Streit um Mitgliedsbeiträge Diess zeigt Autoverband VDA klare Kante
27.05.2021, 17:08 Uhr
Volkswagen-Chef Herbert Diess kritisiert den VDA für seine "Technologieoffenheit".
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Der Autoverband ist einem Bericht zufolge knapp bei Kasse und will die Beiträge erhöhen. VW-Chef Diess ist aber strikt dagegen. Er nutzt die Gelegenheit, sich rabiat zu distanzieren. Der VDA sei nicht nützlich, sagt Autoexperte Dudenhöffer ntv.de. "Er versucht die Vergangenheit zu konservieren."
Volkswagen-Chef Herbert Diess hat einer geplanten Erhöhung der Mitgliedsbeiträge des wichtigsten Verbands der Autobranche, dem Verband der Automobilindustrie VDA, eine vehemente Absage erteilt. Das berichtet der "Business Insider" unter Berufung auf interne Unterlagen. Eine Erhöhung pauschal auf 21,50 Euro pro gemeldetem Mitarbeiter in Deutschland sei "nicht akzeptabel", soll er in einer Mail an die Verbandspräsidentin Hildegard Müller geschrieben haben. Offenbar geht es bei dem Streit nicht ums Geld. Vielmehr nutzt Diess die Gelegenheit, sich einmal mehr rabiat von seinem Verband zu distanzieren.
Wie es heißt, plant der VDA die Mitgliedsbeiträge erstmals nach 15 Jahren zu verdreifachen. Bislang zahlen die 635 Firmen zusammen knapp sechs Millionen Euro jährlich, was knapp einem Viertel des Etats des Verbands ausmacht. Der Rest sei vor der Pandemie mit der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) erwirtschaftet worden, heißt es. Nachdem das Messegeschäft eingebrochen ist, habe der Verband im Vorfeld der Vorstandssitzung vergangene Woche daher den Vorschlag gemacht, die Einnahmen auf 18 Millionen Euro aufzustocken.
Für Volkswagen würde das einen Erhöhung von 650.000 auf rund zwei Millionen Euro pro Jahr bedeuten, was das Schwergewicht keinesfalls in finanzielle Bedrängnis bringen würde. Diess scheint den Anlass vielmehr nutzen zu wollen, grundsätzliche Kritik am Verband loszuwerden, was nicht das erste Mal wäre: "Unsere Industrie befindet sich in einer historisch außergewöhnlichen und sehr herausfordernden Situation", zitiert das Portal aus der internen Mail von Diess an Müller. Es mangele nicht an Krisenherden: Die Pandemie, der Halbleitermangel, Elektrifizierung und Digitalisierung würden die Unternehmen viel Kraft und Geld kosten.
Diess fordert Verband zum Sparen auf
"Wir hätten uns doch sehr gewünscht", zitiert der "Business Insider" Diess, "dass der VDA in dieser speziellen Situation erst einmal alle Ausgaben auf den Prüfstand stellt, jede Möglichkeit zur Kostenreduzierung identifiziert, bevor über eine Erhöhung der Einnahmen diskutiert wird." Statt höherer Mitgliedsbeiträge fordert Diess, eine Finanzkommission aus Vertretern der Mitgliedsunternehmen zu beauftragen, "die Ausgaben des VDA (Personal, Geschäftsführung, Mitgliedschaften in Organisationen und Verbänden, Auslandsbüros, Verbandsbeiträge, Gebäude, Abonnements, Agenturen, externe Beratung et cetera) auf Möglichkeiten zur Kostenreduzierung hin zu überprüfen".
In der Vergangenheit hat Diess vergeblich die Unterstützung des Verbandes für die Elektro-Ausrichtung seines Konzerns eingefordert. Der VDA vertritt eine "Technologieoffenheit" und setzt sich auch für die Förderung von Wasserstoff-Antrieben und synthetischen Kraftstoffen ein. Dagegen werden nach Ansicht von Diess "die sogenannten Potenziale dieser Alternativen beim flüssigen Kraftstoff im allgemeinen massiv überschätzt", wie er es im vergangenen Oktober in einer Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf aus dem Bundesumweltministerium für die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien formulierte.
Die Herstellung synthetischer Kraftstoffe aus überschüssigen erneuerbaren Energien sei "aufwändig, kostenintensiv, wenig klimaeffizient und mit geringem Wirkungsgrad". Überlegungen, aus erneuerbarer Energie grünen Wasserstoff herzustellen, der dann wiederum Autos antreiben könnte, erklärte der VW-Chef kurzerhand für "unsinnig".
"Es ist das alte Lied", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ntv.de. "Verbände und Lobbyisten versuchen die Vergangenheit zu konservieren. Der VDA ist alles andere als nützlich. Das Paradebeispiel war das Auftragsgutachten des Ifo zu den Arbeitsplatzverlusten."
Diess fasst es in seiner Mail noch einmal mit diesen Worten zusammen: Die Autobranche brauche einen Verband, "der sich konstruktiv in die gesellschaftlichen Debatten um Klimapolitik einbringt und sich für den Erfolg der Elektromobilität einsetzt, ohne die die Klimaziele nicht zu erreichen sein werden". Diess gehe es im Streit mit dem VDA allein ums Prinzip, zitiert der "Business Insider" Unternehmenskreise.
Beide Seiten signalisierten dem Bericht zufolge aber Kompromissbereitschaft. Die Entscheidung, dass für eine solide finanzielle Basis der Verbandsarbeit die künftige Einnahmenstruktur geändert werden müsse, trage Volkswagen "voll mit", formulierte es Diess in seiner Mail. "Über den grundsätzlichen Vorschlag zur neuen Struktur herrscht Einigkeit. Einige Details werden noch ausgearbeitet", sagte VDA-Sprecher Lutz Meyer ntv.de.
Quelle: ntv.de