Totgesagte leben länger Google rast auf die 4-Billionen-Schallmauer zu

Google holt im KI-Wettrüsten auf. Der Mutterkonzern Alphabet ist an der Börse fast vier Billionen Dollar schwer. Sogar der Chip-Riese Nvidia ist in Reichweite.
Googles Mutterkonzern Alphabet meldet sich eindrucksvoll zurück, obwohl er gar nicht verschwunden war. Seit der KI-Bot ChatGPT von OpenAI vor drei Jahren an den Start gegangen ist, haben zahlreiche Analysten und Tech-Experten erklärt, dass Google im Rennen um Künstliche Intelligenz (KI) ganz weit zurückgefallen und die Konkurrenz uneinholbar enteilt sei. Das war ein Irrtum.
Der Internetgigant hat mit Gemini 3 in der vergangenen Woche eine neue Version seiner KI-Software veröffentlicht, die dem OpenAI-Produkt in einer Reihe von sogenannten Benchmarking-Tests überlegen war - darunter das Analysieren des aktuellen Bildschirminhalts des Nutzers. Das ist eine Schlüsselkompetenz für die Erstellung von sogenannten persönlichen KI-Agenten.
Gemini breitet sich aus: In den USA überholte der Chatbot in den App-Stores die Konkurrenten ChatGPT und Perplexity und wurde damit die neue Nummer 1 der kostenlosen KI-Chatbot-Apps. Der Vorsprung von ChatGPT schrumpft. Zur Einordnung: Google zufolge nutzen 650 Millionen Menschen seine Gemini-App. OpenAI hatte kürzlich bekannt gegeben, dass ChatGPT 800 Millionen wöchentliche Nutzer hat.
Der Börsenwert von Googles Mutter Alphabet nähert sich derweil der Marke von 4 Billionen Dollar. Diese wurde bisher lediglich von dem Chip-Giganten Nvidia und dem Techkonzern Apple überwunden. Mit einer Marktkapitalisierung von 3,9 Billionen Dollar ist der Weg für Alphabet nicht mehr weit.
Obwohl Alphabet zu den "Glorreiche Sieben" zählt, den sieben KI-Aktien mit dem höchsten Börsenwert, hatte sich der Aktienkurs des Unternehmens in den ersten neun Monaten des Jahres seitwärts bewegt. Das spiegelte nicht nur die Skepsis am Erfolg im KI-Wettrüsten wider, sondern hatte auch eine zweite Ursache: Dem Konzern drohte die Zerschlagung. Hintergrund war ein fünfjähriger Prozess, den die Regierung von US-Präsident Donald Trump am Ende seiner ersten Amtszeit angestrengt hatte.
Der zuständige Bundesrichter hatte im vergangenen Jahr geurteilt, dass Alphabet ein illegales Monopol bei der Online-Suche und der damit verbundenen Werbung innehabe. Das Unternehmen beherrscht etwa 90 Prozent des Marktes für Suchmaschinen und kassiert den Löwenanteil der weltweiten Ausgaben für Online-Werbung.
Google scheffelt Geld
Anfang September entschied derselbe Richter jedoch, dass Alphabet dennoch nicht zerschlagen werden dürfe und weder seinen beliebten Chrome-Browser noch das mobile Betriebssystem Android verkaufen müsse. Seine Begründung: KI-Projekte wie OpenAIs ChatGPT untergraben bereits jetzt Googles Dominanz.
Seit diesem Urteil hat Alphabet 1,3 Billionen Dollar an Börsengewicht zugelegt. Das entspricht fast dem doppelten Gewinn der anderen sogenannten "Glorreichen Sieben". Dazu hat auch Warren Buffett beigetragen. Seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway hatte im dritten Quartal Alphabet ins Portfolio aufgenommen. Die Nachricht sorgte für einen Kurssprung.
Für Googles KI-Erfolg gibt es vier wesentliche Gründe. Der wichtigste: Alphabet ist eine Cash-Maschine. Allein im dritten Quartal lag der Nettogewinn bei 35 Milliarden Dollar und damit ein Drittel höher als ein Jahr zuvor. Daher ist es für den Internet-Giganten kein Problem, mal eben 24 Milliarden Dollar vor allem in KI-Infrastruktur wie Datenzentren zu investieren.
Hinzu kommt, dass Google seine KI-Modelle mit einem riesigen, eigenen Datenschatz trainieren kann, den es aus seiner Suchmaschine, Android-Smartphones und dem ebenfalls zu Alphabet gehörenden Youtube gewinnt.
Google verfügt außerdem über einige der weltweit fortschrittlichsten KI-Forschungskapazitäten. Ein Grund dafür ist die Übernahme des britischen Unternehmens DeepMind vor mehr als zehn Jahren. Ein weiterer Grund ist, dass Google seine Modelle auf selbst entwickelten Chips trainiert. Alphabet ist im Gegensatz zur Konkurrenz nicht auf Nvidia angewiesen, das im Bereich der KI-Chips eine ähnliche Vormachtstellung einnimmt wie Google im Bereich der Suchmaschinen.
Vor diesem Hintergrund wird Alphabet unabhängiger vom Werbegeschäft. Der Cloud-Bereich macht mittlerweile 15 Prozent Umsatzes aus - Tendenz steigend. Google ist sogar dabei, selbst Chip-Zulieferer zu werden. Die Facebook-Mutter Meta will Medienberichten zufolge in seinen neuen KI-Rechenzentren Prozessoren von Google einsetzen.