Machtkampf mit Berlusconi-Erben ProSiebenSat.1-Aufsichtsratschef gibt auf
25.01.2025, 13:24 Uhr Artikel anhören
Der Berlusconi-Konzern MFE hält bereits 29,99 Prozent der ProSiebenSat.1-Anteile.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Der Medienkonzern MFE, hinter dem die Berlusconi-Familie steht, greift nach der Mehrheit beim deutschen Sender ProSiebenSat.1. Dessen Aufsichtsratschef sieht angesichts des Vorgehens der Italiener keine Möglichkeit mehr, seine Aufgabe im "Interesse aller Aktionäre" zu erfüllen.
Vor dem Hintergrund des Konflikts mit Großaktionär MFE verliert ProSiebenSat.1 seinen Aufsichtsratschef Andreas Wiele. Der ehemalige Axel-Springer-Manager habe Aufsichtsrat und Vorstand darüber informiert, dass er nach Ablauf seiner Wahlperiode keine weitere Amtszeit als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats anstrebe, teilte der deutsche Fernsehkonzern mit. Wiele werde daher zur Hauptversammlung am 28. Mai 2025 aus dem Kontrollgremium ausscheiden.
Wiele begründet seinen Abgang in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche" mit einem Machtkampf mit den Großaktionären MFE und PPF. Wegen der geänderten Aktionärsstruktur könne er sein Amt als Chefkontrolleur nicht mehr unabhängig im Interesse aller Eigentümer ausführen, sagte Wiele. Die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder arbeite entweder für einen der beiden großen Minderheitsaktionäre - die italienische MFE-Holding der Berlusconi-Familie und die tschechische PPF-Gruppe - oder sei von einem der beiden vorgeschlagen. Bei der Hauptversammlung hätten die Aktionäre aus Italien und Tschechien zusammen mit 43 Prozent wegen geringer Präsenz eine deutliche Mehrheit. "Diese Situation verhindert es, die Interessen aller Aktionäre zu vertreten und im Zweifel durchsetzen zu können."
Auf die Frage, ob er bei dem Aktionärstreffen eine Chance auf eine Wiederwahl gehabt hätte, sagte Wiele im Interview: "Ich glaube, da sind sich MFE, PPF und ich einig - ich habe nicht das Gefühl, dass die beiden Minderheitenaktionäre sich weiterhin einen unabhängigen Chef des Aufsichtsrates wünschen." Der langjährige Manager von Axel Springer fügte hinzu: "Und deshalb ist es besser, ich ziehe mich zurück, weil alles andere destruktiv wäre."
Forderung nach Verivox-Verkauf
Der italienische Fernsehkonzern MFE-Mediaforeurope steht mit einem Anteil von 29,99 Prozent an ProSiebenSat.1 kurz vor der Schwelle, die ein Pflichtangebot für die übrigen Anteile an der Senderkette nach sich zöge. Die Italiener haben sich Kredite über 3,4 Milliarden Euro für ihre internationalen Expansionspläne gesichert und werben seit langem für eine engere Kooperation mit ProSiebenSat.1. Beobachter erwarten ein Übernahmeangebot von MFE, wenn die Bayern möglichst viele Assets außerhalb des Kerngeschäfts TV und Unterhaltung verkauft haben.
Hier hatten MFE und die tschechische PPF, die unter 15 Prozent an ProSieben hält, wiederholt gefordert, das Vergleichsportal Verivox und den Online-Kosmetikanbieter Flaconi schnell zu verkaufen. Wiele kritisierte das Vorgehen der Großaktionäre über die Öffentlichkeit. "Es ist für jeden auf Anhieb einleuchtend, dass die eigene Verhandlungsposition enorm geschwächt wird, weil die potenziellen Käufer dies natürlich ausnutzen." Dies zeige, "dass hier nicht im Interesse des Unternehmens oder aller Aktionäre gehandelt wird - und das möchte ich nicht mehr vertreten." MFE lehnte einen Kommentar zu Wieles Äußerungen ab.
Quelle: ntv.de, mbo/rts