Zweifelverbot vor Schweden-Spiel Löw beschwört "unsere wichtigsten Waffen"
22.06.2018, 18:43 Uhr
Den Biss des Bundestrainers braucht die deutsche Elf in ihrem Knockout-Spiel gegen Schweden.
(Foto: imago/Michael Weber)
Er posiert am Laternenpfahl, er joggt - und nun spricht Joachim Löw wieder. Über die WM, Schweden und eine deutsche Mannschaft, die er zur Leidenschaft mahnt. Allerdings fordert der Bundestrainer auch, dass sie schlauer spielt.
Da saß er also und sprach wie es die Fifa befahl. Und zum Schluss beugte sich Joachim Löw über das Mikrofon auf dem Tisch vor ihm und sagte: "Die Spieler haben im Training eine Reaktion gezeigt. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Was zählt, das ist morgen." Dann flüsterte er: "Ich bin mir sicher, dass es eine Reaktion geben wird." Ende der Durchsage. Seit dem Fiasco Mexicano hatte sich der Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr öffentlich geäußert und lediglich für Fotos an der Strandpromenade von Sotschi an einem Laternenpfahl posiert und beim Joggen mit Sonnenbrille. Auch das sollte eine Botschaft sein: Seht her, ich bin so was von entspannt.
Voraussichtliche Aufstellungen
Deutschland: Neuer - Kimmich, Boateng, Süle, Hector - Khedira, Kroos - Müller, Reus, Draxler - Werner (Gomez); Trainer: Löw.
Schweden: Olsen - Lustig, Lindelöf, Granqvist, Augustinsson - Larsson, Ekdal - Claesson, Forsberg - Berg, Toivonen; Trainer: Andersson.
Schiedsrichter: Marciniak (Polen)
Stadion: Olympiastadion Sotschi
Den Eindruck versuchte er nun auch vor den Journalisten zu vermitteln, als er bei der vom Fußball-Weltverband verordneten Pressekonferenz im Fisht-Stadion erschien. Dabei weiß auch Joachim Löw, dass er sich bei dieser Weltmeisterschaft in Russland in seiner seit 2006 währenden Amtszeit selten in einer schwierigeren Situation befunden hat. Verliert seine Mannschaft am Samstag (ab 20 Uhr in der ARD und im Liveticker bei n-tv.de) gegen Schweden nach dem 0:1 gegen Mexiko auch ihr zweites Spiel in dieser Gruppe F, dann könnte es das mit dieser WM schon gewesen sein. Löw wäre der erste Trainer einer DFB-Elf, die bereits in der Vorrunde scheitert. Ein Horrorszenario. Aber noch eben nur ein Szenario. Erst einmal geht es um den Plan gegen Schweden.
Nun ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass irgendjemand beim amtierenden Weltmeister den kommenden Gegner unterschätzt. Das heißt aber noch nicht, dass es nun zwangsläufig alles besser wird, schließlich sind die Probleme grundsätzlicher Natur. Schwedens Trainer Janne Andersson hatte das fein formuliert: "Die Deutschen haben ganz anders gespielt, als wir sie erwartet haben." Wie also soll der Plan gegen Schweden aussehen? Löw antwortete mit eher grundsätzlichen Ausführungen, die Aufstellung verriet er wie stets nicht, nur dass Innenverteidiger Mats Hummels wohl ausfällt. Er habe sich den Halswirbel verrenkt. Gegen die Schweden, und nicht nur gegen die, laute das Rezept: "Unsere zwei wichtigsten Waffen sind Energie und Körpersprache." Das Turnier habe gezeigt: "Das ist die WM der Hingabe, die WM der absoluten Leidenschaft."
"Müssen keine Zweifel an unserer Spielweise haben"

Thomas Müller und seine Teamkollegen wollen nach "Fiasko Mexicana" gegen Schweden etwas gutmachen.
(Foto: REUTERS)
Die Lehrmeinung innerhalb des DFB-Kosmos lautet, dass es nicht an der Qualität der Mannschaft liege. "Wir haben ja die Fähigkeiten, wir müssen sie wieder ordnen und abrufen", hatte Manager Oliver Bierhoff in dieser Woche gesagt und gefordert: "Wir müssen jetzt einen guten Mix zwischen Fokussierung und Angespanntheit finden. Und Offensivspieler Müller, der gegen Mexiko auf der linken Seite enttäuschte, hatte eingeräumt, dass er und seine Kollegen gedacht hatten "dass wir, wenn das Turnier losgeht, mit einer gewissen Frische und unserer gewohnten Stärke auf dem Platz stehen. Das haben wir falsch eingeschätzt". Irgendwie hatten sie geglaubt, es ginge von selbst.
Da war es Löw wichtig, selbst noch einmal zu betonen: "Es ändert sich in unserer Spielweise nicht viel, nichts Entscheidendes. Vielleicht im Detail, aber nichts Grundlegendes." Und als sei das nicht deutlich genug, fasst er noch einmal zusammen: "Wir müssen keine Zweifel an unserer Spielweise haben." Die Niederlage gegen Mexiko habe gezeigt, dass es "um die Laufwege, vor allen um die in die Spitze" gehe. Das gelte für alle, deshalb wolle er auch keinen Spieler herausgreifen. Im ersten Spiel habe das nicht ansatzweise funktioniert. Eigentlich habe nichts geklappt. "Die Raumaufteilung in der Offensive war schlecht, jeder wollte irgendwo mitmischen. Und wir standen auch hinten in leeren Räumen. Da hat es in allen Mannschaftsteilen nicht gestimmt." Dabei betonte Löw, dass sein Team ja gewohnt sei, gegen Gegner zu spielen, die ihr Heil in der Abwehr suchen. "Das einzige, was uns überrascht hat, war, dass Mexiko nicht hoch angegriffen hat." Es hat aber gereicht - obwohl diese Spielweise seiner kombinationsstarken Elf ja eigentlich hätte entgegenkommen müssen.
Die Frage ist nur, warum der Bundestrainer und seine verkabelten Assistenten nicht schon während des Spiels eingegriffen hatten, als sie sahen, was alle sahen: dass seine Mannschaft offensichtlich nicht in der Lage ist, sich auf dem Platz selbst zu korrigieren. Dass die Mexikaner die Deutschen aber überhaupt derart überraschen konnten, überrascht immer noch. Die deutschen Spieler waren darüber informiert worden, dass der Gegner früh angreift und aggressiv presst. Tat er aber nicht, sondern zog sich zurück und konterte schnell. Die DFB-Elf geriet in Panik und machte Fehler. Löw aber schwieg und ließ sein Team ins Verderben rennen. Müller hatte die "die Krux des Ballbesitzfußballs" so beschrieben: Seine Mannschaft habe nicht geschafft, "so kontrolliert aus der Defensive aufzubauen, dass man selber Chancen kreiert, aber gleichzeitig so gut zugeordnet ist, dass man beim gegnerischen Konter besser steht".
Zumindest hat auch der Bundestrainer erkannt, dass es natürlich darum gehe, diese schnellen Gegenstöße zu vermeiden. Auch und gerade gegen Schweden, denen nicht nur er eine defensive Spielweise zuschreibt. "Sie verteidigen super, das machen sie gerne. Wir brauchen nicht zu glauben, dass es reicht, ein paar hohe Bälle in den Strafraum zu schlagen. Da sagen die Schweden: vielen Dank!" Aber wie erwähnt, das sei "keine ungewohnte Situation". Aber, so viel Selbstironie ließ Löw dann doch zu: "Vielleicht überraschen auch sie uns." Und am Ende wird es morgen am Schwarzen Meer auch bei dieser WM so sein, wie es immer ist: Was zählt, ist auf dem Platz.
Quelle: ntv.de