Leitzins bleibt bei 4,5 Prozent Europäische Zentralbank beschließt Zinspause
26.10.2023, 14:15 Uhr Artikel anhören
"Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden", heißt es von den Währungshütern.
(Foto: IMAGO/Panama Pictures)
Nach zehn Anhebungen ist erst mal Schluss: Die EZB verzichtet auf einen weiteren Zinsschritt und legt eine Pause ein. Der Leitzins bleibt damit bei 4,5 Prozent. Diskussion über eine Zinssenkung nennt EZB-Präsidentin Lagarde "völlig, völlig verfrüht". Künftige Zinserhöhungen schließt sie nicht aus.
Die Europäische Zentralbank (EZB) stoppt ihre Serie von Zinserhöhungen und erteilt Börsenspekulationen auf schnelle Senkungen eine klare Absage. Die Währungshüter beschlossen auf ihrer Zinssitzung in Athen angesichts einer schwächelnden Konjunktur und rückläufigen Inflationszahlen, die Schlüsselzinsen nicht anzutasten. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit weiterhin bei 4,00 Prozent - das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Der Leitzins bleibt bei 4,50 Prozent.
Zinssenkungen seien auf dem Treffen nicht besprochen worden, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. "Selbst eine Diskussion über eine Zinssenkung zu haben, ist völlig, völlig verfrüht." An den Börsen grenzten die Aktien ihre Kursverluste ein. Der deutsche Leitindex halbierte am Nachmittag frühere Verluste und lag 0,7 Prozent tiefer bei 14.791 Punkten. Sein europäisches Pendant, der Eurostoxx verlor 0,2 Prozent auf 4064 Zähler.
Die Reaktionen von Volkswirten fielen positiv aus. "Das ist eine gute Entscheidung", erklärte der Präsident des Münchner IFO-Instituts, Clemens Fuest. "Die schnellen Zinserhöhungen seit etwa einem Jahr haben dazu beigetragen, die Inflation zu dämpfen und die Inflationserwartungen zu stabilisieren, und diese Entwicklung wird sich voraussichtlich in den kommenden Monaten fortsetzen." LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch sagte: "Bei den Leitzinsen ist erst mal der Deckel drauf." Jetzt könne der Markt sich der Frage zuwenden, was die EZB mit "ausreichend lange" meine, wenn es darum gehe, wie lange sie auf dem Zinsgipfel verharren wolle.
Laut Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW-Institut wirken Zinserhöhungen wie ein Medikament mit erheblichen Zeitverzögerungen. "Es wäre daher falsch, jetzt noch die Dosis weiter zu erhöhen, obwohl die ersten Symptome auf eine allmähliche Genesung hindeuten."
Inflation sinkt deutlich
Die EZB sei weiter entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Inflation zum mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zurückkehre, sagte Lagarde. "Nach unserer derzeitigen Einschätzung befinden sich die EZB-Schlüsselzinsen auf einem Niveau, das, wenn es ausreichend lange beibehalten wird, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten wird", sagte sie. "Wir werden weiterhin einen datenabhängigen Ansatz verfolgen, um die angemessene Höhe und Dauer der Restriktion zu bestimmen."
Völlig vom Tisch wischen will Lagarde die Möglichkeit von Zinserhöhungen aber nicht: "Die Tatsache, dass wir anhalten, bedeutet nicht, dass wir nie wieder die Zinssätze erhöhen werden." Der EZB-Präsidentin zufolge wirken sich die vergangenen Zinserhöhungen stark auf die Finanzierungsbedingungen aus. "Dies dämpft zunehmend die Nachfrage und trägt damit zu einem Rückgang der Inflation bei." Laut einer jüngst erhobenen Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters rechnet eine Mehrheit der Volkswirte damit, dass die EZB den Einlagensatz bis zur Jahresmitte 2024 konstant halten wird.
Die Beschlüsse fielen laut Lagarde einstimmig. Die Anleihenkäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms PEPP seien nicht besprochen worden, auch das Thema Mindestreserve der Geschäftsbanken sei nicht diskutiert worden. Mit dem PEPP-Programm wollte die EZB während der Corona-Krise die Finanzierungsbedingungen für Staaten, Unternehmen und Haushalte günstig halten. Auslaufende Anleihen aus diesem Programm werden immer noch vollumfänglich ersetzt. Manche Währungshüter hatten sich für einen vorzeitigen Stopp dieser Reinvestitionen stark gemacht.
Die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft war zuletzt deutlich zurückgegangen. Im September sank sie auf 4,3 Prozent von 5,2 Prozent im August. Noch im Herbst 2022 hatte die Rate zeitweise über 10 Prozent gelegen. Bei der Entscheidung der EZB zu pausieren, dürfte auch die eingetrübte Konjunktur im Euroraum eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Wirtschaft hatte einer Umfrage zufolge zuletzt ihre Talfahrt beschleunigt. "Die Wirtschaft bleibt wahrscheinlich für den Rest des Jahres schwach", sagte Lagarde. Mit weiter zurückgehender Inflation und anziehender Auslandsnachfrage nach Exportprodukten dürfte die Konjunktur in den nächsten Jahren jedoch an Stärke gewinnen. Darüber hinaus ist für die Währungshüter der Nahost-Konflikt als neuer Unsicherheitsfaktor hinzugekommen. "Wir beobachten die Lage," sagte Lagarde.
Quelle: ntv.de, mli/rts