Griechischer Zermürbungskrieg Ex-Chefstatistiker Georgiou verliert Prozess
01.08.2017, 18:14 Uhr
Andreas Georgiou hat bereits sechs Prozesse hinter sich.
(Foto: AP)
Weil er falsche Zahlen zum Haushaltsdefizit Griechenlands im Jahr 2009 verbreitet haben soll, muss sich der Ex-Chef des griechischen Statistikamts vor Gericht verantworten. Nun fällt ein Urteil. Georgiou wird schuldig gesprochen - allerdings nicht wegen falscher Zahlen.
Ein Gericht in Athen hat den ehemaligen Chef des griechischen Statistikamts (Elstat), Andreas Georgiou, wegen der "Verletzung seiner Amtspflichten" zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Georgiou hatte 2010 eine unerwartet hohe griechische Neuverschuldung von mehr als 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an die EU-Statistikbehörde Eurostat gemeldet. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass diese Zahlen übertrieben waren und Georgiou nicht nur Geldgeber verunsichert, sondern dem Land dadurch auch 171 Milliarden Euro Schaden verursacht habe.
Georgiou war bereits in mehreren Prozessen von diesen Vorwürfen freigesprochen worden - doch die Generalstaatsanwaltschaft hatte dennoch ein weiteres Verfahren wegen "Verletzung seiner Amtspflichten" angestrengt, das nun mit einem Schuldspruch endete. Nach Angaben der halbamtlichen griechischen Nachrichtenagentur ANA-MPA urteilte das Gericht, dass Georgiou die Daten nicht ohne Zustimmung des Elstat-Vorstandes hätte weitergeben dürfen. Dies hatte er seinerzeit abgelehnt.
In der Vergangenheit hatten auch Politiker des regierenden Linksbündnisses von Alexis Tsipras Zweifel an den Zahlen zum griechischen Defizit zwischen 2010 und 2015 geäußert. Die frühere Vize-Chefin des Statistikamtes, Zoe Georganta, hatte behauptet, das Defizit Griechenlands habe 2009 nur zwischen vier und fünf Prozent gelegen. Die EU-Kommission erklärte allerdings wiederholt, die Daten zur griechischen Schuldenkrise seien verlässlich. Berechnungen des Europäischen Statistikamtes bestätigten die Zahlen.
EU stärkt Georgiou den Rücken
"Wir haben volles Vertrauen in die Verlässlichkeit und Genauigkeit der Elstat-Daten zwischen 2010 und 2015 und darüber hinaus", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission nun noch einmal in Brüssel. Georgiou war von 2010 bis 2015 Statistik-Chef in Athen. Seit seinem Abgang gab es eine ganze Reihe von Prozessen gegen ihn. Insgesamt waren es sechs. Wegen übler Nachrede wurde der Statistiker schon zu zwölf Monaten Haft verurteilt.
Georgiou hat bereits in der Vergangenheit angedeutet, die Prozesse seien politisch motiviert. Jeder Statistiker werde sich künftig überlegen, welche Zahlen er veröffentlichen wolle. Auch der ehemalige Finanzminister Griechenlands, Giorgos Papakonstantinou, sprach auf Twitter von einer "politischen Hexenjagd". Die Rechtsanwälte des ehemaligen Amtschefs kündigten an, Georgiou werde Berufung vor allen griechischen und europäischen höheren Gerichten einlegen.
"Die Unabhängigkeit der Statistik-Ämter in den Mitgliedsstaaten ist eine tragende Säule für das richtige Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion", betonte die Kommissionssprecherin. Griechenland kämpft seit Jahren gegen die drohende Staatspleite und setzte mehrere Sparprogramme im Gegenzug für internationale Kredite um. Das jüngste Rettungspaket hat einen Umfang von 86 Milliarden Euro.
Quelle: ntv.de, jug/dpa