Wirtschaft

Ruiniert Paris den Euro? Für Investoren ist Frankreich das neue Griechenland

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Das Gezerre um Frankreichs Haushalt ist in mancherlei Hinsicht ein Schreckensszenario für die kommende Regierungsbildung in Deutschland.

Das Gezerre um Frankreichs Haushalt ist in mancherlei Hinsicht ein Schreckensszenario für die kommende Regierungsbildung in Deutschland.

(Foto: picture alliance / Collection Christophel)

Erstmals liegen die Kreditkosten der Grande Nation Frankreich höher als die der Pleite-Nation Griechenland. Wie die Ampel-Koalition könnte die Regierung in Paris schon am Montag an der Haushaltspolitik zerbrechen: Sie wird zwischen Links- und Rechtsextremisten zerrieben.

Am Donnerstagvormittag dürfte im Elysee-Palast in Paris kurz Panik aufgekommen sein. Was da über die Ticker lief, war der zur Zahl gewordene Albtraum der französischen Regierung: Erstmals lagen die Renditen zehnjähriger französischer Staatsanleihen mit 3,02 Prozent höher als die vergleichbarer griechischer Staatsanleihen mit 3,01 Prozent. Der Schreck währte zwar nicht lange. Doch zum ersten Mal bekam Frankreich ein Gefühl, was es bedeutet, von den Märkten in die gleiche Kategorie sortiert zu werden wie der einstige Schuldensünder Griechenland.

Die historische Schrecksekunde markiert einen Wendepunkt für Frankreich. Mit gut 3 Prozent sind die Kreditkosten zwar noch weit entfernt von einem kritischen Level, an dem die Aufnahme neuer Schulden nicht mehr tragfähig wird. Und Lichtjahre entfernt von Griechenlands Zehnjahresrenditen auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, die 2011 bei über 30 Prozent lagen. Und dennoch verdeutlicht sich daran, wie dramatisch die Haushaltskrise in Frankreich die Risikoeinschätzung der Märkte verschiebt: Investoren halten die Grande Nation inzwischen für einen der riskantesten Schuldner der Eurozone.

Frankreichs Finanzminister Antoine Armand versuchte denn auch sofort, jeglichen Vergleich mit Athens jahrelangem Schuldenschlamassel zu zerstreuen: "Frankreich ist nicht Griechenland", sagte er dem Sender BFMTV. "Frankreich hat weit überlegene wirtschaftliche und demografische Macht" versuchte er fast verzweifelt Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. "Wir können immer noch verantwortungsvoll handeln und den Haushalt verbessern. Oder wir gehen den Weg der Ungewissheit und machen den Sprung ins fiskalische und finanzielle Unbekannte."

Barniers Regierung droht schon am Montag das Aus

Der könnte schon am Montag kommen: Das Linksbündnis Front Populaire hat angekündigt, die Minderheitsregierung von Michel Barnier im Parlament zu stürzen, falls sie ihr Budget durchzudrücken versucht. Und Marine Le Pens rechtsextreme Partei Rassemblement National droht das Misstrauensvotum zu unterstützen, falls sie nicht deren Forderungen erfüllt. Le Pen wird damit zum Zünglein an der Waage. Barnier ist bereits auf LePen zugegangen und hat seine Pläne, die Stromsteuer zu erhöhen, aufgegeben. Doch der reicht das nicht: Sie will, das Barnier die Renten an die Inflation knüpft und auch den Vorschlag, dass der französische Staat künftig geringe Kosten für Medikamente erstattet, fallen lässt.

Barnier steckt damit in der Zwickmühle. Denn für seinen Haushalt braucht er eine Mehrheit. Aber angesichts von Frankreichs prekärer Finanzlage ist kein Raum für Wohlfühlprogramme der extremen Linken oder Rechten. Er muss er mit einer Mischung aus Steuersenkungen und Kürzungen 60 Milliarden Euro aus dem Budget quetschen. Denn Frankreich steht mit insgesamt rund 112 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in der Kreide. Und im Staatshaushalt klafft ein Defizit von rund 6 Prozent.

Das Gezerre um Frankreichs Haushalt ist in mancherlei Hinsicht ein Schreckensszenario für die kommende Regierungsbildung in Deutschland. Zwar dürften bislang allen Umfragen nach hierzulande weder die rechtsextreme AfD noch das linkspopulistische BSW in der Lage sein, die Regierung parlamentarisch so in die Zange zu nehmen wie die Minderheitsregierung von Michel Barnier in Frankreich. Und auch die Finanzlage in Berlin ist deutlich besser als in Paris: Deutschlands Schuldenquote liegt bei gerade mal rund 65 Prozent.

Dennoch geht es um eine ähnliche Größenordnung: Wie in Frankreich muss auch in Deutschland in der kommenden Legislaturperiode ein Haushaltsloch von mindestens 60 Milliarden Euro gestopft werden, weil die Ausgaben für bröckelnde Infrastruktur, die Aufrüstung der Bundeswehr und die Wiedereinführung der Wehrpflicht die Ausgaben explodieren lassen. Mit dem Unterschied, dass mehr Schulden in Deutschland eine Option sind. In Frankreich nicht.

Frankreich hat bald die rote Laterne der Eurozone

Denn aus Angst vor der schwelenden politischen Krise und einem neuen Euro-Beben wird Frankreich schon seit Monaten an den Märkten immer weiter durchgereicht. Faktisch liegt die Kreditwürdigkeit von Paris inzwischen nicht nur auf einem Niveau mit Griechenland, sondern noch hinter der von Portugal, Irland und Spanien, die einst im Zentrum der Euro-Krise standen. Deren Kreditkosten sind inzwischen niedriger als die von Frankreich. Und auch vom absoluten Schulden-Sorgenkind Italien ist Frankreich nicht mehr weit entfernt. Der Renditeabstand zwischen französischen und italienischen Zehnjahresanleihen liegt bei nur noch 40 Basispunkten. Vor zwei Monaten war er noch doppelt so hoch.

Mehr als der tatsächliche Schuldenstand oder die aktuellen Anleiherenditen beunruhigt der Trend der französischen Staatsfinanzen. Denn während Irland, Portugal und Griechenland in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht und Schulden abgebaut haben, geht die Tendenz bei Frankreich genau in die andere Richtung. "Selbst, wenn die Regierung ihre geplante Konsolidierung erreichen sollte, hätte Frankreich immer noch ein ziemlich hohes Haushaltsdefizit", sagt ein Barclays-Analyst dem "Telegraph". "Sieht so aus, als ob die französische Politik bald mit den Anleihemärkten zusammenstößt", zitiert die "Financial Times" einen anderen Investmentstrategen. "Ich denke, wir wissen, wer gewinnt."

Quelle: ntv.de

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