Werbeverbot für Süßigkeiten? Medien-Verband VAUNET kritisiert Eingriffe der Politik
20.09.2023, 15:54 Uhr Artikel anhören
VAUNET-Vorstandsvorsitzender Claus Grewenig mahnt, die Medienvielfalt in Deutschland zu bewahren.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Verband privater Medien, VAUNET, sieht die Wettbewerbssituation seiner Mitglieder in großer Gefahr. Gründe dafür sind vor allem zwei politische Maßnahmen, die die Bundesregierung plant. Es gehe darum, "Unsinniges zu unterlassen", sagt Vorstandsvorsitzender Grewenig.
Der VAUNET - Verband privater Medien hat vor drohenden Einschnitten in der Medienvielfalt privater Angebote aufgrund von Regulierungsinitiativen aus der Bundesregierung gewarnt. Claus Grewenig, Vorstandsvorsitzender des VAUNET und Chief Corporate Affairs Officer RTL Deutschland, sagte anlässlich einer Mitgliederversammlung am Dienstag: "Die Wettbewerbssituation der privaten audiovisuellen Medien war in ihrer fast 40-jährigen Geschichte noch nie so fragil wie heute. Ursache hierfür sind auch die fortgesetzten Eingriffe, insbesondere aus der Bundesregierung in die Finanzierungsgrundlagen der Branche." Die Medienvielfalt sei alles andere als eine Selbstverständlichkeit, betonte Grewenig. Sie verdiene es, "in ihrer demokratiesichernden Funktion sehr viel bewusster geschützt zu werden".
Beispielhaft bezog sich Grewenig auf die Gesetzesinitiativen des Bundesernährungsministers Cem Özdemir für ein weitreichendes Lebensmittelwerbeverbot und die anstehende Novelle des Filmförderungsgesetzes (FFG) durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Claudia Roth. Der VAUNET-Vorsitzende sagte, dass die privaten Medien das schwierige, von den Folgen der Corona-Krise und des Angriffskriegs auf die Ukraine gekennzeichnete Wirtschaftsumfeld hart treffe, nun aber noch zahlreiche politische Aktivitäten drohten, die sich gegen die Branche richten.
"Uns wäre derzeit schon geholfen, wenn man uns wenigstens den Raum lassen würde, uns im Markt und in der Digitalisierung zu behaupten", so Grewenig. "Das ist der Kern unternehmerischen Handelns. Nichtstun ist keine Option, aber Unsinniges zu unterlassen sehr wohl. Der Ansatz, Medien als Kollateralschaden für eine falsch verstandene Symbolpolitik in Kauf zu nehmen, muss aufhören!"
Der VAUNET kritisiert, dass die drohenden Verbote für weite Teile der Lebensmittelwerbung die Einnahmen der privaten Medien in signifikanter Höhe betreffen würden, ohne dass es einen Nachweis der Evidenz für diesen drastischen Eingriff in ihre Finanzierungsfreiheit gebe. Der Schutz vor einer Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen sei ein wichtiges politisches Ziel und auch Anliegen der privaten Medien, das gewählte Instrument jedoch verfehlt und unverhältnismäßig.
Teile der Politik haben "blinden Fleck in der Wahrnehmung"
Im Februar dieses Jahres hatte Bundesernährungsminister Özdemir seine Pläne vorgestellt, wonach an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz per Gesetz eingedämmt werden soll. Mit Blick auf unter 14-Jährige sollen dafür Werbeverbote in "allen für Kinder relevanten Medien" kommen - und zwar nicht nur für reine Kindersendungen, sondern von 6 Uhr bis in den späten Abend um 23 Uhr. "Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder gesünder aufwachsen können", sagte der Grünen-Politiker seinerzeit. SPD, FDP und Grüne hatten Werbebeschränkungen in ihrem im Koalitionsvertrag vereinbart. Özdemirs Punkte für einen Gesetzentwurf müssen noch in der Bundesregierung final abgestimmt werden.
In der Filmförderung plant die Medienbeauftragte Roth derweil, audiovisuelle Medienanbieter mit zusätzlichen und weitreichenden Investitionsverpflichtungen und mittelbaren Abgabesteigerungen zu belegen: "Mit zahlreichen Subquoten und kleinteiligen Vorgaben würden keine Inhalte für den Markt, sondern nach Kontrollkästchen produziert", kritisierte Grewenig. "Wir erleben Teile der Politik hier mit einem blinden Fleck in der Wahrnehmung für die vielfältigen Leistungen der privaten Medien - die nicht nur jährlich in Milliardenhöhe in Inhalte investieren, sondern schon heute zum Beispiel erhebliche Einzahlungen in die Filmförderung leisten - auf Länderebene im Übrigen auf freiwilliger Basis." In beiden Fällen würde seiner Ansicht nach ein verständiger Dialog mit der Branche helfen, "da Medien nicht Teil eines Problems, sondern Teil der Lösung sind."
Laut Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität, werden private Medien in Deutschland von zwei Seiten in die Zange genommen: "Auf der einen Seite dehnen sich die großen globalen Big-Tech-Plattformen immer weiter aus, auf der anderen Seite wächst der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotz aller Reformrhetorik fast ungebremst", monierte der Gastredner bei der VAUNET-Veranstaltung. "In so einer sensiblen Wettbewerbskonstellation verschärfen staatliche Markteingriffe Ungleichgewichte, das gilt für zusätzliche Abgaben ebenso wie für Werbeverbote." Das Dilemma sei, dass Regulierung an Attraktivität gewonnen habe, weil sie kein Budget koste. "Sie droht aber, in Deutschland Medienvielfalt zu kosten und auch in andere Branchen zu wirtschaftlichen Einschnitten zu führen."
Quelle: ntv.de, fzö/dpa