Achterbahnfahrt zum Börsenstart Debüt von Suse fällt durchwachsen aus
19.05.2021, 13:23 Uhr
Zum Ausgabepreis wurde das Unternehmen mit rund fünf Milliarden Euro bewertet.
Börsengänge haben in Deutschland zwar gerade Hochkonjunktur, Anleger sind zuletzt aber trotzdem vorsichtig. Und so ist auch der Gang auf das Parkett des Linux-Softwareanbieters Suse zuvor genau beobachtet worden. Zum Debüt in Frankfurt liegt der erste Kurs unter dem Angebotspreis.
Die starken Schwankungen an den Kapitalmärkten und die Absage der Emission des Internet-Autohändlers MeinAuto hatten auch beim Nürnberger Linux-Softwareanbieter Suse im Vorfeld für bange Blicke gesorgt. Und das anscheinend nicht ganz unbegründet: Der erste Kurs lag bei 29,50 Euro und damit bereits unter dem Angebotspreis für den Börsengang von 30 Euro je Aktie. Im weiteren Verlauf fingen sich die Papiere etwas und lagen am Vormittag bei 30,30 Euro. Aktuell wird das Papier mit 27,50 Euro um 8,4 Prozent unter dem Emissionspreis gehandelt. Zum Ausgabepreis wurde das Unternehmen mit rund fünf Milliarden Euro bewertet.
Firmenchefin Melissa Di Donato freute sich über den Gang auf das Parkett, mit dem sich Suse auch etwas vom Eigentümer - dem Finanzinvestor EQT aus Schweden - löst: "Es ist ein historischer Tag für Suse." Börsengänge in Deutschland haben gerade Hochkonjunktur, in diesem Jahr wagten den Schritt auf das Parkett schon der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1, der Funkmasten-Betreiber Vantage Towers und die Laborkette Synlab. Trotz der bisher positiven Entwicklung der Unternehmen waren Anleger zuletzt angesichts der starken Schwankungen an den Aktienmärkten vorsichtiger geworden.
Suse verzichtete zwar auf eine Aufstockungsoption, konnte aber auf starke Ankerinvestoren setzen. Allein der US-Investor Capital Research und der Staatsfonds von Singapur, GIC, zeichneten Suse-Papiere für zusammen rund 340 Millionen Euro. Dem 1992 gegründeten Unternehmen fließen durch den Börsengang mehr als eine halbe Milliarde Euro zu, die in den Abbau der rund 1,2 Milliarden Euro hohen Schulden gehen sollen. Der Suse-Eigentümer EQT erhält durch den Börsengang bis zu 570 Millionen Euro. Nach dem Debüt gehören den Schweden, die das Unternehmen 2019 für gut zwei Milliarden Euro übernommen hatten, weiterhin mehr als drei Viertel an Suse.
Di Donato nimmt aber auch weitere Zukäufe ins Visier, um das Wachstum anzukurbeln. Bereits 2020 hatte Suse die kalifornische Rancher Labs übernommen, die eine Open-Source-Plattform für Container-Anwendungen betreibt, die die Datenverarbeitung in der Cloud erleichtern. Suse wolle damit stärker wachsen als der relevante Markt, der bis 2024 um 17 Prozent zulegen soll, erklärte Di Donato.
US-Amerikanerin Di Donato führt Suse an Börse
Die seit rund zwei Jahren amtierende Vorstandschefin Melissa Di Donato sagte in einem früheren Gespräch: "Ich bin scheinbar die erste Frau, die ein großes Unternehmen in Deutschland an die Börse geführt hat. Leider." Um Veränderungen anzustoßen und Frauen zu fördern, strebe sie eine ausgeglichene Besetzung im Aufsichtsrat an und mindestens 30 Prozent Frauen im Management. Für Di Donato ist der Gang auf das Parkett ein Schritt zu mehr Freiheit und gleichzeitig eine "Akquisitionswährung", um künftig auch stärker über Zukäufe wachsen zu können. Die US-Amerikanerin, die in der Vergangenheit für IBM, Salesforce und SAP gearbeitet hat, setzt auf ihr Unternehmen mit rund 2000 Mitarbeitern: Sie zeichnete nach eigenen Angaben Suse-Aktien für mehr als acht Millionen Euro.
Suse hat im abgelaufenen Geschäftsjahr den Umsatz im zweistelligen Prozentbereich auf rund 450 Millionen Dollar gesteigert. Das Unternehmen, dessen Firmenname für "Software und System-Entwicklung" steht, blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Von 2003 bis 2011 gehörte es zu Novell, wurde dann ausgegründet und 2014 von Micro Focus übernommen, die die Firma wiederum an EQT verkaufte.
Laut Di Donato sind Open-Source und Linux inzwischen im "Mainstream" angekommen. Software-Anwendungen, deren Quelltexte wie bei Linux öffentlich zugänglich und nicht durch Patente geschützt sind, sind gut geeignet, um Neuerungen in Zeiten einer sich beschleunigenden Digitalisierung schnell zu umzusetzen.
Quelle: ntv.de, jki/rts