Person der Woche Fünf Gründe für Prinz Harrys Rundumschlag
10.01.2023, 10:34 Uhr

Wirft eine Handgranate nach der anderen ins britische Königshaus: Henry Charles von Sussex, auch Prinz Harry genannt.
(Foto: imago images/i Images)
Mit seinem Buch "Spare" und in einer Serie von Interviews attackiert Prinz Harry seinen Vater, seinen Bruder und die gesamte Royal Family mit immer neuen Vorwürfen. Der Vorgang ist ebenso spektakulär wie tragisch - aus fünf verborgenen Gründen.
Ein Buch voller Wut, Hass und peinlichen Enthüllungen über ersten Sex, Jugend-Koks, Bruder-Prügel, einen herzlosen Vater, eine böse Stiefmutter, ein Nazi-Kostüm und angeblichen Rassismus im Buckingham-Palast. Für den Boulevard wird es das Füllhorn-Buch des Jahres. Für das britische Königshaus ist es eine Stinkbombe historischer Dimension. Für Prinz Harry bedeutet das Buch eine tragische Selbst-Vernichtung bis hin zum zynischen Bekenntnis, er habe 25 Taliban-Kämpfer getötet, die er nicht als Menschen empfunden habe, sondern als "Schachfiguren, die vom Feld genommen wurden". Harry ruiniert seine engsten Familienbande und zugleich sein eigenes Bild in der Weltöffentlichkeit. Warum tut er das? Es gibt fünf verborgene Motive:
Geld: Das Herzogspaar lebt einen Superreichen-Lifestyle in der kalifornischen Milliardärs-Enklave Montecito, wird aber vom Königshaus nicht mehr finanziert. Harry und Meghan brauchen also Geld. Viel Geld. Allein ihr Anwesen mit 16 Badezimmern, Rosengarten, Pool, Teehaus und Tennisplatz soll 14,65 Millionen Dollar gekostet haben. Harry und Meghan haben darum mit dem Streamingdienst Netflix Millionenverträge für Dokumentationen abgeschlossen, in denen sie sich als Daueropfer der Monarchie im öffentlichen Bewusstsein inszenieren. Der Verlag Penguin Random House soll Harry einen Vorschuss von 20 Millionen Dollar für das Enthüllungsbuch "Spare" (in Deutschland heißt es "Reserve") gezahlt haben. So berichtet es die BBC. US-amerikanische und kanadische Medien melden gar, dass Prinz Harrys Vertrag mehrere Buchpublikationen mit einem Gesamthonorar von 35 bis 40 Millionen Dollar umfasst. Der Verlag hat das nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. In jedem Fall dürfte es sich um eines der höchsten Buchhonorare handeln, die je bezahlt wurden. Harry muss als Gegenleistung möglichst viel medial vermarktbare schmutzige Familienwäsche waschen und seine Seele ein wenig verkaufen. Die Deals von Harry und Meghan mit Spotify, Netflix und Buchverlagen sollen dem Paar bereits mehr als 100 Millionen Dollar eingebracht haben. Der kalifornische Glamour-Lebensstil ist damit immerhin gesichert.
Bruderneid: Ein Hauptmotiv im Harry-Spektakel ist die Rivalität mit seinem Bruder. William ist designierter Thronfolger im Rampenlicht, Harry nur ein gefühlter Ersatz im Schatten, ein "Spare", wie er sein Buch demonstrativ betitelt. Der Stachel, keine wichtige Rolle zu spielen, scheint tief zu sitzen und einen urwuchtigen Bruderhass auszulösen. Die Bibel kennt den Brudermord von Kain und Abel, die Mythologie erzählt das Gleiche von Romulus und Remus, das Motiv der Bruder-Tragödie ist eingraviert in Harrys Leben. Sein Buch und seine Interviews wirken wie ein verbaler Brudermord. In der Gunst seiner Landsleute rutscht Harrys Ansehen damit auf ein Rekordtief. 64 Prozent der Befragten haben inzwischen eine negative Meinung von dem Prinzen, wie das Meinungsforschungsinstitut Yougov am Montag mitteilte. In Deutschland erinnert Prinz Harrys Verhalten stark an die literarische Erzählung von Thomas Mann über den irrlichternden Christian Buddenbrook, der sich an seinem vernünftigen Bruder Thomas zeitlebens abarbeitet und sich ruiniert.
Vaterkomplex: Harry berichtet in dem Buch von seiner psychischen Belastung aufgrund des frühen Todes seiner Mutter und der gestörten Beziehung zu seinem gefühlskalten Vater. Er habe die Umarmungen des Vaters vermisst, unter dessen Witzen, dass er möglicherweise gar nicht sein Vater sei, gelitten und sich vor lauter Verlustschmerz um Kontakt zu seiner toten Mutter mittels eines Mediums bemüht. Es gibt im Buch traurige Passagen, bei denen man den verstörten Harry am liebsten noch nachträglich in den Arm nehmen und trösten möchte. Doch dann merkt man, dass Harry eine therapeutische Kommunikation der Hassliebe mit seinem Vater betreibt, den er scharf anklagt und zugleich bettelnd "zurückhaben" will. Zum Vorschein kommt ein verstörter, sich selbst verletzender Narziss mit einem gewaltigen Vaterkomplex.
Prinz Harry wirft seinem Vater sogar vor, eifersüchtig auf die öffentliche Aufmerksamkeit gewesen zu sein, die Meghan bekommen habe. Charles habe befürchtet, die Schauspielerin könne ihm das Rampenlicht stehlen wie weiland Harrys Mutter Diana. Sein Vater habe das "schon einmal erlebt und hatte kein Interesse daran, dass ihm das noch einmal passiert", schreibt Harry in Anspielung auf seine verstorbene Mutter Diana. Damit gibt er seinem Vater indirekt eine Mitschuld am Tod seiner Mutter.
Darum ist es kein Zufall, dass er sich den journalistischen Superexperten für dieses Thema geholt hat. Der Pulitzer-Preis-Gewinner und Ghostwriter J. R. Moehringer hat das Buch geschrieben. Moehringer ist ein Star in Sachen Vaterkomplexe. Er hat schon die Biografie des Tennisstars Andre Agassi und dessen Vaterprobleme verfasst. Moehringers eigene Autobiografie "The Tender Bar" soll im kommenden Jahr von George Clooney als Regisseur und Produzent realisiert werden. Die Geschichte, die mit Ben Affleck verfilmt werden soll, dreht sich um den Autor, der als kleiner Junge einen Ersatz für seinen Vater sucht, der verschwunden war, bevor sein Sohn sein erstes Wort sprechen konnte. Clooney soll Moehringer und Prinz Harry einander vorgestellt haben. Eine kollektive Vaterkomplexverarbeitung ist ins Werk gesetzt worden.
Rache: Harrys Buch ist auch ein bewusster Aufschrei gegen die Zwänge und Rituale einer uralten Institution. Das Königshaus an sich wird an den Pranger gestellt, Harry wähnt sich als eine Art Revolutionär. Wenn er latenten Rassismus beklagt oder nur beschreibt, wie die böse Stiefmutter Camilla die Presse auf ihn hetzte - seine Kritik hat eine politische Dimension. Der Hof sei intrigant, rücksichtslos, äußerlich und verlogen. Die Vorwürfe von Harry sind brutal - doch dürften sie ein Körnchen Wahrheit enthalten. Die höfische Welt der Zwänge, Rituale und kalkulierten Medienarbeit müsste nach Harrys Sicht der Dinge reformiert werden, sonst werde es nach seiner Mutter Diana noch andere Opfer geben. Kommentatoren zufolge könnte das Buch die Monarchie tatsächlich in eine Krise stürzen. Denn Harrys Attacken kommen genau nach dem Tod von Königin Elizabeth und vor der Thronbesteigung von Charles. Der Zeitpunkt ist politisch denkbar heikel gewählt. Die Londoner "Times" bezeichnet die Memoiren bereits als "vernichtend".
Meghan: Als eigentliche Hauptursache des Konflikts wähnen viele Beobachter in Großbritannien Herzogin Meghan. Harry selbst wirft seiner Familie vor, die Royals seien "mitschuldig" an den "Schmerzen und Leiden", die Meghan zugefügt worden seien und vergleicht seine Familie sogar mit "Missbrauchstätern". Gegen Meghan habe es "eine Menge Stereotypen" gegeben. Die Gründe dafür seien gewesen, dass die Herzogin eine "amerikanische Schauspielerin, geschieden, gemischtrassig" sei. Meghan und die Royals seien "fast von Anfang an nicht miteinander ausgekommen". Der Palast habe sie im Laufe der Zeit zum Sündenbock gemacht und die Presse auf sie gehetzt. Umgekehrt glauben viele Briten, dass Meghan den Konflikt aus Eitelkeit und Geltungssucht selbst ausgelöst habe. In Umfragen ist ihre Beliebtheit auf miserable Negativwerte abgesackt, die britische Presse zeichnet ein Bild einer berechnenden Schauspielerin, die die Rolle ihres Lebens gefunden und ihren Mann Harry als Statisten seiner eigenen Tragödie auftreten lasse.
Tatsächlich haben Prinz Harry und Herzogin Meghan jüngst einen "bedeutenden Vertrag" mit Netflix bekannt gegeben, in dessen Rahmen sie eine Vielzahl von Originalinhalten wie Dokumentationen, Filme, Serien und Kinderprogramme produzieren werden. Der Vertrag wurde in Zusammenarbeit mit ihrem Unternehmen Archewell Productions geschlossen. Meghan will aus Archewell ein größeres Medienunternehmen formen, das Bewegtbildinhalte, Audio - und Live-Formate vermarktet.
RTL und ntv haben sich die Senderechte am 72-minütigen Interview mit Prinz Harry vom britischen Sender ITV gesichert. Das Gespräch wird heute noch einmal in voller Länge bei ntv in einem "News Spezial: Harry - Das Interview" um 23.30 Uhr zu sehen sein.
Mit Archewell Productions will sie offiziell "Inhalte schaffen, die informieren, aber auch Hoffnung geben". In einer offiziellen Erklärung teilen Harry und Meghan mit: "Als frischgebackene Eltern ist es uns auch wichtig, inspirierende Familienprogramme zu machen." Sie fügen hinzu, die "beispiellose Reichweite" von Netflix werde ihnen helfen, "wirkungsvolle Inhalte zu teilen, die zum Handeln anregen". Insofern ist das Medienspektakel auch der Beginn einer neuen Karriere.
Quelle: ntv.de