SEC genehmigt erste Bitcoin-ETFs "Das ist der letzte Ritterschlag für den Bitcoin"
11.01.2024, 19:33 Uhr Artikel anhören
Die Kryptobörse Bitpanda erwartet, dass der Bitcoin dieses Jahr die 100.000-Dollar-Marke knacken wird.
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Die Märkte spekulieren bereits seit Wochen, dass eine Erlaubnis der SEC für einen Bitcoin-Indexfonds bevorstehen könnte. Jetzt ist es so weit: Anlegerinnen und Anleger können ab diesem Donnerstag erstmals in sogenannte Bitcoin-Indexfonds investieren, die den Kurs der Kryptowährung abbilden. Die US-Börsenaufsicht gab hierfür nach langem Widerstand grünes Licht. Die Kryptoszene feiert den Schritt als Meilenstein und "letzten Ritterschlag" für die Digitalwährung. Der Bitcoin habe dafür "nur" 14 Jahre gebraucht, seit dem Start von Block 1 der Bitcoin-Blockchain, kommentiert der Finanzanalyst und Kryptoexperte Markus Miller den Schritt im Gespräch mit ntv.de. Gold habe dafür 5000 Jahre gebraucht. Was ändert sich jetzt konkret? Was bedeutet das für Anleger in Europa? Und wir wird der Bitcoin-Kurs reagieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was ändert sich konkret?
Die US-Börsenaufsicht hat mit ihrer Genehmigung von sogenannten Bitcoin Spot ETFs Anlegerinnen und Anlegern in den USA die Möglichkeit gegeben, in die Kryptowährung zu investieren, ohne dass sie diese selbst direkt kaufen müssen. Die Anleger erhalten statt Bitcoins ein Wertpapier, das den Anspruch darauf bescheinigt. Die Börsenaufsicht hatte sich lange beharrlich dagegen gewehrt, einfachere Anlageprodukte wie Bitcoin-ETFs zuzulassen. Diese Haltung musste die Behörde nach einem Gerichtsurteil im Oktober nun ändern, weil sie ihren Widerstand gegen einen ETF der auf Kryptowährungen spezialisierten Vermögensverwaltung Grayscale nicht ausreichend begründet hatte. Aus formaler Sicht stehe ETFs nun nichts mehr im Wege, sagte SEC-Chef Gary Gensler in der Nacht. Gleichzeitig betonte er aber einmal mehr, dass er Kryptowährungen immer noch skeptisch gegenüberstehe.
Die SEC hatte im Jahr 2021 bereits ETFs auf Bitcoin-Zukunftskontrakte zugelassen, dafür mussten Anleger aber weiterhin ein Konto auf einer Kryptowährungsplattform eröffnen und Zentralbankgeld in digitales Geld umtauschen. Bei den Papieren handelte es sich also um Finanzderivate oder Schuldverschreibungen, nicht aber um echte physisch-basierte Bitcoins. Bei den neuen ETFs ist das der Fall. Sie sind in einem Wallet, einer digitalen Geldbörse, hinterlegt und werden bei einer Krypto-Verwahrungsstelle durch die ETF-Anbieter aufbewahrt. Insgesamt bewilligte die SEC elf Bitcoin-ETFs, unter anderem von den großen Investmentgesellschaften Fidelity und Blackrock.
Wird es in Europa auch Bitcoin ETFs geben?
In der Europäischen Union gibt es keine ETFs auf den Bitcoin, und voraussichtlich wird es in Zukunft auch keine geben. Hintergrund sind die unterschiedlichen Regularien, die für die Finanzmärkte in der EU und den USA gelten. Die EU untersagt ETFs, die auf eine einzige Anlageklasse aufgelegt sind. Es müssen immer mehrere sein. Deswegen gibt es auch in Europa keinen ETF auf Gold. Ein Rohstoff-ETF beinhaltet mehrere Rohstoffe. Um ETFs auf einzelne Assets aufzulegen, müssten demnach die Gesetze geändert werden.
Trotzdem ist Europa bei der Regulierung von Kryptowährungen weiter als die USA. Hier gibt es bereits seit einigen Jahren andere Finanzprodukte auf den Bitcoin. Eines der ersten war ein Zertifikat von Vontobel auf den Bitcoin. Mittlerweile gibt es auch noch die Exchange Trade Notes und ETPs Exchange Trade Products. Hierbei handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen auf den Bitcoin. Außerdem gibt es die sogenannte MiCA-Verordnung, mit der die EU konkrete Regelungen für bestimmte Krytpo-Werte und Dienstleister eingeführt hat. Der Bitcoin sei als Wirtschaftsgut klassifiziert und auch die steuerrechtliche Seite sei klar geregelt, sagt Krypto-Experte Miller. "Das alles schafft Rechtssicherheit".
Ist der Handel mit Bitcoins jetzt sicherer?
SEC-Chef Gensler selbst wies in der Nacht darauf hin, dass die Genehmigung der Indexfonds für Anlegerinnen und Anleger wichtige Schutzmechanismen mit sich bringe - so etwa eine Offenlegungspflicht. Die neuen Anlageprodukte unterlägen "Regeln, die Betrug und Manipulation verhindern sollen", betonte er. Vor allem die Pleite der zweitgrößten Kryptobörse FTX Ende 2022 hatte für eine tiefe Vertrauenskrise gesorgt. Kunden warten teils heute noch auf Zugang zu ihrem Geld. Die ETF-Anbieter müssen die Bitcoins getrennt vom Vermögen der Investmentgesellschaft aufbewahren. Die Bitcoin-ETFs sind somit "geschützte Sondervermögen". Mit anderen Worten: Bei einer Pleite des Anbieters ist der ETF, wie bei Investmentfonds auch, außen vor. Die Anleger gehen also nicht ins Haftungsrisiko.
Sicherheit wird auch bei der Verwahrung der Bitcoin großgeschrieben. Bei Blackrock beispielsweise werden die Bitcoins bei der Kryptobörse Coinbase aufbewahrt. Bei Blackrock im "Cold Storage", also nicht in Wallets, die mit dem Internet verbunden sind. Eine absolute Sicherheit gebe es nicht, aber die rechtliche und technologische Sicherheit von ETF Spot Investments in den USA sei immerhin in hohem Maße gewährleistet. Die größte Volkswirtschaft der Welt ziehe somit in Sachen Rechtssicherheit nun endlich nach, so Miller. Dass institutionelle Anleger und auch Privatanleger nicht mehr bei irgendwelchen dubiosen Kryptobörsen auf den Seychellen, in Hongkong, in Dubai oder in der Karibik kaufen müssen, sei ein Fortschritt.
Dass der SEC-Chef trotzdem zur Vorsicht gemahnt hat, schreibt der Krypto-Experte der Tatsache zu, dass Gensler sein Gesicht wahren musste. "Der Chef der US-Wertpapieraufsichtsbehörde schießt jetzt seit Jahren gegen eine Anlageklasse und pocht auf Regularien, die aus den 30er, 40er Jahren stammen. Und jetzt gibt es mehrere Gerichtsurteile, die sagen: Nein, so geht das nicht. Das ist peinlich." Grundsätzlich empfiehlt er, dass Anleger unbedingt bei regulierten Kryptobörsen investieren, die in ihrem Heimatland lizenziert sind. Hierzulande biete sich da Bison von der Börse Stuttgart, Coinbase oder Bitpanda an. Alle drei haben eine Bafin-Lizenz.
Ist der Bitcoin damit offiziell raus aus der "Schmuddelecke"?
Auch wenn SEC-Chef Gary Gensler weiterhin warnt, dass Bitcoin "in erster Linie ein spekulativer, volatiler Vermögenswert" sei, der auch "für illegale Aktivitäten wie Geldwäsche, die Umgehung von Sanktionen und Terrorismusfinanzierung genutzt wird", feiern die meisten Krypto-Fans. Die Rede ist von einer Meilenstein-Enscheidung, die die Branche verändern wird, weil von nun an langfristig orientiertes Kapital in klassische Finanzprodukte investiert werde. Markus Miller, Gründer des Infoportals KRYPTO-X.BIZ, bezeichnet die Entscheidung der SEC als den "letzten Ritterschlag". Raus aus der "Schmuddelecke" sei der Bitcoin schon lange. Aber jetzt sei der "Bitcoin im Mainstream, in der Finanzwirtschaft und vor allem auch in der Hochfinanz angekommen". Vor allem das Tempo sei beispiellos: "Gold hat eine Historie von 5000 Jahren in der Anlagewelt oder in der erweiterten Geldwelt. Aber erst im Jahr 2004 wurde der erste Gold ETF aufgelegt."
Euphorisch äußert sich auch die Kryptobörse Bitpanda. Die Zulassung der Bitcoin Spot ETFs werde "die Massenakzeptanz von Krypto-Assets in den USA weiter fördern", kommentiert die Börse, die eine Bafin-Zulassung hat. "Anleger sind möglicherweise eher bereit, in Bitcoin zu investieren, wenn sie über Anlageprodukte wie ETFs Zugang dazu haben. Dies ist der nächste Schritt in die etablierte Finanzwelt."
Gibt es auch kritische Stimmen?
Ja. Die deutsche Verbraucherzentrale beispielsweise warnte zuletzt im November: Bitcoin seien aufgrund der Risiken - von starken Kursschwankungen bis zum Totalverlust - als Geldanlage nicht zu empfehlen. Obwohl Bitcoin-ETFs wahrscheinlich eine große Nachfrage bei den Anlegern erzeugen dürften, "sollte man manchmal vorsichtig sein, was man sich wünscht", warnt auch Laith Khalaf, Leiter der Investmentanalyse bei AJ Bell. Der Bitcoin habe Skandale und eine enorme Volatilität hinter sich und Krytpowährungen "eröffneten den Investoren definitiv das Risiko sehr hoher Verluste". Kritik gibt es in der Kryptoszene auch noch aus einem ganz anderen Grund: Der Bitcoin war einst als Gegenreaktion auf die Finanzkrise entstanden, für die Fehlsteuerungen in der Politik sowie traditionelle Geldhäuser verantwortlich waren. Der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto agierende Bitcoin-Gründer wollte mit seinem Gegenentwurf vermeiden, dass Banken und Vermögensverwalter am Wertaufbau mitverdienen. Das tun sie jetzt aber. Die Finanzhäuser verlangen für ihre ETFs Gebühren. Bei Blackrock sind das 0,25 Prozent der Investitionssumme im Jahr.
Können die ETFs dazu beitragen, illegalen Geldtransaktionen einen Riegel vorzuschieben?
Der Vorwurf, Kryptowährungen dienten vor allem Kriminellen und ihren illegalen Machenschaften, hält Miller grundsätzlich für einen Mythos. Das Gegenteil sei der Fall. "Wenn Sie heute bei einer Kryptobörse in Österreich oder in Deutschland ein Konto aufmachen, dann müssen Sie sich legitimieren und Ihren Ausweis hochladen. Wenn Sie Ein- oder Auszahlungen tätigen, müssen Sie Herkunftsnachweise erbringen. Alles wird kontrolliert." Jede Regulierung und somit auch die ETFs führen nach seiner Meinung deshalb dazu, dass die Herkunft von Kryptowährungen noch klarer nachvollziehbar sind.
Wird der Bitcoin-Kurs jetzt explodieren?
Der Kurs schwankt sehr stark, und Prognosen für den weiteren Verlauf sind schwierig. Bitpanda erwartet trotzdem, dass der Bitcoin dieses Jahr die 100.000-Dollar-Marke knacken wird. Rückenwind könnte vor allem daher kommen, dass börsengehandelte Indexfonds seit der Jahrtausendwende eine äußerst beliebte Anlageform sind. Ende 2022 steckten nach Angaben der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman weltweit rund 6,7 Billionen Dollar (6,1 Billionen Euro) in ETF.
Die Bedeutung der ETF-Zulassung für den weiteren Kurs kann man auch an der Kurve der vergangenen Monate ablesen. Allein die Aussicht auf eine Zulassung des Bitcoin-ETFs hatte den Kurs der Kryptowährung in den vergangenen Wochen stark steigen lassen. Anfang Januar hatte die Währung die Marke von 45.000 Dollar geknackt, das war der höchste Stand seit April 2022. Nach Bekanntwerden des SEC-Votums legte der Kurs noch einmal zu, und ein Bitcoin wurde für rund 47.500 Dollar gehandelt. Am Donnerstagnachmittag pendelte sich der Kurs dann erstmal bei rund 47.000 Dollar ein. Es passiere gerade das, was auch an konventionellen Börsen in solchen Fällen zu beobachten sei, wenn Gerüchte sich bewahrheiten, sagt Miller: Der Kurs fällt. Spekulanten gingen jetzt in andere Kryptowährungen, wie Ethereum, in Erwartung, dass es da in Zukunft auch einen ETF geben wird.
Trotzdem sieht auch Miller noch Luft nach oben für den Bitcoin. Die Standard Chartered Bank erwarte bereits bis zu 100 Milliarden US-Dollar an neuen Geldern in diese ETFs über die nächsten Monate. Das sei für die Kursfantasie entscheidend. "Viele Banken, Vermögensverwalter und vermögende Kunden werden erst sukzessive einsteigen, wenn sie von Blackrock oder anderen Vermögensverwaltern oder ihren Banken informiert werden und ihnen vorgeschlagen wird, jetzt auch Bitcoin beizumischen. "Das wird meiner Einschätzung nach mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass wir in Richtung 100.000 US-Dollar beim Bitcoin Kurs gehen werden. Nicht morgen, nicht übermorgen. Aber der Weg ist vorgezeichnet."
Quelle: ntv.de