Moment, sind das etwa Muslime? Drecksarbeit für Merz: Israel sprengt die AfD


Wie lange wird sich Ayatollah Chamenei noch halten?
(Foto: IMAGO/APAimages)
Der Nahe Osten spaltet die rechtsextreme Bundespartei: Den einen ist der Krieg des Judenstaats nicht geheuer, die anderen haben zu viel Angst vor Muslimen. Der Rest Deutschlands büffelt derweil Völkerrecht.
Israel schickt sich seit einer Woche an, das iranische Atomwaffenprogramm und, wo man dabei ist, das iranische Regime aus dem Land zu fegen. Es schafft dabei das Unmögliche: Auf einmal interessiert sich ganz Deutschland und sogar der Boulevard für das Schicksal des Völkerrechts.
"Völkerrecht existiert nicht", das sei nur "ein vollkommen wertloser Zettel", so scheibt es der frühere "Bild"-Chef Julian Reichelt ins Internet, heute leitet er "Nius". Das sehen freilich nicht alle so: Geradezu triumphal reichten Kommentatoren in den ersten Stunden nach dem Angriff Israels völkerrechtliche Verortungen herum.
Ha, "klar völkerrechtswidrig", zitierten sie den Juraprofessor Kai Ambos, ha, der israelische Angriff auf den Iran stelle "den geradezu klassischen Fall eines verbotenen Präventivschlags dar", zitieren andere Ambos' Kollegen Matthias Goldmann.
Ventil Völkerrecht
Der kriegszittrige Deutsche braucht eben ein Ventil, wenn ihn die Härten der Außenpolitik zu einem Standpunkt nötigen. Das Völkerrecht ist eines dieser Ventile. Da ist dann auch die berüchtigte Atomangst der Deutschen wie weggeweht: Israel müsse schon noch ein bisschen warten, bis nach juristischen Maßstäben ein "Angriff" vorliege, heißt es kühl. Offenbar muss die Bombe also schon in der Luft sein.
Die Debatte verläuft mit einer Scheinklarheit, als ginge es um die zivilrechtliche Befugnis eines Nachbarn, überhängende Apfelbaumzweige zu beschneiden. Völkerrecht ist aber ein Stück weit Politik in Roben und diffuser als das deutsche BGB. Es gibt durchaus flexiblere Stimmen, die das Vorgehen Israels als gerechtfertigt sehen, angesichts eines konstant mit der Vernichtung drohenden Nachbarn und der Schwierigkeit, aus Bergregionen abgeschossene Atomraketen halbwegs sicher abzuwehren. Diese Stimmen sitzen nur überwiegend nicht in Europa.
Bestimmt wären hier alle sehr betroffen, wenn wegen einer kleinen Fehleinschätzung auf einmal doch Teile Tel Avivs verdampften. Nach Schätzungen würde das immerhin 80.000 Seelen kosten. Logo: Wir sind hier bei der Ermordung von Juden ganz andere Zahlen gewohnt! Aber, falls das bei den einen oder anderen Wortführern doch den entscheidenden Unterschied machen sollte: Es würden nicht allein Juden, sondern auch etwa 20 Prozent arabische Israelis sterben.
Wieseln ist jetzt angesagt
Manchmal ist das Recht ein bisschen überfordert. Juristen kennen etwa die Konstellation des "Haustyrannenmords". Hier erschießt eine über Jahre schwer misshandelte und gedemütigte Ehefrau schließlich ihren Gatten mit dessen Revolver. Das Recht rechnet hier unerbittlich einen Mord aus und das heißt lebenslang in den Knast - eigentlich.
Doch der Mensch findet das schier unerträglich. Und so wieselt sich die Justiz mit reichlich undogmatischen Klimmzügen aus dem misslichen Ergebnis heraus. Und Wieseln ist auch jetzt angesagt.
Denn mit dem Völkerrecht ist es wie mit Unterhosen: Lieber ausgeleiert als ganz ohne. Wenn das Völkerrecht nicht in der Lage ist, Israel die Entwaffnung eines notorisch und ungebremst aggressiven Nachbarn zu ermöglichen und diesem ein absolutes Vernichtungswerkzeug aus der Hand zu schlagen, landen wir womöglich doch bei der Reichelt-Doktrin: Dann könnte aus dem Völkerrecht irgendwann ein wertloser Zettel werden.
Er hat "Drecksarbeit" gesagt
Das zweite Ventil, das sich die deutsche Öffentlichkeit gerade sucht, ist übrigens die Tonfallaufsicht: Der Kanzler hat nämlich den Angriff als "Drecksarbeit" bezeichnet, die Israel nun für uns erledige. Ob Regierungssprecher Stefan Kornelius sich da wohl spontan ein Glas Wasser ins Gesicht kippen musste?
"Drecksarbeit", das klingt schließlich nach Menschenverachtung und tatsächlich hat jemand das Wort im Ausspruch eines SS-Sturmbannführers über das Massaker in Babi Jar aufgespürt. Da ging es darum, dass die SS für die Wehrmacht die "Drecksarbeit" verrichte. Hm. Das wäre anderen Kanzlern (m/w) nicht passiert.
Andererseits: So schlimm läuft der Lapsus gar nicht für Merz. Endlich Klartext statt Sprechblasen, freuen sich manche Kommentatoren. Das Motto "Einfach mal machen!" statt Paragrafen zu reiten, liegt in der Union ja ohnehin gerade im Trend. Die bunkerbrechende Bombe ist so gesehen auch ein Beitrag zum Bürokratieabbau.
Moment mal, sind das etwa Muslime?
Es geht aber nicht nur um die Gefahr, die vom Mullah-Regime und seinen terroristischen Verästelungen auf den Westen und der unterdrückten iranischen Bevölkerung ausgeht. Die Israelis sprengen ganz nebenbei auch die deutsche AfD, ein bisschen jedenfalls.
Dort wird man sich nämlich auf einmal nicht mehr einig beim Thema Nahost. Die "Pazifisten" sind in der blauen Partei stark, wobei "Pazifismus" hier meint, dass man die Aggression Wladimir Putins bei russischem Zupfkuchen durchdiskutieren möchte. Von Russland-Nähe ist der Schritt zu Solidarität mit Ali Chamenei nicht weit.
Manchen Parteigranden fiel dann aber ein schwieriges Detail ins Auge: Moment mal, sind das da unten etwa Muslime? Eine kurze Internetrecherche später erklärt Beatrix von Storch bei Nius: "Wir wollen keine nuklear bewaffnete islamische Welt".
Friedrich Merz hat womöglich recht: Israel macht für uns die Drecksarbeit, in mancherlei Hinsicht.
Quelle: ntv.de