Ex-Manager bittet VW zur Kasse Diesel-"Verschwörer" pocht auf Boni
23.03.2017, 15:08 Uhr
Heinz-Jakob Neußer in besseren Zeiten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Für die US-Justiz zählt Heinz-Jakob Neußer zu den Hauptverantwortlichen im Diesel-Skandal. Sie hat ihn zusammen mit anderen VW-Managern angeklagt. Das hält Neußer aber nicht davon ab, Millionen-Boni von VW nachzufordern.
Neue Köpfe, neue Strukturen, ein neues Vergütungssystem - Volkswagen will nach vorn schauen. Doch während der Konzern sich personell und kulturell neu zu erfinden versucht, holt ihn die Vergangenheit immer wieder ein. Davon zeugt auch die Klage des früheren VW-Entwicklungsvorstands Heinz-Jakob Neußer, der sich das Braunschweiger Amtsgericht seit Donnerstag widmet.
Neußer, der von Juli 2013 bis September 2015 Entwicklungsvorstand bei VW war, gehört nach Erkenntnissen des US-Justizministeriums zu einer Gruppe von sechs VW-Mitarbeitern, die direkt in den Abgasskandal in den USA verwickelt waren. Gegen alle Männer, inklusive Neußer, wurde Strafanzeige gestellt. Volkswagen hat ihn deshalb im September 2015 beurlaubt. Was den ehemaligen Manager jedoch nicht davon abhält, von seinem ehemaligen Arbeitgeber die Nachzahlung eines Bonus' in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro zu fordern.
Dreistigkeit siegt, ließe sich dazu sagen. Zur Erinnerung: Neußer soll laut US-Justiz nicht nur von den Abgasmanipulationen in den USA gewusst, sondern die Vertuschung auch bewusst angeordnet haben. Das geht aus der 39-seitigen Strafanzeige und der "Darstellung der Fakten" hervor, auf die sich das US-Justizministerium und Volkswagen geeinigt haben.
Winterkorn direkt unterstellt
Dort heißt es, die "Verschwörer" hätten 2006 die Entwicklung eines neuen, regelkonformen "clean Diesel" gestartet, dann aber begriffen, "dass sie keinen Dieselmotor entwickeln konnten, der sowohl strengere NOx-Standards erfüllen als auch genügend Kundennachfrage haben würde". Danach hätten "sie beschlossen, eine Software-Funktion zu nutzen, um die US-Emissionstests auszutricksen", heißt es in dem Dokument weiter.
Der hochrangigste Manager dabei soll Neußer gewesen sein. Er unterstand im Markenvorstand direkt dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, der im September 2015 kurz nach dem Bekanntwerden des Skandals von der VW-Spitze zurückgetreten ist. Gegen ihn wird mittlerweile auch wegen Verdacht auf Betrug ermittelt.
VW-Ingenieure hätten zwar Zweifel an dem Vorgehen angemeldet, heißt es im Fakten-Statement weiter. Doch Mitglieder der Gruppe hätten es weiter abgesegnet und verheimlicht: "Die Verschwörer logen die Umweltbehörde EPA in der Frage der Existenz der Software an." Im Frühjahr 2013 habe Neußer dann ein Zusatzmodul genehmigt, das den Lenkradwinkel - und so die Testläufe mit stärkerer Abgasreinigung - besser erkannte. Das Justizministerium hat diese Sicht auf die Dinge mit der Unschuldsvermutung ergänzt - bis zum Nachweis des Gegenteils.
Angesichts der Schwere der Vorwürfe wirkt Neußers Boni-Forderung wie eine Farce. Zumal ein anderer mutmaßlicher Hauptverantwortlicher in den USA im Gefängnis sitzt und die ganze Härte der US-Justiz zu spüren bekommt. Oliver S., der in der Entwicklungsabteilung direkt unter Neußer arbeitete, droht eine lange Haftstrafe - theoretisch bis zu 169 Jahre. Ein Bundesrichter in Detroit lehnte es erst kürzlich ab, den Beschuldigten vor Beginn des für Januar 2018 angesetzten Prozesses gegen eine Kaution auf freien Fuß zu setzen.
Oliver S. dürfte der erste Volkswagen-Manager sein, der in den USA für den Diesel-Skandal zur Rechenschaft gezogen wird. Während Neußer mit heiler Haut davonkommen könnte - möglicherweise sogar noch mit einem millionenschweren goldenen Handschlag.
Der Prozess ist eine weitere Quittung für Volkswagen für jahrelanges Übermaß. Der Konzern muss immense Summen aufbringen, um die Folgen der Abgas-Manipulationen zu begleichen. Außerdem muss Europas größter Auutobauer öffentlich viel Prügel wegen hoher Gehälter und Boni einstecken. Ex-Chef Winterkorn bekommt von VW eine Rente von 3100 Euro täglich. Auch andere Vorstände streichen trotz des Dieselskandals weiterhin hohe Sonderzahlungen ein. In der Öffentlichkeit und bei Anlegern stößt das auf offenes Unverständnis.
Mittlerweile hat Volkswagen sein Vergütungssystem reformiert. Der Konzern versucht aus dem Schaden klug zu werden. Einsicht ist dazu in der Regel der erste Weg zur Besserung. Doch auf diese Reise wird der Konzern die Hauptverantwortlichen an der Diesel-Affäre nicht mehr mitnehmen.
Quelle: ntv.de