Mühlstein MerzWird das noch was mit diesem Kanzler?
Ein Kommentar von Nikolaus Blome
Das öffentliche Urteil über Friedrich Merz scheint gefallen: Der Mann ist ein für alle Mal unten durch. Aber das muss nichts Schlechtes heißen für Deutschland.
Rund sechs Monate nach seinem Amtsantritt hat Friedrich Merz so schlechte Umfragewerte wie sein über Jahre zermürbter Vorgänger knapp vor dem Scheitern der Ampel-Regierung. Vertrauen in Merz haben zudem prozentual noch weniger Menschen, als CDU/CSU wählen würden. Andersherum wäre es normal, doch dieser Kanzler hängt seiner Partei wie ein Mühlstein um den Hals, wenn man den einschlägigen Umfragen trauen möchte.
Die eklatant schlechten Werte für Merz als Person und für die CDU/CSU als Partei stehen seit August still. Die Einschätzungen haben sich also bereits verfestigt, eine spektakuläre Wende ist für das neue Jahr nicht in Sicht.
War es das in Wahrheit also schon mit diesem Kanzler?
Wie es scheint, gibt es für Friedrich Merz tatsächlich kein Entkommen mehr aus den vielen negativen Zuschreibungen: Dass er sein Wort aus dem Wahlkampf in der Regierung sofort mehrfach gebrochen hat. Dass er zu oft mehr ankündigt, als sich am Ende halten lässt. Dass er politische Entscheidungen schlecht managt, weshalb es mehr Koalitionskrisen gab als nötig. Und dass er meistens zwei oder mehr Anläufe braucht, um ein heikles politisches (Kultur-)Thema so anzusprechen, dass nicht gleich die halbe Republik in Flammen steht.
Erste Prognose: Friedrich Merz wird wohl kein beliebter Kanzler mehr. An seinem persönlichen Image wird sich wohl nicht viel ändern. Denn:
Der Kanzler ist, wie er ist, und inzwischen ist er 70 Jahre alt. Persönlich polarisiert er seit jeher mehr, als er versöhnt, das wird so bleiben und das schlägt sich in einer aufgesplitterten Parteienlandschaft viel stärker nieder als früher. Wenn die Kanzlerpartei bei der Bundestagswahl nur 28,5 Prozent macht, sind persönliche Zustimmungswerte weit darüber nicht mehr wahrscheinlich. Für einen Politiker mit dem Charakter und dem Berufsweg von Friedrich Merz sind sie sogar sehr unwahrscheinlich. Für jemanden mit Privatflugzeug und großem Ego ist in Deutschland Respekt meistens das höchste der Gefühle.
Ein Kanzler kann heute selbst in der Außenpolitik nicht mehr so leicht positiv punkten wie früher, denn der große (west-)deutsche Nachkriegs-Konsens ist zerbrochen. Es gibt jetzt rechts wie links größere bis große Parteien, die wollen die Nato überwinden, raus aus dem Euro und halten das Russland Putins für keine nennenswerte Bedrohung. Diese Parteien, AfD, BSW und in Teilen die Linke, haben (rechnerisch) größere Mehrheiten im Osten und sind im Westen immerhin stark genug, den traditionellen außenpolitischen Kanzlerbonus zu durchkreuzen. Ihre Anhänger könnten niemals hinter einer gemeinsamen Regierung stehen, aber gemeinsam gegen eine Regierung schon.
Zweite Prognose: Um als Kanzler dem Land zu nutzen, muss Friedrich Merz gar nicht beliebt sein. Helmut Kohl stand Ende der 1980er Jahre gewiss nicht im Zenit seiner Popularität. Kurz vor Mauerfall und Weltwende entging er nur um Haaresbreite einem "Putsch" in der eigenen Partei, die ihren auserzählten Kanzler und Chef loswerden wollte. Gerhard Schröder wiederum wurde 2002 mit Rot-Grün nur denkbar knapp wiedergewählt und verlor im Streit um die Hartz-Reformen die Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung. Es war ihm, dem Zocker, am Ende egal.
Aber: Helmut Kohl hinterließ mit Wiedervereinigung und Euro trotzdem zwei Epochenmarken. Gerhard Schröder schaffte mit der Agenda 2010 die größte Sozialstaatsreform der letzten 50 Jahre und legte das Fundament für 15 Jahre fast durchgehendes Wachstum.
Gerade bei Rente, Krankenversicherung oder Arbeitsmarkt stehen im kommenden Jahr Entscheidungen an, die mehrheitlich eher unpopulär als populär sind. Die jene, die sie treffen, eher unbeliebter machen werden als beliebter. In so eine Phase, zumal in einem Super-Wahljahr, startet man besser mit einem Popularitätspolster, gewiss. Aber es geht auch ohne. Wesentlich wichtiger sind besseres Management der Erwartungen und der Abläufe. Wiederwahl 2029 sollte für Friedrich Merz wirklich kein Maßstab sein.