Wirtschaft

Gazprom drosselt erneut Putin verdient mehr, obwohl er weniger liefert

Putins Manöver lassen sich laut Ökonom Südekum noch einige Male wiederholen, aber irgendwann fallen auch die Märkte darauf nicht mehr herein.

Putins Manöver lassen sich laut Ökonom Südekum noch einige Male wiederholen, aber irgendwann fallen auch die Märkte darauf nicht mehr herein.

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Innerhalb von zwei Tagen kürzt der russische Staatskonzern die Gastransporte nach Deutschland. Nach Angaben aus Moskau wegen Verzögerungen bei Reparaturarbeiten. Ökonom Jens Südekum hält das für einen fadenscheinigen Bluff, mit dem sich Putin die Taschen voll macht.

Während Kanzler Olaf Scholz zusammen mit anderen EU-Regierungschefs in der Ukraine ist, drosselt der russische Staatskonzern Gazprom wie angekündigt seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream. In einem auf Twitter veröffentlichtem Video widerspricht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck der Behauptung von Gazprom, der teilweise Lieferstopp hänge mit Wartungsarbeiten und indirekt mit westlichen Sanktionen zusammen. Aus seiner Sicht handele es sich "um eine politische Aktion", die technischen Gründe seien nur vorgeschoben.

Der Ökonom Jens Südekum hält diese Begründung wie Habeck für vorgeschoben: "Wir befinden uns beim Thema russisches Gas im Endspiel. Putin hat schon mehrfach ähnliche Manöver gefahren, mit denen er ganz bewusst Verunsicherung stiften will", sagt Südekum ntv.de. Als Konsequenz stiegen an den Gasmärkten die Preise in wenigen Stunden von 80 auf 120 Euro.

"Obwohl Putin die Menge gedrosselt hat, verdient er im Moment noch mehr Geld." Diese Art von Manöver lasse sich sicher einige Male wiederholen, irgendwann würden aber auch die Märkte darauf nicht mehr hereinfallen. "Wenn man immer nur blufft und die Lieferungen dann doch wieder aufnimmt, lernen auch die Märkte. Dann geht dieses Spiel nicht mehr auf", sagt Südekum. Solange diese Masche aber noch funktioniert, werde sich der russische Präsident ihrer auch bedienen.

Möglich ist auch, dass Putin Ernst macht und der Gasstrom im schlimmsten Fall gegen null geht. Ob und wann dieser Tag kommt, ist laut Südekum schwer vorauszusagen. Allzu lange dauern müsse es aber nicht, schließlich wolle die Bundesregierung bis 2024 komplett unabhängig von russischem Gas werden. "Ich sehe nicht, warum Putin noch lange mit einem kompletten Gaslieferstopp warten sollte", sagt der Ökonom. Er hält es für wahrscheinlich, dass es noch diesen Sommer oder im Herbst vor Beginn der kommenden Heizperiode so weit sein könnte.

Habeck appellierte an Energiesparen

Auch die Bundesnetzagentur nannte das Vorgehen Moskaus "technisch nicht zu begründen". Dass Gazprom seine Lieferungen durch Nord Stream 1 nun auf etwa 40 Prozent senkt, ist aus Sicht des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ein Warnsignal. "Russland schürt damit leider Verunsicherung und treibt die Gaspreise hoch", sagte er der "Rheinischen Post".

Wenn Gazprom über Wochen nur 40 Prozent durch Nord Stream 1 liefere, bekomme Deutschland ein Problem, sagte Müller: "Das würde unsere Situation erheblich verschlechtern. Über den Sommer könnten wir das vielleicht aushalten, denn die Heizsaison ist ja vorbei. Allerdings müssen wir jetzt zwingend die Speicher füllen, um den Winter zu überstehen - auch mit russischem Gas.

Angesichts des aktuellen Rückgangs rief Habeck erneut zum Energiesparen auf. In dem auf Twitter verbreiteten Video dankte der Grünen-Politiker der Bevölkerung und den Unternehmen für ihre bisherigen Bemühungen. Habeck appellierte mit Blick auf das Energiesparen zugleich: "Es ist jetzt der Zeitpunkt, das zu tun. Jede Kilowattstunde hilft in dieser Situation."

Bundesregierung hält Gas-Versorgung weiter für gesichert

Trotz der erneut reduzierten Gasliefermenge sieht die Bundesregierung die sichere Versorgung mit Gas derzeit als weiter gewährleistet an. "Aktuell können die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es wird aktuell noch eingespeichert", teilte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums mit.

Laut Südekum ist die Situation heute schon sehr viel besser als noch vor zwei Monaten, als die Gasspeicher nur zu 20 Prozent gefüllt waren. Bis November müssen die Speicher aber eigentlich bei 90 Prozent stehen - nur dann ist die Versorgungssicherheit auch über den Winter gewährleistet.

"Sollte das Szenario eines kompletten Lieferstopps kurzfristig eintreten, dann wird es extrem schwierig, die Speicher weiter zu füllen", sagt Südekum. Der aktuelle Speicherstand liegt bei 56 Prozent. Damit ließe sich laut dem Ökonomen der Winter nicht überstehen. In einem solchen Szenario müssten unmittelbar Vorkehrungen getroffen werden, damit Gas im Winter nicht rationiert werden muss. "Dann müssten wir sofort anfangen, an jeder Stelle Gas einzusparen."

Zurzeit können Haushalte laut Südekum unter anderem Gas sparen, indem nicht jeden Tag lange und warm geduscht wird. "Was ein einzelner Haushalt darüber hinaus zum Gassparen beitragen kann, wird sich im kommenden Winter herausstellen." Die Appelle von Habeck an die Bevölkerung hält er für richtig. "Mit Appellen allein wird es aber nicht getan sein."

Quelle: ntv.de, mit dpa

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