Wirtschaft

Viele Airlines streichen Flüge Eurowings-Chef: Flughäfen und Politik "verniedlichen die Abgaben"

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Laut Branchenangaben hat sich die Abgabenlast für Airlines in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt.

Laut Branchenangaben hat sich die Abgabenlast für Airlines in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt.

(Foto: IMAGO/Daniel Kubirski)

Die Fluggesellschaften in Deutschland lassen die Muskeln spielen. Ryanair, Condor und Eurowings streichen ihr Angebot drastisch zusammen. Auslöser scheint ein Streit um eine Entgelterhöhung um 2,30 Euro am Hamburger Flughafen zu sein. Worum es wirklich geht, erklärt Eurowings-Chef Bischof im Gespräch mit ntv.

Deutsche Flughäfen sind einigen Fluggesellschaften zu teuer geworden. Gleich drei Airlines kündigten innerhalb weniger Tage an, Verbindungen in Deutschland zu streichen. Am schlimmsten ist der Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel betroffen. Ryanair nimmt jeden zehnten Flug von und nach Deutschland aus dem Angebot - das Angebot in Hamburg schrumpft damit um 60 Prozent. Eurowings streicht Tausende Flüge - über 1000 pro Jahr ebenfalls in Hamburg. Dazu wird in Dortmund der Rotstift angesetzt. Und auch Condor kürzt sein Angebot vom Hamburger Flughafen. Beliebte Urlaubsgebiete in Griechenland und Spanien werden gar nicht mehr angeflogen. Der Grund: Die Nebenkosten sind zu hoch. Ausländische Standorte sind attraktiver als Deutschland.

"Wir leiden am Luftverkehrsstandort Deutschland unter einer enorm hohen Gebühren- und Steuerlast", erklärt Eurowings-Chef Jens Bischof im Gespräch mit ntv. Nicht einzelne Gebühren seien das Problem, sondern die gesamten Kosten, die anfallen. "Die Airlines machen einen Bogen um Deutschland."

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat scheinbar ein Streit in Hamburg. Der Flughafen verlangt ab kommendem Mai zusätzliche Gebühren in Höhe von 2,30 Euro pro abfliegenden Passagier. Das höre sich nicht nach viel an, so Bischof. Tatsächlich seien es im Endeffekt aber für die Fluggesellschaften "hohe Millionensummen, die sich aus Gebühren, Steuern und Abgaben zusammensetzen". Allein die Luftverkehrssteuer ist im Mai um rund ein Fünftel gestiegen. Besserung ist nicht in Sicht: Ab dem 1. Januar 2025 soll die Luftsicherheitsgebühr an Flughäfen um 50 Prozent steigen. "Wir reden von einer Abgabenlast, die sich seit der Corona-Pandemie um rund 100 Prozent erhöht hat", sagt Bischof.

Flughäfen und Politik "verniedlichen diese Abgaben". Bei einer "überschaubaren Marge im einstelligen Prozentbereich" könne sich Eurowings die Kosten von "ungefähr 30 Euro je abfliegendem Passagier nicht leisten". Die Preiserhöhungen auf die Tickets umzulegen, ist laut Bischof keine Lösung. Denn: Je höher die Preise, desto mehr leidet die Nachfrage. Sind die Flüge nicht ausgelastet, sind sie unrentabel.

"Wir sind hier zu Hause. Wir wollen hier fliegen"

"Wir müssen die Konsequenzen ziehen", so Bischof. Eurowings hat zwar nicht vor, den Flugverkehr in Deutschland komplett einzustellen. "Wir sind hier zu Hause. Wir wollen hier fliegen." Der Standort Deutschland braucht zudem eine starke Infrastruktur. Aber das Geschäft lasse sich bei diesen Rahmenbedingungen nicht wirtschaftlich organisieren. Airlines hätten keine andere Wahl, als abzuwandern und ihre Flugzeuge im Ausland einzusetzen. Auch Eurowings werde diese Möglichkeit nun "verstärkt" nutzen.

Ein Land, das von diesem Exodus profitieren dürfte, ist Schweden. Laut Bischof ist der Standort aus finanzieller Sicht deutlich attraktiver als Deutschland. Die Regierung steuerte um, nachdem Ryanair auch dort mit einem Rückzug gedroht hatte. Ab Juli 2025 wird deswegen die Luftverkehrssteuer abgeschafft. "Trotz Haushaltsnöten und klimapolitischen Erwägungen" hat die Regierung die Steuer abgeschafft, um den Luftverkehr anzukurbeln. Als Reaktion darauf hat die Airline neue Investitionen in Höhe von 200 Millionen Dollar angekündigt, darunter zwei neue Flieger und zehn neuen Strecken.

Ob nach Schweden oder anderswohin, es werde künftig "eine Verlagerung an andere Basen" geben, so Bischof. Der Exodus sei bereits in vollem Gange. Das Angebot an Direktflügen ins Ausland sei geschrumpft und auch die Häufigkeit der Flüge habe sich reduziert. Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei dadurch deutlich schlechter angebunden. Einer exportorientierten Nation komme das "sicherlich nicht zugute", warnt der Eurowings-Chef.

Die "einzige Chance", wieder wettbewerbsfähig zu werden

Die nackten Zahlen zeigen, dass Deutschland ins Hintertreffen gerät: Laut dem Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) werden von September 2024 bis Ende Februar 2025 von, nach und innerhalb Deutschlands Flüge mit 115,7 Millionen Sitzplätzen angeboten. Das sind zwar 5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, aber auch immer noch 13 Prozent weniger als in der Zeit vor der Corona-Pandemie. Im europäischen Vergleich fliegt Deutschland mit dieser Erholungsquote von 87 Prozent deutlich dem Angebot im übrigen Europa hinterher, wo inzwischen in der Spitze 106 Prozent erreicht sind.

Eurowings hofft, dass die Politik bald Lösungen anbietet. Der Appell: Die Luftverkehrssteuer muss weg - so wie in Schweden. Zumal das Geld nicht dazu benutzt wurde, den Hochlauf der E-Fuels, also der nachhaltigen Flugkraftstoffe, zu finanzieren, so wie ursprünglich geplant, wie Bischof zu bedenken gibt. Das Geld wurde stattdessen zum Stopfen von Haushaltslöchern zweckentfremdet. Die Politik habe mit den Zusagen aus dem Koalitionsvertrag gebrochen, so Bischof. Die Steuer abzuschaffen, sei die einzige Chance für Deutschland, im Flugverkehr wieder ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau zu erreichen. "Wenn wir wieder effizienter werden wollen, müssen wir neue Technologien an Sicherheitskontrollen einsetzen, mehr Digitalisierung im Flugbetrieb haben. Dann sind wir auch wieder wettbewerbsfähig." All das könne nicht warten.

Quelle: ntv.de

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