklich das Thema Klimaschutz anzugehen. Amateurhafter geht es nicht.

Die besondere Tragik dabei ist: Das war garantiert kein Ausrutscher, kein Verplappern, sondern voller Ernst. Der Vorstoß ist utopisch, sinnlos und antidemokratisch. Und man muss sagen: So etwas wäre Angela Merkel niemals passiert. Wenn sie eine solche Debatte hätte lostreten wollen, hätte sie jemanden vorgeschickt, aber dann nie und nimmer einen Tag nach der Europawahl. Das zeigt, dass Kramp-Karrenbauer wohl doch eher zum Saarland passt als in die Bundespolitik, wo man sich genau überlegen muss, was man sagt. Die Vorstellung, dass diese Frau, der offenbar strategisches Geschick fehlt, Kanzlerin werden und Deutschland in Brüssel vertreten soll, ist schwer auszuhalten. Also: Besser nicht!

Quelle: ntv.de

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