"Das wird äußerst schmerzhaft" Deutsche Versicherer haben Milliarden bei Signa im Feuer
12.12.2023, 15:33 Uhr Artikel anhören
Versicherer waren als alternative Geldquellen zu den Banken vor allem wegen des Regulierungs- und Zinsumfelds gefragt.
(Foto: picture alliance / VIE7143)
Deutsche Versicherungskonzerne, darunter Allianz und Munich Re, könnten wegen des Zusammenbruchs von René Benkos Signa Holding mit Risiken konfrontiert sein. Laut einem Bericht hat die gesamte Branche Signa insgesamt drei Milliarden Euro geliehen. Ein beträchtlicher Teil soll nicht durch Sicherheiten gedeckt sein.
Das Chaos rund um die insolvente Signa Holding hinterlässt Spuren in der Finanzbranche. Wie die "Financial Times" unter Berufung auf Insider berichtet, bekam die Signa-Gruppe nicht nur Kredite von Geldhäusern wie Julius Bär und Unicredit, sondern verließ sich auch in hohem Maße auf Finanzierungen durch mehr als ein halbes Dutzend Versicherer.

(Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
ntv auf Whatsapp - so geht's
Den Whatsapp Broadcast Kanal von ntv.de zu abonnieren ist ganz einfach: Den Einladungslink
https://on.n-tv.de/9/ntvaufwhatsapp
antippen und den Hinweisen folgen. Glocke oben rechts anklicken, um den Kanal zu abonnieren.
Wie aus Dokumenten hervorgeht, die die Zeitung einsehen konnte, steckten Konzerne wie die Munich Re und die Allianz demnach über die Jahre insgesamt drei Milliarden Euro in Immobilienprojekte des heute schwer angeschlagenen Imperiums von René Benko. Brisant: Etwa ein Drittel des Engagements soll nicht durch Sicherheiten gedeckt sein. "Für einige Versicherer wird das äußerst schmerzhaft sein", zitiert das Blatt eine seiner Quellen. Welche Versicherer Darlehen gewährt haben, die nicht ausreichend abgesichert sind, lässt sich offenbar aber nicht hinlänglich sagen.
Zu den Gesellschaften, die Signa Geld geliehen haben, gehört unter anderem die in Dortmund ansässige Signal Iduna, ein mittelständisches Unternehmen mit insgesamt zwölf Millionen Kunden. Der Versicherer soll nach Zeitungsinformationen Benkos Immobilien-Imperium fast eine Milliarde Euro Kredit gegeben haben. Gegenüber ntv.de lehnte das Unternehmen zwar eine Stellungnahme zum Umfang seines Engagements ab, erklärte aber, dass es sich bei den Investments "größtenteils" um "grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen in 1A -Lagen in einigen der größten Städte Deutschlands" handelt. Sie seien "in der Höhe auskömmlich gesichert". "Wesentliche Kreditausfälle" würden nicht erwartet.
Auch die Münchener Rück gehörende Ergo Versicherung und die R+V, Deutschlands viertgrößter Versicherungskonzern, sollen Signa Darlehen gewährt haben. Laut FT handelt es sich um Kredite in Höhe von rund 700 Millionen Euro beziehungsweise 500 Millionen Euro. Die Allianz, Deutschlands größter Versicherungsriese soll für den Kauf eines Hochhauses in Berlin durch die Signa im Jahr 2018 Kredite über 300 Millionen Euro bereitgestellt haben. Wie viel davon möglicherweise zurückgezahlt wurde, schreibt die Zeitung nicht.
Die Bitte um eine Stellungnahme lehnten alle Gesellschaften laut FT ab. Nachfragen von ntv.de bei Ergo und Allianz wurden ebenfalls mit dem Hinweis auf Vertraulichkeit und Spekulationen abgelehnt. Brancheninsider erklärten gegenüber ntv.de, dass es sich bei den Investments der Versicherungsbranche um Darlehen handelte, nicht um riskante Private-Equity-Deals. Größtenteils seien die Kredite durch entsprechende Objekte abgesichert. Zumindest teilweise würden sie die Darlehenssumme heute sogar übersteigen. Ausschließen, dass einzelne Versicherer sich trotzdem verspekuliert haben, können die Experten jedoch nicht.
Laut FT sollen zumindest einige Versicherer neben Krediten, die sie gewährt haben, auch direkte Beteiligungen an Signa-Unternehmen eingegangen sein. Ausdrücklich genannt wird der mittelgroße deutsche Versicherer LVM. Er soll einen Anteil von 2,9 Prozent an Signa Prime Selection halten. Die Prime Selection ist eines der beiden Unternehmen, die den größten Teil der Vermögenswerte der Signa-Gruppe besitzen. Ein erheblicher Teil des Engagements von LVM in Höhe von 300 Millionen Euro soll nach Aussagen von Insidern, auf die sich die FT beruft, nicht besichert sein.
Bafin: Summen "in den meisten Fällen" nicht kritisch
Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin erklärte gegenüber der FT, sie beobachte die Situation. Eine wesentliche Bedrohung für die Unternehmen sehe sie derzeit aber nicht, auch weil das Risiko "in den meisten Fällen" im Vergleich zum Gesamtvermögen der einzelnen Versicherer vernachlässigbar sei.
Versicherungsunternehmen als alternative Geldquellen waren in der Vergangenheit vor allem wegen des Regulierungs- und Zinsumfelds gefragt. "Stark regulierte Banken waren nicht in der Lage oder nicht bereit, bestimmte Arten von Transaktionen durchzuführen, während Versicherungskonzerne in Zeiten extrem niedriger Zinsen in Bargeld ertranken", zitiert die Zeitung einen Insider.
Zur Dachgesellschaft der weitverzweigten Signa-Gruppe gehören unter anderem die Luxuskaufhäuser KaDeWe in Berlin und das Selfridges in London sowie das Chrysler Building, der legendäre Wolkenkratzer in New York. Bis Ende September hatte die Holding Schulden in Höhe von fünf Milliarden Euro angehäuft, den Großteil davon angeblich in den ersten neun Monaten dieses Jahres. Vergangenen Monat stellte die Signa Holding einen Antrag auf Insolvenz.
Das Gesamtausmaß der Verschuldung ist bislang nicht vollständig offengelegt. Insider, die mit der Struktur des Unternehmens vertraut sind, rechnen aber wohl mit dem Doppelten dieses Betrags. Bereits in dieser Woche werden weitere Insolvenzen im Signa-Imperium erwartet.
Quelle: ntv.de, ddi