58 Milliarden Dollar Chefgehalt Musk rechtfertigt Rekord-Vergütung
17.11.2022, 09:49 Uhr
Die Anwälte sehen hinter Musks astronomischer Vergütung eine Zweckentfremdung des Aktionärsvermögens zugunsten der Raumfahrtvisionen des Multimilliardärs.
(Foto: imago/UPI Photo)
Ein Kleinaktionär bezweifelt, dass Tesla-Chef Elon Musk eine Vergütung im Gesamtwert von 58 Milliarden Dollar verdient haben soll. Angesichts der Entwicklung des Unternehmens sei das sehr wohl gerechtfertigt, argumentieren dagegen Unternehmensvertreter. Dabei ist ihnen egal, ob und wie viel Zeit Musk für Tesla aufbringt.
Laut den Kläger-Anwälten ist es die höchste Bezahlung, die je ein Manager bekommen hat: Insgesamt 58 Milliarden Dollar ist das Paket aus Aktien-Optionen wert, das Tesla seinem Chef und Großaktionär Elon Musk 2017 zusprach, wenn dieser bestimmte Ziele bei Gewinn, Absatz und dem Aktienkurs erreichen würde. Auch dank dieser höchst ungewöhnlichen Entlohnung ist Musk inzwischen zum reichsten Mann der Welt aufgestiegen. Und obwohl sich der Aktienkurs von Tesla bis heute mehr als verzehnfacht hat, wovon alle Anteilseigner profitieren, muss Musk sich derzeit vor Gericht für seine Bezahlung rechtfertigen.
Musk weist in dem Prozess die Vorwürfe zurück. Als das Aktienpaket beschlossen worden sei, hätten Investoren gedacht, "dass wir scheitern und bankrottgehen werden", sagte er. "Wir waren damals in einer ziemlich harten Lage, wir verloren viel Geld", so der Mulitmilliardär. "Die Wahrscheinlichkeit eines Überlebens war extrem niedrig." Die Automobilindustrie habe sich lange Zeit über Tesla lustig gemacht. "Sie dachten, Elektrofahrzeuge sind ein Witz", sagte Musk. Der Durchbruch sei Tesla erst mit dem gewaltigen Erfolg seines Model 3 gelungen.
Die Anwälte des Klägers, eines Kleinaktionärs, beanstanden das Vergütungspaket auf mehreren Ebenen. Sie behaupten, die Aktionäre, die den Plan mit einer Mehrheit der Stimmrechte angenommen hätten, seien vom Tesla-Board, einem Gremium mit ähnlichen Aufgaben wie ein Aufsichtsrat einer deutschen AG, in die Irre geführt worden. Die angeblich unabhängigen Board-Mitglieder seien in Wirklichkeit Musks Freunde oder mit dem Teslachef geschäftlich verbunden gewesen. Diese hätten den übrigen Aktionären fälschlicherweise suggeriert, dass die für die milliardenschweren Ausschüttungen gesetzten Ziele, ohnehin kaum zu erreichen seien. Tatsächlich hat Tesla in wenigen Jahren einen Großteil dieser Finanzkennzahlen abgehakt. Der Beschluss von 2017 sei daher ungültig.
Vor allem aber bezweifeln die Klagevertreter, dass Musk die astronomische Entlohnung in der Sache verdient habe. Vor Gericht sagte die damalige Vorsitzende des für die Vorstandsgehälter zuständigen Board-Komitees, Ira Ehrenpreis, das Vergütungspaket sei so üppig ausgestattet worden, um Musk zu motivieren, hochgesteckte Ziele zu erreichen. Laut dem Kläger ist das allerdings wenig überzeugend. Die Wertentwicklung seines eigenen, milliardenschweren Tesla-Anteils - 2017 waren es etwa 21 Prozent - hätte Musk doch wohl ausreichend motivieren müssen.
Geld für den Mars
Board-Mitglieder sind den Interessen der Gesamtheit der Aktionäre verpflichtet und dürfen daher keine unnötigen Ausgaben zulassen. Deshalb gehören in dem Prozess neben Musk auch die damaligen Mitglieder des Aufsichtsgremiums zu den Beklagten.
Die Anwälte des Klägers vermuten statt eines angemessenen Leistungsanreizes ein anderes Motiv hinter dem ungewöhnlichen Bezahlungsarrangement: Die mit ihm befreundeten Board-Mitglieder hätten Musk helfen wollen, Milliardensummen aus dem Konzern abzuzweigen und in sein eigentliches Herzensprojekt zu stecken: die bemannte Raumfahrt zum Mars. Musk spricht nicht nur immer wieder öffentlich von seiner Vision, die Menschheit zu einer "multiplanetaren Spezies" zu machen und mit Flügen zum Mars beginnen zu wollen. In einer E-Mail an den damaligen Topjuristen von Tesla schrieb Musk im Rahmen der Verhandlungen um seine Vergütung, er werde, "das Geld für den Mars verwenden, wenn ich erfolgreich bin".
Einen weiteren Angriffspunkt sehen die Klagevertreter in Musks Arbeitszeit. Sie bezweifeln, dass Musk, der bereits 2017 auch die Geschäfte mehrerer anderer Konzerne leitete, überhaupt ein richtiger Beschäftigter bei Tesla gewesen sei. Bestimmungen, wie viel seiner Zeit der Konzernchef Tesla widmen solle, enthält das Vergütungspaket nicht. Dies sei in den Verhandlungen nicht angesprochen worden, gibt das zuständige Board-Mitglied Ehrenpreis vor Gericht zu Protokoll. Schließlich habe es nie Zweifel am Engagement Musks gegeben, der ja zeitweise sogar in der Tesla-Fabrik in Nevada auf dem Boden geschlafen habe.
Überhaupt noch Zeit für Tesla?
Allerdings hat das Thema Arbeitszeit in den vergangenen Wochen eine neue Relevanz bekommen. Angesichts der Übernahme von Twitter durch Musk und des durch ihn dort ausgelösten Chaos, scheint zweifelhaft, dass sich der Manager überhaupt noch um seine anderen Unternehmen kümmern kann. Er twitterte sogar selbst aus dem Hauptsitz des sozialen Netzwerks: "Werde hier arbeiten & schlafen, bis die Organisation in Ordnung gebracht ist". Und vor wenigen Tagen gab er bei einer Veranstaltung am Rande des G20-Gipfels bekannt, er habe "zu viel Arbeit vor sich".
Dies - während Musk sich schon länger intensiv mit der zwischenzeitlich wieder abgesagten Übernahme von Twitter beschäftigte, während der Aktienkurs von Tesla allein in den vergangenen zwei Monaten um rund 40 Prozent fiel - könnte der Argumentation des Klägers in die Hände spielen.
Quelle: ntv.de, mit AFP