DAX reagiert mit Verlusten Neue Zinspolitik der Bank of Japan überrumpelt Märkte
20.12.2022, 08:10 Uhr
Einen "Paukenschlag der japanischen Notenbank" nennt Experte Altmann den Schritt.
(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)
Mit einer Verschärfung der Zinspolitik überrascht die japanische Notenbank die Märkte. Experten sehen darin eine "Zinserhöhung durch die Hintertüre". Auch in Deutschland kommt es zu Kursverlusten.
Japans Zentralbank hat überraschend ihre Zinspolitik verschärft und damit die Finanzmärkte schockiert. Die Bank of Japan (BoJ) kündigte an, einen stärkeren Anstieg der Zinsen für lang laufende Staatsanleihen zuzulassen. Die Entscheidung traf Anleger unvorbereitet: Sie hatten erwartet, dass die BoJ bis zum angekündigten Rücktritt von Notenbankchef Haruhiko Kuroda im April 2023 keine Änderungen an ihrer Steuerung der Zinskurven mehr vornehmen wird.
Die Notenbank kündigte zudem eine deutliche Erhöhung ihrer Anleihenkäufe an. Das Renditeziel von null Prozent bei den zehnjährigen Staatsanleihen wurde allerdings unverändert belassen. Das deutet darauf hin, dass die Maßnahmen insgesamt eher auf eine Feinjustierung der ultralockeren Geldpolitik ausgerichtet sind statt auf eine Rücknahme der geldpolitischen Stimulierung.
"Der heutige Schritt zielt darauf ab, die Marktfunktionen zu verbessern und so die Wirkung unserer geldpolitischen Lockerung zu verstärken", sagte Kuroda auf einer Pressekonferenz. "Es ist also keine Zinserhöhung." Konkret beschloss die BoJ, die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen künftig stärker um ihren Zielwert von null Prozent schwanken zu lassen - und zwar um 0,50 statt bislang 0,25 Prozentpunkte.
Sie will außerdem die monatlichen Käufe von japanischen Staatsanleihen im Volumen von bisher 7,3 Billionen Yen auf neun Billionen Yen (67,5 Milliarden Dollar) erhöhen. Dies werde die Nachhaltigkeit der geldpolitischen Ausrichtung stärken, sagte Kuroda. Es sei keinesfalls eine Überprüfung, die zu einer Aufgabe der Zinskurvensteuerung führe oder zu einem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik.
Nikkei rutscht ab
Der japanische Aktienmarkt ging nach der Entscheidung auf Tauchstation. In Tokio rutschte der Nikkei-Index um 2,5 Prozent auf 26.568 Punkte ab. Die Börse in Shanghai und der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen gaben jeweils mehr als ein Prozent nach. Auch der deutsche Aktienmarkt reagierte mit Verlusten. So sank der Leitindex DAX in der ersten Handelsstunde um 0,94 Prozent auf 13 811,82 Punkte. Der MDAX der mittelgroßen Börsenwerte stand 1,31 Prozent tiefer bei 24 696,98 Punkten. Um 1,1 Prozent nach unten ging es auch für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50.
"Vielleicht ist dies ein kleiner Schritt, um die Strategie zu testen und zu sehen, wie der Markt reagiert", sagte Analyst Bart Wakabayashi vom Finanzhaus State Street in Tokio. "Ich denke, wir sehen hier den ersten Zeh im Wasser." Thomas Altmann von QC Partners nennt es einen "Paukenschlag der japanischen Notenbank". Viel schneller als erwartet trete die BoJ dem Chor der restriktiven Notenbanken bei. Der Markt habe nur mit verbalen Hinweisen gerechnet, dass die Bank schon heute handelt, sei eine große Überraschung. "Die Vergrößerung des erlaubten Zinskorridors ist nichts anderes als eine Zinserhöhung durch die Hintertüre", so Altmann.
"Das sind kleine Schockwellen"
Die Aktion der Bank of Japan treffe die Börsen völlig unvorbereitet. "Das sind kleine Schockwellen, die die japanische Notenbank heute durch die Märkte schickt". Und wenn diese Schockwellen so kurz vor Weihnachten auf eine geringe Marktliquidität treffen, dann können die Kursverluste durchaus heftiger ausfallen.
An den Finanzmärkten wird nun gerätselt, wie wohl der nächste Schritt der Notenbank ausfallen wird. Denn die Amtszeit von Kuroda nähert sich ihrem Ende und zudem wird erwartet, dass die Inflation bis in das nächste Jahr hinein über dem Notenbank-Ziel von zwei Prozent liegen wird. "Sie haben das Band ausgeweitet und das wohl früher als erwartet", sagte Moh Siong Sim von der Bank of Singapore. Das werfe die Frage auf, ob dies ein Vorbote für eine weitere Normalisierung der Geldpolitik sei.
Die ultralockere Zinspolitik der Währungshüter und ihre anhaltenden Anleihenkäufe zur Verteidigung der Renditeobergrenze waren in der Öffentlichkeit zuletzt zunehmend unter Beschuss geraten. Diese Politik verzerre die Renditekurve, höhle die Marktliquidität aus und verstärke den unerwünschten Kursrückgang des Yen, was die Kosten für Rohstoffexporte in die Höhe treibe, lauteten die Kritikpunkte.
Quelle: ntv.de, mdi/DJ/dpa/rts