Banner entrollt Aktivisten wollen BER-Eröffnung stören
31.10.2020, 14:21 Uhr
Die Polizei ließ die Aktivisten zunächst gewähren, holte sie dann aber vom Dach.
(Foto: REUTERS)
Mit neun Jahren Verzug wird der neue Hauptstadtflughafen bei Berlin eröffnet. Doch Klimaaktivisten wollen die Feierlichkeiten stören. Einigen gelingt es, das Dach des Eingangsgebäudes zu erklimmen. Die Airline Easyjet zeigt sich dagegen erleichtert nach all den Jahren.
Mehrere Klimaaktivisten sind am Vormittag auf das Dach eines BER-Eingangsgebäudes geklettert und haben sich von dort abgeseilt. Einer von ihnen entrollte schließlich ein Banner mit einem Protestspruch gegen die Eröffnung des Flughafens: "Flieger stoppen statt Klima schrotten". Ein anderer Aktivist ließ sich lediglich per Seil vom Dach ab.
Polizeibeamte ließen sie zunächst gewähren, holten sie aber nach rund einer Stunde mit einem Kletterteam herunter. Zwei weitere Personen, die ebenfalls auf das Dach gestiegen waren, seien bereits gleich zu Beginn der Aktion abgeführt worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Beamten hätten die Personalien aufgenommen und die Aktivisten anschließend ziehen lassen. Sie erwarte nun eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs. Der Flughafen wird am Samstag mit neun Jahren Verzug eröffnet. Ursprünglich sollte er am 30. Oktober 2011 an den Start gehen.
Die Eröffnung wird begleitet von Protesten mehrerer Umweltorganisationen und Klimaschutz-Initiativen wie Fridays for Future. Das Bündnis "Am Boden bleiben" organisierte zudem zwei Demonstrations-Züge per Fahrrad und zu Fuß, vom Platz der Luftbrücke und vom alten Flughafen Schönefeld. Die Polizei hatte angekündigt, sie werde mit einem Großaufgebot vor Ort sein, um die Sicherheit der Eröffnungsveranstaltung zu gewährleisten.
Dutzende Klimaaktivisten von "Am Boden bleiben" protestierten als Pinguine verkleidet gegen die Eröffnung. Die Mitglieder zogen vom Willy-Brandt-Platz bis zum Eingang des neuen Terminal 1 und skandierten "Was wollen wir? Klimagerechtigkeit! Wann wollen wir sie? Jetzt!" Direkt vor dem Eingang bildeten sie mit großen, würfelförmigen Luftballons die Buchstabenreihe «#NO BER». Zeitgleich blockierte eine zweite Gruppe ein Stockwerk tiefer im Terminal 1 die Treppen. Mehrere Dutzend als Pinguine verkleidete Mitglieder legten oder setzten sich dort auf den Boden. Andere gruppierten sich um sie herum und hielten Transparente hoch, auf denen unter anderem zu lesen war: "Coole Vögel bleiben am Boden".
"Unser Ziel ist, den Flughafen lahmzulegen und die Eröffnung massiv zu stören", sagte Lena Tucnak, eine der Sprecherinnen des Bündnisses. "Es kann nicht sein, dass in Zeiten der Klimakrise ein neuer Riesenflughafen eröffnet wird." Der Flugverkehr müsse insgesamt deutlich verringert werden. "Wir sind dafür, Inlandsflüge einzustellen und Regionalflughäfen zu schließen", so Tucnak. Nötig sei eine gesellschaftliche Diskussion darüber, welche Flüge noch nötig seien und welche nicht.
"Berlin verdient Flughafen dieser Statur"
BER-Großkunde Easyjet zeigte sich dagegen erleichtert über die Eröffnung. "Berlin ist eine unserer wichtigsten Basen und verdient einen Flughafen dieser Statur", sagte Vorstandschef Johan Lundgren der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor dem Erstflug zum neuen Terminal. "Nach so vielen Jahren ist es großartig, dass der BER nun Realität wird." Easyjet habe sich jahrelang vorbereitet, die Zusammenlegung der Teams aus Tegel und Schönefeld an einem Standort bringe viele Vorteile. "Es wird effizienter für uns. Und der BER bietet ein erheblich verbessertes Kundenerlebnis."
Easyjet wurde hart von der Corona-Krise getroffen und hat angekündigt, seine Flotte in Berlin nahezu zu halbieren. 418 der rund 1500 Arbeitsplätze fallen weg, weitere 320 sind erst mal nur bis zum kommenden Sommer gesichert. "Es hängt alles von der Nachfrage ab", sagte Lundgren zu den Aussichten der Beschäftigten. "Wir denken, dass wir in etwa 2023 die Passagierzahlen von 2019 sehen werden."
Lufthansa-Chef Carsten Spohr sprach von einem "historischen Tag". "Ich kann's noch gar nicht ganz glauben", scherzte er in München kurz vor dem Start des Lufthansa-Sonderflugs zur Eröffnung nach Berlin. Die Lufthansa sei in Berlin gegründet worden und freue sich, dass es dort nun einen Flughafen gebe, der "unserem Land auch gerecht wird".
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte derweil vor einer Überdramatisierung der finanziellen Probleme des neuen Hauptstadtflughafens. "Es ist nicht überraschend, dass in einer so tiefen wirtschaftlichen Krise der Flughafen BER Verluste macht, das geht fast allen anderen Flughäfen auch so", sagte er dem "Handelsblatt". Es gebe keinen Grund, an der Zukunftsfähigkeit des BER zu zweifeln. Vor allem Grüne und FDP äußern immer wieder Befürchtungen, die Verluste der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) könnten zu jahrelangen Kosten für die Eigentümer - den Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg - führen.
Für die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK), Beatrice Kramm, ist die Eröffnung des BER an diesem Samstag ein "historischer Tag für die gesamte Metropolregion". Zu den Fehlern der Vergangenheit sei alles gesagt. "Jetzt heißt es nach vorne zu blicken und den Flughafen zum Erfolg zu führen."
Quelle: ntv.de, mli/dpa