Neue Zentralbank-Chefin Diese Frau soll das türkische Inflationsfeuer löschen


Erkan ist die erste Frau an der Spitze der türkischen Zentralbank.
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Die Währung ist im freien Fall, die Inflation wütet. Mit einer neuen Notenbankchefin will der türkische Präsident Erdogan die Lage in den Griff bekommen. Doch an den Finanzmärkten herrscht Skepsis.
So richtig erfolgreich war Sahap Kavcioglu nicht. Im Gegenteil. Während die Inflation in der Türkei durch die Decke ging und die Landeswährung Lira abstürzte, goss der Chef der Notenbank mit Einverständnis des Staatspräsidenten Öl ins Feuer und senkte die Zinsen. Nun zieht Recep Tayyip Erdogan wenige Tage nach Beginn seiner dritten Amtszeit die Notbremse und ersetzt Kavcioglu durch eine ehemalige US-Bankerin: Hafize Gaye Erkan soll die Lage in den Griff bekommen.
Die neue Chefin wird als Vertreterin der herrschenden ökonomischen Lehre gehandelt. Die 41-jährige gebürtige Istanbulerin hatte in der türkischen Millionenstadt Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Nach ihrem Abschluss studierte sie an der US-Eliteuniversität Princeton mit den Schwerpunkten Finanzwirtschaft und Finanzmathematik und promovierte dort. Danach war sie unter anderem Chefin eines New Yorker Immobilienfinanzierers. Später war sie neun Jahre leitende Analystin bei der Investmentbank Goldman Sachs. Dann wurde sie Co-Chefin der Bank First Republic. Sie verließ das Unternehmen Ende 2021. First Republic war im vergangenen Frühjahr in eine schwere Krise geraten, wurde unter Zwangsverwaltung gestellt und an JPMorgan Chase verkauft.
Nun hat die türkische Zentralbank mit ihr zum fünften Mal innerhalb von nur vier Jahren eine neue Führung. Der Grund dafür, dass Kavcioglu nicht schon längst gehen musste, hat einen Namen: Erdogan. Der Staatspräsident bezeichnet sich als "Zinsfeind" und sieht in Zinsen die "Mutter allen Übels". Erdogan argumentierte bisher entgegen den praktischen Erfahrungen der Vergangenheit und der ökonomischen Lehre, dass niedrige Zinsen für niedrige Inflation sorgen und hohe Zinsen für hohe Inflation.
Um diese unorthodoxe Geldpolitik durchzusetzen, feuerte Erdogan mehrere Notenbankchefs und Finanzminister. Mit Kavcioglu fand er einen Notenbankgouverneur, der seinen Wunsch nach niedrigen Zinsen erfüllte. Im vergangenen Jahr musste der Leiter der Statistikbehörde, Sait Erdal Dinçer, gehen. Erdogan hatte ihm vorgeworfen, er habe das Ausmaß der Inflation übertrieben dargestellt.
Der Zinsentscheid naht
Die lockere Geldpolitik heizte zwar Inflation und Währungskrise an, sorgte aber zugleich für Wirtschaftswachstum - ein wesentlicher Grund für Edogans Popularität bei seinen Wählern. Der Staatschef dürfte darauf gesetzt haben, dass Rekord-Inflation und Lira-Absturz vorübergehend und lediglich Kollateralschäden auf dem Weg zu seiner Wiederwahl seien.
Tatsächlich hat sich die Inflation von ihren Rekordständen entfernt - sie ist aber immer noch sehr hoch. Im vergangenen Jahr war die allgemeine Teuerung offiziellen Zahlen zufolge auf bis zu 85 Prozent nach oben geschossen. In diesem Mai lag sie bei knapp 40 Prozent. Dagegen setzt sich der Absturz der Lira ungebremst fort. Seit Beginn des Jahres hat sie gegenüber dem Dollar rund 25 Prozent an Wert verloren, nachdem sie 2021 und 2022 schon unter die Räder gekommen war. Nun stellt sich die Frage: Wird die türkische Notenbank unter der Führung von Erkan die Geldpolitik tatsächlich straffen und die Zinsen erhöhen?
Erkans Ernennung könnte dafür sprechen, dass Erdogan nach seinem Wahlsieg eine wirtschaftspolitische Kehrtwende vollzieht. Ein weiteres Indiz: Der Präsident hat den Ökonomen Mehmet Simsek zum neuen Finanzminister ernannt. Der Wirtschaftswissenschaftler hat angekündigt, dass sein Land zu "rationalen Grundlagen" in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zurückkehre. Entscheidend wird sein, welchen Handlungsspielraum Erdogan der Notenbankchefin und dem Finanzminister gewähren wird. Am 22. Juni wird es möglicherweise mehr Klarheit geben - die türkische Zentralbank entscheidet dann über einen Zinsschritt.
Die Finanzmärkte sind derweil skeptisch. Die türkische Lira rauschte trotz der Ernennung Simseks noch tiefer in den Keller. Am heutigen Freitag fiel sie nach der Ernennung Erkans auf ein weiteres Rekordtief.
Quelle: ntv.de