Konzept "lange überfällig" China-Strategie nimmt Unternehmen in die Pflicht
13.07.2023, 16:21 Uhr Artikel anhören
Die Bundesregierung legt erstmals eine neue China-Strategie vor. Die Unternehmen müssen nun verstärkt darauf achten, ihre Risiken bei Investitionen in Asien zu minimieren. Wirtschaftsverbände reagieren positiv auf die neue Strategie - auch wenn es manchen nicht weit genug geht.
Wirtschaftsverbände haben die China-Strategie der Bundesregierung begrüßt. Die umfassenden Leitlinien im Umgang mit der Volksrepublik seien "lange überfällig", erklärte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Wichtig sei, dass es nicht um Abkopplung, sondern Minimierung der Risiken gehe, betonte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mahnte ein "konkretes Konzept" an, wie dieses "De-Risking" funktionieren soll.
Das Strategiepapier zum Umgang mit China berührt sicherheitspolitische Fragen ebenso wie Fragen der Wirtschaftsbeziehungen und des Wissenschaftsaustauschs. Ausdrücklich benennt es Differenzen, etwa im Umgang mit Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten. Ein wichtiger Punkt ist die Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China.
Mit der Veröffentlichung beende die Bundesregierung "endlich eine lange Hängepartie", erklärte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK), Peter Adrian. Eine De-Risking-Strategie sei ein zutreffender Ansatz: "In der Wirtschaft gehört es schon seit langem zu einer erfolgreichen Unternehmensführung, sich nicht zu abhängig von einzelnen Handelspartnern zu machen, vorhandene Chancen aber gleichwohl beherzt zu ergreifen."
BDI betont Kooperation mit China
BDI-Präsident Siegfried Russwurm lobte, die Strategie adressiere geopolitische Risiken, betone aber gleichzeitig Deutschlands Interesse an substanziellen Wirtschaftsbeziehungen und an Kooperationen mit China zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie etwa des Klimawandels. Zu Recht lege die Bundesregierung einen deutlichen strategischen Fokus auf eine stärkere Diversifizierung von Absatz- und Beschaffungsmärkten.
"Es ist richtig, Lieferketten auf den Prüfstand zu stellen", erklärte auch BGA-Präsident Dirk Jandura. Das Engagement im chinesischen Markt, die wirtschaftliche Partnerschaft, aber auch gegenseitige Abhängigkeiten seien nicht selbstverständlich. "Nichts ist alternativlos."
BDI-Präsident Russwurm betonte zugleich, die Volksrepublik bleibe als zweitgrößter Markt der Welt ein "absolut zentraler Wirtschaftspartner". Bei der konkreten Ausgestaltung einiger Maßnahmen bestehe aus Sicht der Industrie daher noch Diskussionsbedarf, etwa bei Instrumenten zur Kontrolle deutscher Investitionen im Ausland.
De-Risking und Diversifizierung
Ein "De-Risking", also die Erschließung neuer Absatz-, Bezugs- oder Investitionsmärkte, bedeute Kosten für die international aufgestellte deutsche Wirtschaft und geschehe nicht einfach von heute auf morgen, erläuterte DIHK-Chef Adrian. Fast jedes dritte Unternehmen sehe es als große Herausforderung, geeignete Absatz- und Beschaffungsmärkte zu identifizieren. Fast jedes zweite habe zudem erhebliche Probleme, passende Lieferanten zu finden.
Das IW erklärte, De-Risking und Diversifizierung seien primär Aufgabe der Unternehmen. "Aber auch die Politik hat hier eine wichtige Rolle." Vor allem Rohstoffpartnerschaften und Freihandelsabkommen sollten den Unternehmen die Diversifizierung erleichtern, schlug das Institut vor.
Das Konzept des De-Risking bleibe dabei allerdings zu vage: Es brauche eine klare Identifikation wirklich kritischer Abhängigkeiten. "Auf dieser Basis sollte die Bundesregierung ein regelmäßiges Monitoring aufbauen, ob es mit dem De-Risking vorangeht."
Baerbock macht Unternehmen verantwortlich
Auch die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte die Rolle der Unternehmen in der neuen China-Strategie. Die Bundesregierung will die Wirtschaft stärker in die Pflicht nehmen. Jene Unternehmen, "die sich in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig machen", müssten "in Zukunft das finanzielle Risiko verstärkt selbst tragen", sagte Baerbock. Zur neuen Strategie gehöre, "dass die Verantwortlichkeiten für riskante unternehmerische Entscheidungen klar bleiben".
Es werde auf Dauer nicht funktionieren, wenn Unternehmen "in guten Zeiten auf die unsichtbare Hand des Marktes vertrauen und in schwierigen Zeiten, in Krisenzeiten nach dem starken Arm des Staates verlangen", sagte Baerbock in einer Rede vor dem auf China-Studien spezialisierten Merics-Institut in Berlin.
Quelle: ntv.de, cls/AFP