Whistleblowerin spricht im TV "Facebook reißt Gesellschaften auseinander"
04.10.2021, 07:49 Uhr
Fances Haugen arbeitete zwei Jahre lang bei Facebook als Produktmanagerin.
(Foto: picture alliance/dpa/CBS News/60 Minutes via AP)
Zwei Jahre lang kämpft Frances Haugen bei Facebook dagegen, dass das soziale Netzwerk für Wahlmanipulationen genutzt wird. Als sie das Gefühl bekommt, dass die Plattform ihre eigenen negativen Folgen ignoriert, fängt sie an, interne Untersuchungen zu veröffentlichen. Nun gibt sie sich zu erkennen.
Die jüngste Serie von Enthüllungsberichten über Facebook geht zu großen Teilen auf eine ehemalige Mitarbeiterin zurück, die zur Whistleblowerin wurde. Die ehemalige Produktmanagerin Frances Haugen gab sich am Sonntag unter anderem in der amerikanischen TV-Sendung "60 Minutes" zu erkennen. Am Dienstag soll sie sich Fragen im US-Kongress stellen.
Die 37-Jährige sagte dem "Wall Street Journal", sie sei frustriert gewesen, weil Facebook nicht ausreichend offen damit umgehe, dass das Online-Netzwerk Schaden anrichten könne. Zu ihrem Job bei Facebook, den sie im Mai nach rund zwei Jahren verließ, habe der Kampf gegen Manipulationsversuche bei Wahlen gehört. Sie habe jedoch schnell das Gefühl gehabt, dass ihr Team zu wenige Ressourcen habe, um etwas auszurichten, sagte Haugen. Auch habe sie das Gefühl gehabt, dass Facebook weiter auf Wachstum gesetzt habe, obwohl dem Unternehmen negative Auswirkungen der Plattform auf die Nutzer bekannt gewesen seien.
Facebook "bezahlt seine Gewinne mit unserer Sicherheit", sagte Haugen. Sie habe in der Vergangenheit auch für andere Unternehmen der Branche wie Google und Pinterest gearbeitet, aber Facebook sei "bedeutend schlimmer" als alles, was sie zuvor gesehen habe. "Die heutige Version von Facebook reißt unsere Gesellschaften auseinander und führt zu ethnischer Gewalt auf der ganzen Welt."
Aus der Serie von Berichten im "Wall Street Journal" in den vergangenen Wochen schlug besonders schwer der Artikel ein, in dem es um interne Untersuchungen zum Einfluss von Instagram auf junge Nutzer ging. Unter anderem hieß es in dem Bericht von Facebook-Forschern, bei zahlreichen Teenagern - vor allem Mädchen - verstärke Instagram die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, was wiederum Auswirkungen auf die psychische Gesundheit habe. So zitierte die Zeitung den Satz: "Wir machen Probleme mit dem eigenen Körperbild für eine von drei Teenagerinnen schlimmer."
Der Algorithmus, der festlegt, welche Inhalte Nutzern angezeigt werden, sei darauf ausgelegt, eine Reaktion hervorzurufen - und "es ist einfacher, Menschen zu Wut zu inspirieren als zu anderen Emotionen", sagte Haugen nun. "Facebook hat erkannt, dass, wenn sie den Algorithmus ändern, um sicherer zu sein, die Leute weniger Zeit auf der Seite verbringen, weniger auf Anzeigen klicken", wodurch das Unternehmen weniger Geld verdiene.
Facebook verwies nach dem Bericht darauf, dass sich Instagram für Teenager bei anderen Themen als hilfreich erwiesen habe. Dennoch legte das Online-Netzwerk danach Pläne für eine Instagram-Version für Zehn- bis Zwölfjährige auf Eis. Aktuell dürfen offiziell Kinder im Alter ab 13 Jahren Instagram nutzen. Viele geben jedoch bei der Registrierung ein falsches Geburtsdatum an. Mit "Instagram Kids" wollte Facebook nach eigenen Angaben auch dieses Problem angehen. Doch nach einer Anhörung im US-Senat wurde klar, dass dies politisch nur noch schwer durchzusetzen wäre.
Ein Facebook-Sprecher erklärte am Sonntag nach den Äußerungen Haugens, das Online-Netzwerk versuche täglich, eine Balance zwischen dem Recht von Milliarden Menschen auf freie Meinungsäußerung und einer sicheren Umgebung für die Nutzer zu finden. Haugen beantragte bei US-Behörden offiziell Schutz als Whistleblowerin - so werden Mitarbeiter genannt, die durch Weitergabe von Informationen Missstände aufdecken wollen.
Quelle: ntv.de, ses/dpa/AFP